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Wahlkampf 2021: Armin Laschet und die Unvorhersehbarkeit

Politikfeld
Es seien Plagiate in seinem Buch „Die Aufsteigerrepublik – Zuwanderung als Chance“ von 2009, wird über Armin Laschet, den Kanzlerkandidaten der CDU/CSU gesagt, der vorher mit stiller Freude wahrgenommen hatte, das Annalena Baerbock ebensolche Stellen in ihrem Buch hat. Man hört, er wolle nun sein eigenes Buch auf diese Stellen überprüfen, was lächerlich klingt: Als ob irgendjemand sein eigenes Buch, das er doch gut kennen sollte, darauf überprüfen müsste, dass dort Stellen abgeschrieben wurden.

Oder Laschet gibt gleich zu, dass er es nicht selbst geschrieben hat, was als Aussage ein Allgemeinplatz ist, denn nur selten schreibt ein Spitzen-Politiker sein Buch selbst. Wie sollte er auch die Zeit dazu finden, wo selbst vergleichsweise kurze Prosastücke wie seine Reden von Redenschreibern verfasst werden.

Politische Kommunikations-Strategien

Dass ein Politiker in den seltensten Fällen etwas Originelles oder Eigenes zu sagen hat, weil er eigentlich nur noch damit zu tun hat, sich im Alltag rauszureden, gehört ebenso zum Geschäft der CDU wie ein fataler strategischer Zweiklang in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit:

Wenig Angriffsfläche bieten: Nach Möglichkeit nicht konkret werden oder überhaupt zu einem drängenden Thema etwas von sich zu geben, ist die eine Strategie. CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl hat sie kultiviert, auch indem er sich nicht von kritischen Medien interviewen ließ. Angela Merkel hat dies weiter perfektioniert. Die Rechnung ist einfach: nur wer sich nicht zu etwas äußert oder, wenn er der Äußerung nicht ausweichen kann, inhaltlich möglichst diffus und interpretationsoffen bleibt, dabei aber dennoch verbindlich klingt und aussieht, also so wirkt als ob er sich auf etwas festlegen würde, kann einer Kritik ausweichen. So werden Wahlprogramme verfasst, die nur noch ein grober Rahmen sind, wo es in der Gesellschaft drängend und gefährlich wird. Das ist der Gestus des Sich-wegduckens vor der Konfrontation. Doch wahltaktisch scheint dies eine erfolgreiche Strategie, weil sie möglichst wenig Angriffsfläche bietet. So ist ein verwässertes politisches Klima ohne Reibung und Spannung entstanden, das große Langeweile und Behäbigkeit in die Politik getragen hat, die nicht mehr genügend gestaltet und dafür um so mehr den Notstand verwaltet. Die Auswirkungen dieser CDU-Passivität hat man in der Coronakrise gesehen.
Indirekte Kommunikation: Die zweite Strategie besteht darin, sich nicht mit dem Wähler direkt zu konfrontieren, denn dessen unbequeme Fragen stellen eine Unwägbarkeit dar, die sich in der Echtzeit-Medienlandschaft rasend schnell verbreitet. Da ist die Talkshow schon die Königsdisziplin politischer Offenheit, obwohl sie traditionell ein kontrolliertes Umfeld darstellt. Wer also wohl vorbereitet mit abgestimmtem Fragenkatalog und journalistischem Airbag aus der Ferne kommuniziert, hat es leichter, wirkt aber mitunter wie eine Aufziehpuppe, der das politisch Lebendige fehlt.

Wahlkampf in Zeiten der Krise

Doch all dies ist in Zeiten des Wahlkampfes – zumal gekoppelt mit der Corona-Krise und der Flut-Katastrophe – außer Kraft gesetzt. Man besucht die Wähler vor Ort, simuliert Volksnähe und setzt sich als CDU-Spitzenpolitiker, der Bundeskanzler werden will und eine unbarmherzige Klientel-Politik mit verantwortet, die die gesellschaftliche Schere zwischen Arm und Reich noch weiter spreizt, und der AfD indirekt die Unzufriedenen in die Arme getrieben hat, dafür ein, dass Probleme gelöst werden.

Armin Laschet im Flutgebiet

Doch sowohl in der Corona-Zeit als auch bei der Flutkatastrophe geht es um konkrete Problemlösungen, deren Wirkung nicht nur nachgehalten und überprüft sondern auch gespürt und erlebt wird. Nun wurde Armin Laschet im nordrhein-westfälischen Flutgebiet angeschnauzt, er würde Wahlkampf machen und sich nicht genügend kümmern. Schnell haben er und SPD-Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ein politisches Duo gebildet, um von ihren Wahlkampf-Ambitionen abzulenken. Es sind dies Bilder politischer Hilflosigkeit, die haften bleiben und es dem CDU/CSU-Bundeskanzler-Kandidaten Laschet schwer machen, der zunächst strategische Vorteile in den Wahlkampf einbringen konnte.

