Oft ist der künstlerische Ausdruck dann am intensivsten, wenn Künstler*innen sich versenken, absichtslos agieren, ja geradezu leer sind, was den Zustand des bewussten Agierens anbelangt. Dem Bewusstsein kommt beim Erschaffen von Kunst eher die Rolle des Korrektivs zu, wenn eine Arbeit getan und ein Werk fertiggestellt ist.
Das Intervall-Bewusstsein
Das Bewusstsein wacht selten auf oder aber lediglich intervallweise, um immer wieder nachzujustieren, was man gerade tut. Sieht man den Künstler als einen Tätigen, der erst kreiert, um dann den Eindruck der Kreation direkt zu beurteilen, zu belassen oder zu korrigieren oder zu tilgen. Dem Bewusstsein kommt als kritischer Instanz die Rolle eines Aufpassers oder Kontrolleurs zu. Aber wer macht dann die eigentliche Arbeit? Sieht man den Menschen als einen nicht-mechanischen und nicht-logischen Mechanismus an, der Eindrücke aufnimmt und sie zu Ausdrücken verarbeitet, so vollzieht sich das wie das Atmen, das Sehen oder Hören unbewusst. Das künstlerische Werk entsteht so betrachtet in einem selbstablaufenden autonomen System.
Lebenserfahrung contra Unbeschwertheit
Ist der Künstler jung, noch frei und damit unbelastet von Erfahrungen, die ihn in eine Richtung drängen würden, ist er noch offen dafür, Eindrücke unmittelbar in Ausdrücke zu übersetzen. Je älter man wird und je mehr Erfahrungen man gemacht hat, desto mehr hat man auch die Gegensätze und die Widersprüchlichkeit des Lebens kennengelernt. Aber dort, wo etwas nicht mehr automatisch abläuft, sondern widersprüchlich wird, schaltet sich das Bewusstsein ein. Authentisch ist Kunst dann, wenn sie als innerer Prozess abläuft, ohne das Bewusstsein, dessen Nachteil es nämlich wäre, über sich selbst, die Arbeit und ihre Relevanz nachzudenken, sich selbst in Frage zu stellen, sich selbst unter Umständen dadurch immer wieder zu behindern. Denn schwierig wird eine Entscheidung immer dann, wenn man sie ins Bewusstsein holt.
Einheit von Künstler und Kunst
Grundlage des künstlerischen Prozesses ist es, im Werk zu arbeiten und zu sein, Eins mit dem zu sein, was man gerade tut, im Werk aufzugehen und sich nicht durch eine bewusstseinsmäßige Relativierung abhalten zu lassen. Je mehr man erlebt hat und je mehr man weiß, desto schwieriger wird es, innovativ zu sein. Das bewusste Wahrnehmen der äußeren Welt und die Selbstdurchleuchtung der eigenen inneren Welt verhindern, bewusstlos und damit unbeschwert zu arbeiten wie in den Anfängen. Das Altern und die Erfahrung mit dem eigenen Werk machen es immer schwieriger, unbelastet, frei und unbewusst wahrzunehmen und aus Eindrücken Ausdrücke zu machen.
Kunst und Wahrhaftigkeit
Kunst wie ein Herzschlag, Kunst wie Atmen: Wahrhaftig ist man dann, wenn man in sich ruhen kann und Kunst natürlich aus einem herausfließt. Auch wenn Kunst wie ein Urschrei daherkommt, stürmt sie natürlicherweise daher. Das soll nicht heißen, dass die künstlerische Entwicklung sich ohne das Bewusstsein vollziehen soll. Das Bewusstsein kann nach Impulsen suchen also Sorge dafür tragen, mit Inspirationen versorgt zu sein. Es hat in einem Regelkreis der Optimierung und der Auswahl aus verschiedenen Möglichkeiten eine Redakteursfunktion: es beurteilt das eigene Handeln, optimiert es, justiert nach, verwirft, bildet neue Präferenzen.
Kunst und Unmittelbarkeit
Wahrhaftig ist Kunst dann, wenn zwischen dem Eindruck und dem Ausdruck keine Bewusstseins-Hürden liegen, die die Unmittelbarkeit fehlen ließe. Authentisch ist nur das Direkte um den Nachteil mangelnder Perfektion. Unmittelbarkeit ist ungeschliffen, unlogisch – weil dem Bewusstsein entzogen. Sie öffnet die Pforten des unzensiert Inneren. Je weiter man dort schöpft, desto unbewusster wird es.