Dave Lisewski ist ein Standard-Nerd, so wie sich ihn die Marketing-Abteilungen dieser Welt vorstellen. Eines Tages beschließt er, ein Superheld zu werden. Nicht, weil er plötzlich Laserstrahlen aus den Auge schießen könnte oder irgendjemanden rächen müsste, sondern einfach so. Weil er es eben cool findet.
Er bestellt im Netz einen ästhetisch herausfordernden Strampelanzug, nennt sich Kick-Ass und macht sich mit ungewohntem Enthusiasmus ans Werk. Allerdings auch mit unfassbarer Naivität, weswegen er schon bei seinem ersten Einsatz mittels Messer und Motorhaube derbe durch die Hecke gezogen wird. Wieder aus dem Krankenhaus entlassen, hat er dank mehreren Kilo Metall im Skelett und gekappten Nervenenden wenigstens so etwas wie eine Superkraft, nämlich eine extrem hohe Schmerztoleranz.
Durch Youtube-Clips wird Kick-Ass tatsächlich ein wenig berühmt, was andere kostümierte Spinner auf ihn aufmerksam macht. Batman-Lookalike Big Daddy befindet sich nämlich zusammen mit seiner elfjährigen Tochter, die er zu der gnadenlosen Killerin Hit-Girl herangezogen hat, auf einem Rachefeldzug gegen den Gangster-Boss Frank D’Amico, und könnte ein wenig Unterstützung brauchen. Ohne zu wissen wie ihm geschieht, wird Kick-Ass in den Konflikt der beiden und damit in die vielbeschworene Spirale der Gewalt gezogen.
Viraler Infekt
Kick-Ass, nach einer Vorlage des in Comic-Kreisen gefeierten Mark Millar, ist ein Beispiel dafür, wie sich ein Film an übertriebenem viralen Marketing einen Schnupfen holen kann. Monate im Voraus tauchten ganze Schwärme von gut geschnittenen Trailern, Plakaten und Bildern auf. Einige ganz großartige Ausschnitte verbreiteten sich, wie die Szene, in der Nicholas Cage als Big Daddy seiner Tochter beibringt, wie es sich anfühlt mit einer schusssicheren Weste angeschossen zu werden. Dazu kam ein massives mediales Kreuzfeuer durch die einschlägigen Seiten und Blogs, wie radikal anders, politisch inkorrekt, gewissenlos spaßig und überhaupt, wie AWESOME dieser Film doch sei.
Und tatsächlich, von dem, was man da sah, versprach man sich einiges: mal wieder eine zünftige Dekonstruktion des Superhelden-Genres würde das werden, ein kunterbunter, blutiger Schlag ins Gesicht von Super-Saubermann und Co, die rotzpunkige kleine Schwester der depressiven Watchmen-Grufties. Allein der Slogan schien schon sein Geld wert zu sein: „With no Power comes no responsibility.“ Nimm das, Spiderman.
Noch eine Internet-Blase
Das klingt nach einem verdammt gutem Film, es gibt nur ein Problem: Kick-Ass ist es nicht. Die immens hohen Erwartungen, die durch das Marketing aufgebaut wurden, kann der Film bei weitem nicht erfüllen. Schon in der ersten Viertelstunde kommt das Gefühl hoch, dass das hier doch viel konventioneller ist, als man es sich vorgestellt hat. Und im weiteren Verlauf wird einem bewusst, dass „Kick-Ass“ zwar immer wieder schöne Ideen und gelungene Szenen aufweist, wie beispielsweise Nic Cages bescheuert verstellte Stimme, wenn er die Maske aufhat; von denen hat man allerdings die meisten schon in den Trailern gesehen, und insgesamt bleiben sie eine Aneinanderreihung ohne inneren Zusammenhang. Das Problem des Films liegt zu großen Teilen an seiner Hauptfigur, die einen der langweiligsten und passivsten Helden aller Zeiten darstellt. Dave Lisewski hat keine Motivation ein Kostüm anzuziehen außer Langeweile. Seine Aktionen bestehen im Grunde nur aus zwei Prügeleien, von denen er eine verliert und eine gewinnt. Ansonsten stolpert er im Grunde recht taten- und ahnungslos durch die Handlung. Sein Charakter bleibt extrem farblos und sogar tendenziell unsympathisch, und so ist es dem Zuschauer letztendlich auch scheißegal, wenn er durch die Mangel gedreht wird.