Armin Laschet und Markus Söder

Sein parteiinterner Konkurrent Markus Söder nutzt dabei jede Chance, um sich als starker Mann zu positionieren, obwohl seine konkreten Ergebnisse in der Corona-Krise meist schlechter waren als die von Laschet im bevölkerungsreichen NRW. Der vermeintlich starke Mann aus Bayern, Stellvertreter für eine autoritäre Law-and-Order-Politik, ist ein schlagfertiger Kandidat aus der Werbebranche, der witzig auftritt aber in der Sache nichts zu bieten hat, außer dass er sein Fähnchen schneller nach dem jeweiligen Wind ausrichtet. Das bezieht sich nicht nur darauf, die Windkraft als Energieträger politisch zu sabotieren. So ist die CDU insgesamt mit ihrer Energiewende fahrlässig weit hinter dem Zeitplan zurück geblieben und reagiert nur noch, etwa bezogen auf die Klimakrise, wenn sie schlechte Umfragewerte befürchtet. Man mag diese Lethargie ideologisch ausdeuten oder auf die Überalterung und das Ausgebranntsein der CDU/CSU beziehen.

Wandel der Medienlandschaft

In einer Gesellschaft, die sich schneller als früher entwickelt und ihre Ansprüche und Ideen umwälzt, ist der, der immer nur bewahren will, ganz schnell ein alter Hut, der niemandem mehr passt. Auch passt die Strategie der kommunikativen Kontrolle nur noch bedingt in die Schnelligkeit medialer Echtzeit. Ein Glück für die CDU/CSU, dass die Wähler zu einem Drittel Alte sind und die demographische Entwicklung der Überalterung die Entwicklung etwas aufhält, aber wie lange noch? Längst treten die etablierten Profi-Medien mit der virtuellen Web-Öffentlichkeit in Konkurrenz, adaptieren die Formate, breiten sich in You-Tube und anderen sozialen Medien aus, berichten schneller, stellen teils kritischere Fragen als früher und sind dabei, sich neu zu finden. Der von Rechten so genannte „Staatsfunk“ ist auf dem besten Wege, keiner mehr zu sein.

Politik der Ungewissheiten

Immer geht es in der Politik nicht nur um das Kalkulierbare, das Strategische und Planbare, es geht um das Management der Unkalkulierbarkeit. Das ist die Herausforderung moderner Echtzeit-Kommunikation, die nicht nur eine Kommunikationsform ist, sondern auch Ausdruck einer Kulturtechnik und Lebensart. Hier findet man drei KanzlerkandidatInnen, die unterschiedlicher nicht sein können. Der emotional aktivierende, positivistische aber unkonkrete Armin Laschet trifft auf die in Klimafragen viel besser informierte und genauere Annalena Baerbock, und beide sind konfrontiert mit einem rational-sachlichen Olaf Scholz, der ebenfalls in Sachfragen wohl informiert ist. Man kann es so sehen, dass Laschet darauf vertraut, gute Stimmung und Zuversicht auch angesichts schwieriger Probleme zu verbreiten, während die beiden anderen Kandidaten sich auf Antworten bezüglich der Sachfragen konzentrieren. Bei Scholz kommt hinzu, dass er als Bundesfinanzminister die Gewissheit einer Lösung durch den Einsatz von Geldmitteln befördert, während Baerbock ein Gesamtkonzept für den Klimawandel verkörpert, der allerdings auch mit weitreichenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen verbunden ist.

Laschet, Baerbock und Scholz

Das Profil von Laschet ist das eines konservativen Politikers mit freiheitlichem Anspruch, der die Stärke der Wirtschaft mit einem nicht hinreichend ausgearbeiteten Konzept für den Klimawandel verbindet. Das ist das Manko der CDU/CSU: Ihre lange Regierungszeit hat sie konditioniert, was alles für die Wirtschaft schädlich sein könnte, unter anderem ein gesundes Klima. Es fehlen die Ideen, die Wirtschaft mit dem Klimawandel zu verbinden. Die Grünen-Kandidatin Baerbock besetzt die gegenteilige Position. Als immer stärkere oppositionelle Kraft haben die Grünen erarbeitet, was man braucht, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Dazu gehört eine Neuausrichtung der Wirtschaft, die gleichzeitig die Vorteile und Möglichkeiten einer anders digitalisierten Gesellschaft nutzt. Beide Parteien haben die sozialen Fragen, die mit diesem Wandel verbunden sind, konzeptionell nicht gelöst. Scholz hat diesbezüglich ein weniger klares Profil. Man nimmt ihm seine finanz- und wirtschaftspolitische Kompetenz zwar ab aber in der polaren Konstallation zwischen CDU/CSU und Grünen hat er kein nenneswertes Image in Klimafragen. Er gilt in seiner Sachorientierung als verlässlich und seriös und damit im Verhältnis zu Laschet als authetischer für das, für das er steht. Als konservativer SPD-Politiker ist er Laschet, dem CDU-Kandidaten der Mitte, näher als zu Baerbock. Wer BundeskanzlerIn wird, wird sich nicht nur mit übergroßen Ungewissheiten in Form der Coronakrise, der damit verbundenen Sozial- und Wirtschaftsentwicklungen sowie der Klimakrise konfrontieren sondern auch für die WählerInnen als Figur dafür stehen, dem Gewissheiten entgegenzusetzen. Gewissheiten sind ausgearbeitete politische Konzepte, auch für einen gesellschaftlichen Interessenausgleich. Wem traut man diese Aufgabe zu?

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