Das 50. Moers Festival hat stattgefunden. In Moers. Innen und Außen. Live im Stream und – endlich wieder – richtig live. So wie live eigentlich geht.
Letztes Jahr durfte das Festival aufgrund des Corona-Fluchs nicht wie gewohnt stattfinden. Doch es hat hat schon immer eine gewissen Hartnäckigkeit dazu gehört, das Moers-Festival her zu zaubern und die Macher haben schon tausende von Kämpfen ausgefochten, um dieses wunderbare Festival wahr werden zu lassen. Das Moers-Festival wurde von Arte live gestreamt. Die Musiker spielten vor Ort in der Halle und das Publikum saß vor ihren Bildschirmen zuhause. Manche zelebrierten das mit nachgemachten Strukturen, etwas „Ticket-Verkauf“ an der Eingangstür, die Rasenfläche im Garten ersetzte den Freizeitpark Moers. Auf Seiten des Senders entfalteten die Macher eine üpige Fantasie mit Green-Screen-Perfomances und netten Musiker-Interviews, so dass ein fesselndes Dauerprogramm das Publikum bei der Stange hielt.
Dieses Jahr wurde wieder gestreamt – 40 Stunden insgesammt! In der Halle war kein Publikum zugelassen, lediglich einige wenige Presse-Vertreter durften angemessen Abstand zueinander verteilt im Raum sitzen. Aber es gab auch mit einer kurzfristig erteilten Genehmigung Open Air Konzerte mit Publikum. Die ersten in Deutschland seit dem Lockdown. Am Rodelberg – einem Hügelchen im nahe liegenden Park, den Beweisfotos nach früher Menschen im Schnee auf Skiern hinab fuhren – wurde ein Areal für 500 zugelassene Zuschauer eingezäunt. Am Fuß dieser größten Erhebung Moers‘ fand sich die Bühne. Auch wenn das Wetter nicht immer mit spielte hat sich die Location bewährt und soll auch in Zukunft bespielt werden.
Notwendig waren zahlreiche Corona-Maßnahmen, von Tests bis zu über das Ticket zugewiesene nummerierten Rasen-Liege-Flächen, die sowohl vom Personal als auch vom Publikum entspannt gehandhabt wurden.
Es wird ja nix erklärt – Das Moers Performance-Ding
Wie schon in den beiden Vorjahren sprudelte die Phantasie im Nicht-Musik-Bereich gewaltig. Zahlreiche Performances, Bühnenbauten, Gartenzwerge und anderes Zeugs und natürlich digitaler Spielkram in der Übertragung zeugen von der Freude und der Liebe, die die Veranstalter in das Festival geben. Ich wünsche den ambitionierten Veranstaltern, dass sie etwas von der Liebe, die sie in das Festival geben wieder zurück bekommen.
Es gab viel Grün auf der Bühne zu sehen. Grüne Ballons, grüne Kameramänner etc. Das war der digitalen Bildperformance geschuldet, die in den Live-Stream eingebracht wurde. Was ich davon im Vorbeigehen auf einem Monitor gesehen habe, sah nach einer Verbeugung vor psychedelischem Farbenschnickschnack der 70iger aus. Zu der Zeit, als das erfunden wurde und jedermann damit experimentierte. Über die Strecke von vier Tagen Live-Stream müsste das bestimmt sehr anstrengend sein. Die Kollegin Jessica Ridders hat den Stream von zuhause aus erlebt. Sie berichtet hier.
Schon 2019 hatte es zahlreiche Performance-Dinge gegeben, von denen keines erklärt wurde. So gab es z.B. einen Panzer aus Holz auf der Bühne. Auf der Pressekonferenz erfuhren wir, dass die Veranstalter schon mit Reaktionen aus dem Publikum gerechnet hatten. Dass z.B. Peace-Symbole darauf geschmiert würden oder das es Protest aus dem Publikum gäbe. Doch nichts davon, das Publikum 2019 war brav. Richtig brav. Über den zivilen Protest jedenfalls lässt sich der Bogen der 50 Jahre Festivalgeschichte von seinen frühen Tagen bis Heute nicht ziehen. Man merkt Tim Isfort die Enttäuschung darüber an.
Auch dieses Jahr sprüht das Festival von Performance Kunst. Kleinlaster mit spielenden Pianisten oder anderen Musikern auf der Pritsche fahren durch Moers. Performance-Künstler in Auto-Kostümen alberten herum. Hier und da politische Parodien. Und natürlich Zwerge, Mädchenpuppen in Schaukeln und der Mond. Der Boden dekoriert mit Prilblumen. Das sind grafische Muster mit denen ein Hersteller in den 70igern für ein Spülmittel geworben hatte.
Alles geht durcheinander, manches kann man zeitlich verorten, vieles scheint lustvoll zufällig, alles irgendwie überbordend. Erklärt jedenfalls wird auch dieses Jahr nichts.
Musikalisch war das Festival perfekt austariert. Es gab alte Bekannte und neue Gesichter. Solokünstler und große Formationen. Gewagtes und Kalkuliertes. Wildes und Ruhiges. Ein Festival des Wiedersehens und der Entdeckungen.
Hätte das Wetter bei den Open-Air-Konzerten am Rodelberg mitgespielt, wäre es das perfekte 50ste Jubiläums-Fest geworden. So war immer noch nahezu perfekt. Am Ende es letzen Tages jedenfalls freue ich mich schon auf das nächste Jahr.
Fotos von Marion Kainz und Ilona Schmitz.