Tag für Tag bin ich ganz woanders: Ich sitze am Bildschirm und tauche ein in die Welt da drin. Ich werfe in der realen Welt wenig weg. Der Papierkorb in der simulierten Welt hingegen ist immer voll.
In der traditionellen, der analogen, Welt hatte alles einen Anfang und ein Ende, eine sichtbare Ursache. In der digitalen Welt werden diese Zusammenhänge lediglich simuliert. Anstatt einer richtigen Mappe mit papiernen Dokumenten gibt es eine digitale Arbeitsmappe in Excel, anstatt eines Schreibtisches aus Holz oder Plastik gibt es einen Desktop. Putzig, aber es sind digitale Simulationen, Oberflächen, hinter die wir nicht mehr blicken, die wir nicht mehr hinterfragen.
Wenn ich Tag und Nacht am hellen Bildschirm gesessen habe und dann, jetzt, im Sommer nach draußen vor die Tür trete und ich sehe wieviel schöner die Sonne strahlt, wenn ich auf die Schubkarre gucke, die ich vor einer imaginierten Ewigkeit, die vor ein paar Wochen war, mit Kompost gefüllt hatte, wie sie nun zugewachsen ist mit so genanntem Unkraut, dann wanke ich.
Ich könnte auch umfallen, halte mich aber an einer virtuellen Hilfslinie fest und gehe zurück ins Büro.
2 Responses to “5. August: Schöner Tag, virtuelle Welt”
Exel, Desktop, heimischer Schreibtisch, der Begriff von dieser virtuellen Welt – das ist doch alles Old School.
Der Umstand, daß Du vom Kartoffeldruck herkommst, entschuldigt nicht, daß Du immer noch Deine Hieroglyphen in Stein setzt. Selbst hier.
Die Welt jenseits der Schubkarre am Schuppen Deines Elternhauses ist bunt; das wirst Du auch noch merken – jenseits der ausgestorbenen Garde der Schriftsetzer, dessen letztes Relikt Du bist.
(-:
Ich sitze hier in meiner Schafswollweste, beobachte die Hühner, deren ruhiger Gang kontemplativ auf mich einwirkt und lese an meinem Bildschirm (ist oldschool, heute wird direkt in die Synypsen übermittelt) Ihren Beitrag, beweisst er doch, dass ich Recht hatte.
Sie gehören zu denen, die so sehr in der virtuellen Welt leben, dass sie sich keine Gedanken mehr machen können. Für Sie ist es oldschool zu sagen, man arbeite in Excel (was ich tue) oder habe einen Desktop (habe ich). Aber das ist die Realität!
Ein Lob dem Kartoffeldruck, der das analoge Prinzip in überbordender Deutlichkeit zelebriert. Wer einmal aus großen Knollen komplizierte Motive geschnitzt hat, z.B. die Nachbildung der Lithografie „Für Friely Nr. 57“, an der ich zwei Tage gesessen habe, der weiß um die Bedeutung alter Techniken.