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Zeichentechnik: Filzstifte, die Füllern Konkurrenz machen

Die Billigversion des TradioOben: Die Technik des „Fountain Pentel“ verkörpert die vielleicht innovativste Filzstiftlösung. Auch sein großer Bruder, der „Tradio“, integriert den Filz-Docht in ein flexibles, einer Zeichen-Feder nachempfundenes Kunststoff-Dreieck (die weiße Fläche im Foto), das fest in eine unflexible (hier schwarze) Halterung integriert ist.

Der Stift in den Händen von Zeichner*innen hat etwas Faszinierendes. All das, was man illustrativ zu Papier bringt, könnte ohne diese Zeichenwerkzeuge nicht entstehen. Das macht man sich, wenn man täglich zeichnet, nicht mehr bewusst, weil es selbstverständlich scheint. Die Hände allein jedenfalls wären nicht dazu in der Lage, einen zivilisatorisch geprägten Kulturraum mit Zeichenkunst, Illustrationen oder Comics zu füllen – sie brauchen filigrane Werkzeuge.

Unter den Zeichengeräten besetzen Filzstifte neben Füllern, Kugelschreibern, Tintenrollern und Gelschreibern eine Nische, die Alternativen zu schwungvollen Metallspitzen von Füller, Zeichenfeder und manchmal auch Pinsel bietet. Den Impuls dazu haben vor allem die Kalligrafie-gewohnten Japaner gesetzt. Man mag annehmen, dass die japanische Kultur, in der der flexible Pinsel im Schreib- oder Zeichenprozess eine herausragende, teils sogar meditative oder rituelle Funktion einnimmt, dazu drängt, auch Lösungen für Filzstifte zu finden, die sich den Kalligrafie- und Pinseleigenschaften zumindest tendenziell annähern. Kein Wunder also, dass zwar der eigentliche Erfinder des Filzstiftes 1952 ein Amerikaner war, dass eine entscheidende Verfeinerung aber zehn Jahre später in Form des heute noch gebräuchlichen „SignPen“ von Pentel in Japan erdacht wurde. Der „SignPen“ in seinen verschiedenen Versionen ist flexibel und zeichnet weich und strichmodulierbar.

Vorteile von Filzstiften

Dabei bietet ein Filzstift zweierlei: Einen konstanten Schreibfluss und eine je nach Konstruktion in Maßen oder sehr anpassungsfähige Spitze. Diese Spitze bestand in den Anfangstagen dieses Schreibgerätes aus Filz und wird heute aus Kunststofffasern hergestellt, zum Beispiel aus Acryl oder Polyester. Inzwischen ist der Faserstift bezüglich seiner Funktionalität variantenreich ausdifferenziert. Der Vorteil der Kunststoffspitze liegt auch darin, dass sie zwar robust ist, sich aber zugleich unter Druck mal mehr, mal weniger verformt. Dies ermöglicht Illustrator*innen eine Strichmodulation, das heißt, je nach Druck auf den Filzstift können unterschiedlich dicke Striche gezeichnet werden.

Das Spezielle am Filzstift-Strich

Um den Filsstift, wie er etwa von Comiczechnern wie Neal Adams eingesetzt wurde, aber besser einordnen zu können, muss man kurz die Historie des kommerziellen Zeichnens wie bei den Comics betrachten. Schwarz-Weiß-Zeichnen war von Pinsel und Zeichenfeder dominiert. Erst später kamen technische Zeichengeräte wie Isografen/Rapidografen hinzu oder Füllfederhalten und Filzstifte. Filzstifte werden von Comiczeichnern gerne verwendet, wenn es um große, schwarze Flächen geht, dafür werden dicke Marker verwendet, oder um dünne bis mittlere Linien etwa bei Schraffuren. Vereinfacht gesagt gab es zwischen Pinsel und Zeichenfeder auf der einen Seite und Rapidografen oder dünneren Filzstiften auf der anderen zwei Unterschiede:

Diese Beschreibung gilt für die ersten Filzstifte. Inzwischen gibt es Filzstifte, die gerade für die Strichmodulation geschaffen wurden. Von diesen ist in diesem Artikel die Rede.

