Eigentlich war die Trennung bisher denkbar einfach, selbst wenn es bei näherer Überlegung doch etwas oder vielleicht auch viel komplizierter ist: Auf der einen Seite existiert die konkrete vom Menschen wahrnehmbare Welt. Auf der anderen Seite erkennt der Mensch die Strukturen und Funktionsweisen dieser erlebten Welt und ordnet ihr Mutmaßungen, Hypothesen und Theorien zu. Aber wie wird die Hypothese zur Theorie?
Die Mutmaßung ist eine erste noch relativ ungeordnete Annahme über das Wesen der Realität. Die Hypothese ist eine Vorstufe der Theorie bzw. die Annäherung an eine Theorie. Dabei ist die Hypothese eine mögliche Annahme, die aber noch nicht hinreichend bewiesen ist. Sie könnte also theoretisch richtig und wahr sein, ob sie es aber ist, darüber kann man noch keine endgültige Aussage treffen. So ist sie in ihren Grundzügen nicht mehr als eine mögliche oder wahrscheinliche logische Herleitung. Kann man einen Beweis führen und damit nachweisen, dass die Hypothese richtig ist, spricht man von „verifizieren“ bzw. von einer „Verifikation“. Das „Verifizieren“ ist also ein Instrument der Absicherung der Hypothese, die so zur Theorie heranreifen kann
Falsifizierbarkeit im Unterschied zur Verifizierbarkeit
Ein weiteres Mittel der kritischen Begutachtung einer Hypothese bzw. ihrer logischen Aussagen ist die „Falsifizierbarkeit“ oder „Falsifikation“. Die Methodik des „Falsifikationismus“ geht davon aus, dass man die Wahrheit als Positivaussage nicht mit letzter Gewissheit sehen kann. Es ist möglich, dass man im Erkenntnisprozess einen Fehler macht oder dass die Instrumente der letzten Gewissheit nicht existieren. Dies hat nach August Weismann (1834-1914) im 19. Jahrhundert auch Karl Popper (1902-1994) als Ausgangslage für den Erkenntnisgewinn angenommen. Popper geht dabei davon aus, dass der Positivbeweis nicht möglich ist, im Umkehrschluß aber das Widerlegen (als Negativbeweis) der Hypothese möglicher erscheint. Eine Hypothese, die nach eigehender Prüfung nicht wiederlegt werden kann, müsste demnach mit einiger Wahrscheinlichkeit richtig sein. Eine logische Aussage gilt als falsifizierbar, wenn sie mit einem sogenannten Beobachtungssatz widerlegt werden kann. Ein Beobachtungssatz ist eine Aussage, die ihrerseits durch Beobachtung und vorläufige Übereinkunft Gültigkeit erhält.
Der Fallibilismus als kritische Instanz
Es geht bei all dem um die Absicherung in sich logischer Aussagen, die einen vereinbarten Empirismus, der als Basis von Erkenntnis Sinneserfahrung, Beobachtung und Experiment zulässt, sicherstellen sollen – im Dienste der Wahrheitsfindung. Falsifizierung und Verifizierung kumulieren im „Fallibilismus“, der als Methode davon ausgeht, dass letzte, absolute Gewissheiten nicht möglich sind. Ergebnisse werden durch ein System der Absicherung aber wahrscheinlicher und gelten nach einer Beweisführung oder Falsifikation als (vorläufig) gesicherte Erkenntnisse, von denen man (zunächst) ausgehen kann.
Die Welt der Sinne und die Welt der Theorien
Mandelbrotmengen wie im obigen Video zu sehen sind Visualisierungen mathematischer Größen. Diese Animation ist rein synthetisch und beruht auf Kamerafahrten in ein Gebilde hinein, das reiner Ausdruck einer mathematischen Formel ist. Die Welt der abstrakten Mathematik wird zum Schauplatz synthetisch erzeugter sinnlicher Wahrnehmung. Die Visualisierung theoretischer Gebilde nimmt Formen an, die konkret wie die wahrnehmbare Welt wirken. Ob das die Welt mehr erschließt oder ihr wahres Wesen verdeckt, bleibt die Frage. Nach Augenschein jedoch erzeugen einfache mathematische Formeln Strukturen der Selbstähnlichkeit, die an die Formensprache des Lebendgen erinnert.
One Response to “Hypothese und Theorie, Falsifikation und Verifikation: Alle in die Mandelbroote”
[…] Die wissenschaftliche Methodik dem Nachspüren der Realitätsmuster gliedert sich nach Charles Sanders Peirce (1839–1914) in drei Bereiche der Erkenntnislogik: […]