Im Film mit von der Partie ist ein Nazi, der das amerikanische Militär und die Regierung bei ihren folgenreichen Entscheidungen berät. Dies ist die Figur des „Dr. Seltsam“/„Dr. Strangelove“, gespielt von Peter Sellers. Ein Faschist an den Schalthebeln der Macht in Amerika? Kaum zu glauben? Oder eher ein Film als Vorsehung? Was ist mit Donald Trump und seinem ehemaligen wichtigsten Berater, Steve Bannon? Haben die beiden den Film gesehen – und wenn ja: sind sie auf Ideen gekommen?
Faschismus in einer Demokratie?
Faschismus wird assoziativ als Gegenmodell zur Menschlichkeit, zu Demokratie, Aufklärung und Zivilisiertheit angesehen. Aber was ist Faschismus darüber hinaus? Denn die genannten Eigenschaften würden auch auf jede Diktatur oder Autokratie zutreffen. Mit dem Begriff „Faschismus“ kann man schneller bei der Hand sein, als es gut sein mag. Einerseits mahnen Kritiker, dass eine zu vorschnelle Einordnung als „faschistisch“ den wahren Faschismus rund um den 2. Weltkrieg verharmlost, denn immerhin hat Donald Trump weder Konzentrationslager eingerichtet, noch bisher die Demontage der amerikanischen Demokratie vollendet. Dass ihm die Diktatoren der Welt zujubeln, soll an dieser Stelle aber kein Thema sein. Sonst könnte dieser Artikel bereits hier zu Ende sein.
Verbal-Faschismus
Andererseits betreiben manche Politiker Verbal-Faschismus, das heißt, sie handeln nicht als Faschisten innerhalb eines faschistischen Systems, sondern bereiten dem Gedankengut des Faschismus den Weg. Indem sie das tun, könnten sie eine faschistische Struktur aufbauen. Das bezeichnet einen Weg, der in vielen Gesellschaften nach 1900 radikale Bewegungen entstehen ließ, die in Folge der Verbalisierungen und populistischen Aufpeitschungen letztlich doch handelten, etwa indem sie Morde an politisch Unliebsamen begingen.
Morde zwischen 1. und 2. Weltkrieg
So wurden in der Weimarer Republik nach dem 1. Weltkrieg (1914-1918) zahlreiche politische Morde von Rechtsradikalen begangen. 1921 etwa wurde Finanzminister Matthias Erzberger und 1922 Außenminister Walther Rathenau bei Attentaten ermordet. Bereits vorher, 1919, waren Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands, erschossen worden.
Faschismus, faschistisch, faschistoid
Eine abgemilderte Verbalisierung faschistischer Eigenschaften oder Verbalisierungen könnte man „faschistoid“ nennen, das heißt, dass eine politische Aussage wegbereitend ist und dabei Elemente des Faschismus propagiert. Über die Definition des Begriffes „Faschismus“ herrscht keine Einigkeit. Man kann ihn
- historisch-geografisch einordnen,
- sich an seinen Zielen orientieren oder
- als Faschismus nur ein politisches System ansehen.
Was also macht den Faschismus aus, was sind seine Eigenschaften?
Was ist Faschismus?
Faschismus ist ein diktatorisch-autoritäres System, das auf einer sozialdarwinistischen Rassenlehre basiert, die angebliche genetische Reinheit postuliert, das heißt, Andersartigkeit und Abweichung von der herrschenden Norm ablehnt. Dies wird durch einen übersteigerten Nationalismus dramatisiert. So wird der Faschismus zu einem Gewaltsystem, das andere Meinungen gewaltsam unterdrückt, weil er die vermeintlich überlegenen Doktrinen des Anführers im angestrebten oder realisierten Einparteiensystem als grundlegend ansieht. Faschismus ist also mehr als eine Haltung, nämlich ein System, das eine bestimmte Weltsicht der eigenen Grandiosität in der angestrebten politischen Struktur umsetzen will.
Selbstüberschätzung und Minderwertigkeitsgefühl
Die Liebe zum Paramilitarismus bzw. Militarismus, zu Rassismus und Führerkult sind wesentliche Bestandteile der faschistischen Bewegungen Europas zwischen 1922 und 1945. Ebenso wurde im Faschismus das Maskuline im Rahmen einer Allmachtsphantasie überbetont und kultiviert. Die behauptete rassische Überlegenheit führte in Deutschland zum Holocaust, in dem als minderwertig bewertete Menschen wie „Juden“, „Zigeuner“ oder „Kommunisten“ industriell organisiert ermordet wurden. Der Faschismus negiert wesentliche Werte der Menschlichkeit und steht für monokulturelle Ausgestaltung der Gesellschaft. Er propagiert die Vorstellung von der eigenen Überlegenheit gepaart mit ausgeprägter Gefühllosigkeit wie sie Psychopathen eigen sein mag.
