Zuerst um den Erhalt der Demokratie, denn Trump hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich selbst als eine Art König sieht, der in seiner Selbstwahrnehmung aus Gründen über dem Staat und dem Recht steht.
Für wen spricht Donald Trump?
Dieses „aus Gründen“ ist nicht nur dahingesagt. Denn Trump ist zugleich eine Art Ayatollah Khomeini, ein Revolutionsführer für… ja, für wen eigentlich – und hier wird es interessant. Denn Trump ist wie ein Virus mit multiplen Andockstellen. Er führt eine Revolution der Unzufriedenen an, der Sehnsuchtsvollen nach vergangenen Zeiten, in denen alles noch übersichtlicher war, und eine Revolution der Rechtsradikalen, die eine lange Tradition im religiös fundierten KuKlux-Clan an. Eine Revolution der Republikaner, die Angst haben, dass sie als Ewiggestrige, nicht mehr in Regierungsverantwortung kommen. Dann eine Revolution der Reichen, die als Ausdruck eines wankenden und an seiner eigenen Widersprüchlichkeit erkrankten Spätkapitalismus nichts mehr von ihrem Reichtum abgeben wollen. Die es in ihrer Verblendung nicht einsehen, dass sie als Leistungsträger so viel abgeben sollen. Erst haben sie es mit perfiden Tricks der Steuervermeidung versucht, nun wollen sie den Staat, wie es ihn bisher gab, abschaffen.
Wer sind die Unzufriedenen?
Die Rechtsradikalen und die frustrierten MAGA-Republikaner, die nicht zugeben wollen, dass sie von der Zeit überholt wurden, die Reichen, die es im Land der Supererfolgreichen satthaben, Steuern zu zahlen – diese drei Gruppen würden schon ein gefährliches Gemisch bilden, wenn da nicht noch eine vierte und fünfte Personengruppe wäre, die das nordamerikanische System weiter ins Wanken bringen könnte.
Das Ende des Aufstiegs
Es geht einmal um die, die vom System des Aufstiegs und der sagenhaften Möglichkeiten ausgespuckt und zurückgelassen wurden. Das sind zum Beispiel ehemalige Hausbesitzer, die in der Wirtschaftskrise alles verloren haben, viele von ihnen an der Schwelle zur Obdachlosigkeit oder tatsächlich gesellschaftlich gescheitert. Manche von ihnen sieht man in Zeltstädten innerhalb von Großstädten. Es sind aber auch junge Wähler, die sich in einer Konkurrenzsituation erhöhter Schlagzahl sehen. Die zum Teil Ressentiments gegenüber anderen Ethnien entwickelt haben und wahrnehmen, dass sie eine Generation in einem Land mehrheitlich älterer Wähler sind, die kaum noch jene Chancen haben, die ihre Vorgängergenerationen so beflügelt haben und zum wirtschaftlichen Aufstieg der USA beigetragen haben.
Technik verdrängt Menschen
Nun leben wir im digitalen Zeitalter, und Spiele- sowie Filmindustrie als auch die großen Tech-Unternehmen haben viele Arbeitsplätze geschaffen und dominieren die Leistungskraft der Wirtschaft: Apple, Google, Facebook und andere haben die Weltkommunikation und ihre Vernetzung geformt. Tesla hat die Individual-Mobilität neu definiert. Aber der Scheitelpunkt dieser Erfolgsstory scheint unterschritten. Und nun droht die Künstliche Intelligenz sogar Arbeitsplätze zu vernichten. Das Gespenst jener Technik, die zukünftig schlauer sein könnte als man selbst, verunsichert auch diesen Wirtschaftszweig, zumal neue Ideen wie die von Uber bewusst disruptiv daherkommen. Das heißt hier, Uber zerstört die Einkommensverhältnisse von Taxifahrern und ersetzt die bisherigen Arbeitsplätze durch ein prekäres Modell, auf jeden Fall durch eines, das die Investoren reicher macht und die bisherigen Nutznießer ärmer und abhängiger. Uber ist aber nur ein Beispiel von vielen, bei dem bisherige soziale und wirtschaftliche Strukturen durch neue Technik zerstört werden.