Fahrt nimmt der Film nur dann auf, wenn Big Dadddy und vor allem Hit-Girl im Bild sind, die die eigentlichen Handlungsträger sind. In diesen Szenen löst der Film ein, was er versprochen hatte, Nicholas Cage und Chloe Moretz sorgen als schießwütige Kleinfamilie für die bizarren Höhepunkte des Films. Hit-Girl wird denn auch ganz unverhohlen als eigentliche Attraktion des Films behandelt. Die bonbonbunte Ninja-Göre , die mit einem Mundwerk wie ein Matrose auch die härtesten Gang-Gorillas über den Jordan schickt, ist tatsächlich eine ikonische Figur.
Sie allein rettet den Film allerdings auch nicht. Dafür gibt es zu viele Elemente, die den Zuschauer immer wieder aus der Geschichte werfen. Der Sub-Plot von Dave und seinem Love Interest Katie ist an Unglaubwürdigkeit kaum zu überbieten. Die Musikauswahl kommt höchst bemüht hip rüber, und wenn in einer Kampf-Szene fünf verschiedene Tracks angespielt werden, nervt es irgendwann einfach. Besonders gravierend ist jedoch, dass der Film die eigene Prämisse von den Normalos im Heldenkostüm kaum ernst nimmt und spätestens im letzten Drittel vollends über Bord wirft; denn wo Kick-Ass definitiv keine Superkräfte hat, hat die herumwirbelnde Kindersoldatin Hit-Girl ganz offensichtlich übermenschliche Fähigkeiten. Auch dass Selbstjustiz oder die eigene Tochter zum Töten auszubilden problematisch sein könnte, wird nie auch nur satirisch thematisiert, sondern es werden ohne zu hinterfragen Muster übernommen, die hier dem Anspruch nach doch eigentlich parodiert werden sollten. Auch als Auseinandersetzung mit dem Medium Comic oder dem Superhelden-Genre hat Kick-Ass nicht viel zu bieten, und beschränkt sich auf die üblichen Referenz-Kinkerlitzchen, was ja inzwischen ohnehin zum Standard gehört.
Nichts Besonderes
Was übrigbleibt ist die Gewalt, die ziemlich als Selbstzweck eingesetzt wird, nach dem Motto: Guckt mal, wir halten drauf, wo die anderen wegblenden, wir trauen uns ganz schön was. Das ist auf die Dauer doch eher unsympathisch, denn bei dem geringen Maß an Reflektion setzt sich letztlich die Message durch, dass Gewalt ja doch ziemlich cool ist. Auch das ist im Action-Genre ja nichts Neues.
Die meisten Kritiker hat der Film überzeugt und auch an den Kassen wird er wohl sein Publikum finden. Das soll aber nicht davon ablenken, dass Kick-Ass nicht dem Image entspricht, dass von Medien und Werbung aufgebaut wurde: Der Film ist in kaum einer Hinsicht etwas Besonderes. Er ist weder besonders „abgefahren“, noch besonders smart. Er ist eigentlich nur bunt und gewalttätig. Wenn man keine Erwartungen hat und einfach nur zwei Stunden im Kino verbringen möchte, mag das reichen, dann kann man auch an Kick-Ass seinen Spaß haben. Um länger im Gedächtnis zu bleiben, ist es aber dann doch zu wenig.
Artikel zum Kick-Ass-Comic: Hier klicken!
2 Responses to “Kick-Ass: Don’t believe the hype”
[…] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von Endoplast erwähnt. Endoplast sagte: #Kick Ass: Ein Tritt in den Arsch des Kinobesuchers. http://bit.ly/cqEfnw […]
[…] Spezial-Effekten verfilmt. In diesem Jahr kamen fast parallel Comic und Film nach der Millar-Story „Kick Ass“ heraus. Die Verfilmung und das Projekt bekamen viel Vorschußlorbeeren, finanziell war das Projekt […]