Außenwirkung des Faschismus
Wesentlich für die Aussendarstellung des Faschismus war eine spektakuläre Inszenierung, ein pompöser oder prunkvoller Auftritt des Führers innerhalb eines Personenkults der Gottgleichheit. Die Nation wie auch die männliche Stärke wurden betont, männliche Schwäche dem gegenüber geleugnet, während bei Frauen die reproduktive Mütterlichkeit kultiviert werden sollte. Dies wurzelt in der psychischen Befindlichkeit der faschistischen Akteure. Was sind ihre Eigenschaften?
Psychopathie und Narzissmus
Die Egozentrik, Selbstverliebtheit und Ich-Bezogenheit eines Narzissten ist einem Psychopathen zu eigen, der kaum in der Lage ist, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen. Das geht Hand in Hand: wer nicht erspüren kann, was Mitmenschlichkeit und Liebe sind, kann sich nur selbst lieben, muss sich absolut setzen, weil er die Seins-Relativierung durch andere Menschen nicht erleben kann. Der Psychopath ist ein Verkümmerter. Erich Fromm schreibt, dass Hitler seinem Wesen nach aber eher nekrophil in einem umfassenden Sinne war, also als Gedemütigter an Tod und Untergang Lust empfand.
Donald Trumps Lustgewinn
Auch Donald Trump scheint regelrecht Freude daran zu haben, sich zu rächen, andere zu erniedrigen, um von der Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit abzulenken. Man kann vermuten, dass er in seiner Familie und vor allem vor seinem erfolgreichen Vater nicht gerade als Gewinner dastand – musste der ihm doch Millionen Dollar zuschießen. Von seinen Versagensängsten künden auch die veritablen Pleiten, die Trump zum Beispiel in Las Vegas zu verkraften hatte und die ihn zunächst auch in den Ruin getrieben hatten. Die Notwendigkeit, perfekt vorgeben zu können, jemand anders zu sein als der, der man ist, hat Donald Trump zum guten Schauspieler gemacht – eine Fähigkeit, die er später als TV-Entertainer und vor allem in der Rolle des Politikers als Präsident perfektionierte. Er, der als Mensch ein Niemand sein könnte, stellt jemanden dar, der etwas ist. Für sein Selbstbild scheint dies essentiell.
Präsident des Widerspruchs
All seine Verfehlungen hat Donald Trump stets ins genaue Gegenteil verkehrt. Das ist so ähnlich, als wenn ein rechtmäßig verurteilter Straftäter seinen Richter des Verbrechens bezichtigen würde. Ein paar Beispiele:
- Er, der als Geschäftsmann grandios gescheitert war, erklärt sich zum permanenten Gewinner und geht sogar so weit, gefallene Soldaten als Loser zu bezeichnen.
- Er, der am laufenden Band die Unwahrheit sagt oder twittert, wirft der kritischen Presse vor, „Fake-News“ zu verbreiten.
- Seine Partei, die Republikaner, tut manches, um zu verhindern oder zu erschweren, dass demokratische Wähler wie arme oder schwarze Bevölkerungsgruppen überhaupt wählen können – etwa indem sie Wahllokale schließt, sodass Wähler überlange Fahrtwege in Kauf nehmen müssten. Oder indem sie ehemaligen Strafgefangenen verweigern, ihre Bürgerrechte wieder herzustellen, um wieder das Recht zu erlangen, bei Wahlen ihre Stimme abgeben zu können. Donald Trump, ein Republikaner, wirft nun den Demokraten Wahlbetrug vor, und kehrt damit den Spieß um.
- Und dann ist da noch der Slogan „Make America great again“. Das Land steckt voller Probleme. Donald Trump hat es in einer ungemanagten Pandemie zurückgelassen, hat ein Trümmelfeld an gekappten internationalen Beziehungen und an einer Rekordstaatsverschuldung hinterlassen und hat das China-Handels-Problem nicht gelöst. Im Gegenteil, China hat inzwischen mit Australien und der gesamten Pazifikregion das größte Handelsabkommen weltweit geschlossen und damit seine wirtschaftliche Position verbessert. Ist Amerika mit Donald Trump als Präsident wieder groß und mächtig? Das Land wirkt nach Trump eher wie eine Großbaustelle.
Diese Art plumper Gegenbehauptungen kennt man aus der Kindererziehung. Kinder haben den Drang zu widersprechen, und je dreister die Lüge, desto größer die Freude über die eigene Dreistigkeit. Bei einem erwachsenen Politiker, der dies zu seiner kommunikativen Maxime macht, mag aber ein sadistisches Gefühl dahinterstehen, denn die Offensichtlichkeit der eigenen Lügen macht eine sachliche Auseinandersetzung unmöglich. Der Belogene wird gedemütigt, indem man ihm den sinnvollen politischen Diskurs vorenthält. Wer so handelt, lacht sich ins Fäustchen und empfindet Freude an der Not des Anderen. Was das wohl über Donald Trump ausagt?