Guter Wein muss lagern, Freundschaften und Liebe müssen wachsen, ein Kind wird nicht über Nacht zum Erwachsenen und die Welt entstand nicht sofort durch ein Fingerschnipsen. Kurz: Alles braucht seine Zeit. Ein gesunder Lebens-Rhythmus kann sich nur entwickeln, wenn man Geduld hat. Doch im Trend liegt eher eine energieraubende Sofortigkeit.
Umgekehrt: Wir wissen, wer lernt, alles Wünschenswerte sofort zu erhalten, hält die eigene Gier für selbstverständlich und gewöhnt sich daran. Die sofortige Bedürfniserfüllung ohne Wartezeit gebiert einen auf sich selbst bezogenen Unmenschen.
Entschleunigung für Egoisten
Unsere Kultur basiert auf Wartezeiten. Nicht alles immer sofort zu kriegen, wirkt entschleunigend und zeitigt einen großen Geduldsfaden-Durchmesser. Sofortlosigkeit ist ein hoher Wert auch im Rechtssystem oder in der Politik. Kinder, die jeden Wunsch erfüllt bekommen, werden Egoisten, haben kurze Aufmerksamkeitsspannen und werden Weicheier, weil sie nie gelernt haben, zu warten.
Belohnung mit Wartezeit
Sofortige Belohnung ist ein Gedanken-Gift, das im Menschen den Sinn dafür abtötet, dass nicht alles augenblicklich verfügbar sein bzw. zur Verfügung stehen muss. Was dabei nicht sofort zu haben ist, gerät aus dem Fokus der Aufmerksamkeit. Eine Verknappung oder Nicht-Verfügbarkeit jedoch kann für Marketing-Strategen andererseits ein wirksames Mittel sein, um die gierigen Konsum-Junkies der Soforteritis zu kitzeln, denn die haben sich auf Schnelligkeit und Echtzeit-Erlebnisse fokussiert. Wenn das Objekt der Begierde ihnen Hürden in den Weg legt, erwacht ihr Konsum-Masochismus.
Langsam ist schnell
Ohne schnelles Feedback kann man auch nicht mehr an den Wert der eigenen Existenz glauben. Null Geduld ist angesargt. Dabei kostet Ausführlichkeit viel Zeit und viel Zeitverbrauch ist das Gegenteil von Schnelligkeit. Aber Langsamkeit ist ausführlich und Ausführlichkeit ist verantwortungsvoll. Und all das ist schneller, weil nachhaltiger als die simple Schnelligkeit, die nie an die Folgen denkt. Weil bei einer überlegten Handlung, die Zeit verbraucht, auch das Ergebnis stimmt und nicht mehr nachgebessert werden muss.
Zeitfaktor „Nachhaltigkeit“
Der rasante Aufstieg der Industrienationen läuft Gefahr, die ganze Welt schneller als wir denken vor die Wand zu fahren. Nicht nur erderwärmungsmässig sondern längst auch umweltmässig. Deshalb: Langsam mit Bedacht ist schneller, als schnell, ohne nachzudenken etwas zu tun und erst dann zu überlegen, mit wie viel Aufwand die unbeabsichtigten oder fahrlässig in Kauf genommenen Folgen zu beseitigen und der Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen sind.
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