Konstruktion des Filzstiftes

Bei einfachen Filzstiften ragt der die Tinte führende Docht in das Kunststoffgehäuse und saugt dort aus dem Inneren des Stiftes per Kapillareffekt (bei dem Flüssigkeiten in feinen Röhrchen durch einen physikalischen Effekt quasi automatisch aufsteigen) die Tinte. Dieser Vorgang verläuft kontinuierlich, was einen gesicherten Tintenfluss garantiert. Bei komplexeren Filzstiften wird der Docht zusätzlich stabilisiert. Ist er durch ein Metallröhrchen stabilisiert, in dem der Docht steckt, wird seine Flexibilität nicht unterstützt. Das ist vor allem bei sehr dünnen Dochten notwendig, weil so sein Einknicken verhindert wird. Wird der Docht in einen Kunststoffmantel gegossen, der nicht so starr und unbeweglich wie Metall ist, kann der Docht beim Zeichnen etwas nachgeben, was die Möglichkeiten der Strichvariation erhöht. Zusammengefasst gibt es also folgende konstruktive Lösungen der Dochtstabilisierung für mehr Strich-Flexibilität und Elastizität:

Oben: Vier Filzstifte mit Kunststoffeinfassung des farbführenden Dochtes. Der zweite Stift von links, der „SignPen Touch“, hat zusätzlich eine Metalleinfassung und verhält sich tendenziell mehr wie ein Pinselstift. Der hier nicht abgebildete normale „SignPen“ hat keine Kunststoff-Einfassung, nur eine Metalleinfassung.

Oben: Der Pentel „SignPen Touch“ ist doppelt metall- und kunststoffgefasst. Er wird auch unter dem etwas irreführenden Namen „Brush SignPen“ vertrieben. Neben dem herkömmlichen „SignPen“ ohne zusätzliche Kunststoffstabilisierung gibt es als weitere Version nämlich den „Brush SignPen Artist“, der über eine tatsächliche Pinselspitze verfügt, die aus Borsten besteht. Der „SignPen Touch“ hat eine flexiblere Spitze als der normale „SignPen“ und fühlt sich an wie ein Hybride zwischen Zeichenfeder/Füllfederhalter und Pinsel.

Der Filzstift als Wegwerfprodukt

Filzstifte sind entweder ganz oder in wesentlichen Teilen künstliche Kunststoff-Werkwerf-Zeichenwerkzeuge und passen somit nicht in die Zeit der Nachhaltigkeit. Allerdings repräsentieren sie als Zeichengeräte-Generation die Neuzeit des Zeichnens mit interessanten Möglichkeiten. Denn wie man sieht, ist die Technologie der Filzstifte nicht stehen geblieben und hat sich angeschickt, klassischen Zeichenwerkzeugen Konkurrenz zu machen – Kugelschreibern, die mit der Einführung der Druckminen ebenfalls ihren Tintenfluss verbessert haben, Tintenrollern und Gelschreibern. Diese sind exakter aber dafür unflexibel, eine Strichmodulation ist bei ihnen nicht nennenswert möglich.

Oben: Der „Parker 5th Ingenuity“ wird als Kombination aus Füller und Rollerball beworben. Tatsächlich handelt es sich um einen Filzstift, dessen Mine, nachdem sie leergezeichnet ist, komplett mit Docht ausgetauscht wird. An der Spitze der „5th“-Mine befindet sich eine flexible in Segmente unterteilte Kunststofffassung, in die der Docht eingelassen ist. Beim Zeichnen befindet sich die optisch einer Füllhalter-Feder nachempfundene gespaltene Halter-Metallspitze über der Filzstiftmine oben, darunter befindet sich der federnde in die Mine integrierte Docht.

Oben: Beim Einsatz biegt sich der Docht der Parker-„5th“-Austauschmine leicht und schreibt bzw. zeichnet sich ab, so dass er sich der individuellen Handhaltung anpasst. Der „5th“-Ansatz ist durch sein neuartiges Konzept sowohl visuell als auch funktional interessant.

Oben: Der Nachteil des Parker „5th“: Halter und Austauschminen sind mittel- bis hochpreisig (einfache Modelle ab ca. 50 Euro, höherwertige zwischen ca. 150-200 Euro und aufwärts, allerdings kostet beispielsweise der zwar optisch schöne und hochwertig gefertigte weniger innovative „Mont-Blanc-Fineliner“ zwischen ca. 300-600 Euro). Man erhält mit dem 5th-Konzept ein hochwertiges Schreibgerät. Der Nachteil der sich anpassenden Mine nach dem ersten Zeichnen mag darin liegen, dass bei jedem Minentausch der Anpassungsprozess neu zu leisten ist.

Oben: Der „Tradio“ von Pentel ist dreistufig aufgebaut. Die Spitze besteht unten aus unflexiblem Plastik, in das eine flexible, dreieckige Plastikscheibe integriert ist, die den Schreib- und Zeichendocht umschließt. Die Nachfüllmine, die Tinte und Spitze komplett enthält, wird in den Vollplastik-Halter eingelegt – sofern man den wegen seines Minimalismus überhaupt „Halter“ nennen will. Denn er besteht nur aus einem an die Mine anzuschraubenden einfachen Unterteil und einer Verschlusskappe mit Clip. Das heißt, die Nachkaufmine enthält bereits alle funktionalen Teile.