Das ländlich-konservative Amerika
Die Gruppe der vom System Ausgespukten oder ihrer Zukunftsmöglichkeiten Beraubten sind die, die im System verloren haben oder aber Angst davor haben, Verlierer zu werden. Ein System, das zu viele Wähler produziert, die ein solch negatives Selbstbild haben, wird aus sich selbst heraus instabil. Es gibt aber eine letzte Gruppe, die nicht neu ist und nicht Ausgeburt eines Systems, das aktuell zunehmend Verlierer und nur sehr wenig sagenhaft reiche Gewinner hervorbringt: Es sind die, die von Anfang an dem großen Zusammenschluss unter dem Dach der USA, der Vereinigung von 50 Bundesstaaten, zweifeln. Es sind dies ländlich, religiös und konservativ geprägte Staaten und Landstriche, die eine anarchistische, religiöse oder rechts gerichtete Ausrichtung haben, seit jeher an Gewaltenteilung und Rechtmäßigkeit des Präsidenten und dessen Organen zweifeln und sich in näheren sozialen Zusammenhängen verorten.
Donald Trump als wandelnde Triebabfuhr von Millionen
Die oben genannten Gruppen-Definitionen sind nicht jeweils homogene soziale Einheiten. Manch ein Wähler vereinigt Eigenschaften und Motive gleich mehrerer Gruppen auf sich. So ist auch zu erklären, dass Donald Trump inzwischen etwa ein Drittel der amerikanischen Wähler für sich aktivieren kann, also nicht die Mehrheit. Dies sind im Wesentlichen die „Make-America-Great-Again“-Republikaner, die so genannten MAGA-Wähler. Die Umfragen schwanken allerdings, auch weil viele Amerikaner Joe Biden für zu alt und zu wenig dynamisch halten. Im Moment sprechen die Umfragen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Biden und Trump. Dennoch ist Donald Trump derjenige, der affektiv, also nicht mit vernunftsbasierten, Argumenten, die Menschen über ihren emotionalen Zustand erreicht. Der Hass, den sie auf den Staat haben, kanalisiert Trump in seinen Reden. In die Quere kommen ihm seine vielen Prozesse, seine Verurteilung als Sexualstraftäter und seine Weigerung an der Vorauswahl der republikanischen Kandidaten teilzunehmen.
Donald Trump als Revolutionsanführer
Er gibt sich aber nach wie vor als Revolutionsführer, der den Staat, seine Organe wie die Fed (Federal Reserve System) als Zentral- und Notenbank der USA oder das FBI als Bundespolizei und sogar die Republikaner selbst nach Belieben negativ adressiert. Donald Trump hatte vor seiner Wahl 2016 zum amerikanischen Präsidenten als ehemaliger Fernsehmoderator ein intuitives Gespür dafür, seinen Zielgruppen das zu sagen, was sie hören wollten. Dabei kultiviert er Emotionen wie Hass, Herabwürdigung und ein negatives Weltbild. Er füttert wie ein Kult-Führer seine Anhänger mit Lügen – ob mit der Lüge, Joe Biden sei nicht rechtmäßiger Präsident der USA oder dass er etwas für die frustrierten Massen tun will – und nutzt bis heute seine Popularität bei seinen Fans, um mit seinem Namen Geld zu machen:
- Ein Abendessen mit ihm kann schon mal 100.000 Dollar kosten.
- Seine Begnadigungen, die er als Präsident hatte aussprechen können, sollen laut Angaben eines CIA-Agenten bis zu 2 Millionen Dollar pro Stück gekostet haben.
- Der Ehemann seiner Tochter Ivanka Trump, Jared Kushner, hat nach seinem Ausscheiden aus der Trump-Regierung von Saudi-Arabien 2 Milliarden US-Dollar als Investitionssumme in einen Fonds erhalten, obwohl er diesbezüglich keine Expertise hat. Für die Verwaltung der Summe erhält er jährlich 25 Millionen Dollar.
- Mit dem Motiv seines Polizeifotos lässt Trump T-Shirts bedrucken.
- Auch Sammelbilder als NFTs von sich als Superheld hat Trump vermarktet und macht mit all dem Millionen.
Ein System als Geschäftsmodell – nie waren die USA so sehr ein Business wie unter Trump.