Oben: Im Gebrauch löst sich aus der Faserspitze des „Tradio“ mitunter eine Faser und stört – selten – den Zeichenfluss, bis man die Faser herauszieht. Der Halte-Clip bricht im Gebrauch bei zu starker Öffnung schnell. Das „Tradio“-System ist niedrigpreisig und nimmt als Filz-Zeichenstift einen ganz eigenen Platz ein, weil es keinen Stift mit vergleichbarer Technologie gibt. Der Filzstift erfüllt trotz der oben genannten Kritik seine Aufgabe, mehr Flexibilität als sonst zu bieten, verblüffend gut.

Oben: Während beim „Tradio“ von Pentel die komplexe Mine ausgetauscht wird, bietet Pentel dieselbe Technologie als nochmal billigere Wegwerf-Version unter dem Namen „Fountain Pentel“ an, ohne die Möglichkeit eines Minenwechsels. Dieser Stift ist weniger wertig verarbeitet, was allerdings seiner Funktionalität keinerlei Abbruch tut.

Fazit: Wie gut sind die neuen Filzstift-Konstruktionen?

Jene Filzstifte, die in Teilen das nachempfinden, was Füller können, punkten durch einen verlässlich stetigen Tintenfluss. Umweltgerecht ist das Wegwerfkonzept der Minen inklusive Docht aber nicht. Manch Füllfederhalter ist da andererseits umständlicher, muss hier und da gereinigt werden oder funktioniert nicht immer sofort. Der „Tradio“ und der „Fountain-Pentel“ sowie die „5th“-Produktlinie von Parker sind Annäherungen eines Produktes, das aus der Wegwerfwelt kommt, an eine Schreibgeräte-Kategorie, die für Beständigkeit steht. Man muss sich fragen, wie sinnig es ist, einen Filzstift, der sich leerschreibt, dessen Spitze sich abnutzt oder der auf seinem Kunststoff eher Abnutzungserscheinungen zeigt, mit einem Metallfüller oder einem aus Kunststoff, wie etwa hochfestem ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol) oder Polycarbonat wie beim Lamy 2000 zu vergleichen. Dem mag man die hochwertige Verarbeitung der diversen Parker-„5th“-Halter entgegensetzen und dass es auch zahlreiche Billigfüller gibt, die nicht lange halten. Letztlich entscheidend für Nutzer*innen ist, dass der Filzstrich ein anderer bleibt als der Füllerstrich. Das bietet Zeichner*innen einen Reiz, hängt aber auch von der individuellen Handhabung ab. So wie es eine Medien-Konvergenz gibt, bei der verschiedene Medien sich bezüglich ihrer Eigenschaften annähern, so gibt es eine Schreibgeräte-Konvergenz. Der Filzstift nähert sich dem Füller an, der Füller durch flexiblere Federn der ursprünglichen Schreib- und Zeichenfeder, der Buntstift kann nun auch aquarellieren und außerdem gibt es Pinselstifte, die man in die Tasche stecken kann.

Die Filzstift-Gattungen

Wer zeichnet, für den sind Filzstifte ein interessantes Feld geworden, deren ausdifferenzierte Evolution sich in drei Bereichen vollzogen hat:

Für Illustrator*innen sind Werkzeuge mit neuen Möglichkeiten interessant. Das bieten die dargestellten Stifte. Filzstifte sind anspruchslose, leichte Gebrauchsgegenstände, die man überall hin mitnehmen kann und die in jede Tasche passen. Welche Art von Flexibilität oder Modularität man favorisiert, hat viel mit individuellem Geschick und der eigenen Handhabung des Schreibgerätes zu tun. In meinem Arsenal an Zeichengeräten haben die genannten Filzstifte ihren festen Platz neben Pinsel(stift), Zeichenfeder, Füller, Rapidograf oder Ceramicron. Filzstifte sind sofort einsatzfähig, zeichnen gleichbleibende Strichstärken länger, als eine Füller-Tintenfüllung hält, und ihr Strich ist weich. Beim Zeichnen wirkt der Faserstift in seinem Verhalten zum Papier anschmiegsamer. Grundsätzlich ist ein Filzstift in seinem Schreibfluss nämlich anpassungsfähiger als eine Stahlfeder, er kann aber diesbezüglich nicht mit einem Pinsel mithalten. Dafür hat der Pinsel Schwierigkeiten, gleichbleibende Strichstärken und eine lange, gerade Linienführung beizubehalten. Seine Stärke ist der am besten extrem modulierte, gebogen-schwungvolle Strich. Was am Ende negativ wiegt, ist der Wegwerfaspekt bezüglich der Filzstifte. Ein Kolbenfüller, ein Füller mit Konverter oder einer mittels einer Pipette zu befüllender Eyedropper sind nachhaltig, ebenso die Klassiker Pinsel und Zeichenfeder.

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