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Weltwahrnehmung und Welterfahrung: Die Unmöglichkeit, Wesentliches zu erkennen

Auf Endoplast war bereits die Rede von viraler Exponentialität, für dessen Beobachtung beschleunigten Wachstums uns das Sensorium fehlt. Weder können wir wahrnehmen, wie das Gras wächst, noch können wir mit unseren Sinnen in Echtzeit verfolgen, was in barteriellen oder viralen Größenordnungen, im atomaren oder im kosmologischen Raum geschieht.

Aber auch die Einschätzung sozialer Beziehungen, die sich alltäglich vor unseren Augen abspielen, ist manchmal nicht mehr als eine punktuelle Momentaufnahme, die Wesentliches nicht ermitteln kann. Eine Beziehung als Ganzes entzieht sich unserer Wahrnehmung, wie jede Form von Ablauf, Abfolge, Prozesshaftigkeit, Wandel und Wachstum von uns direkt nicht wahrgenommen werden kann.

Von „unsichtbar“ zu „augenfällig“

Ebenso sind Bewegungen, die aus vielen Teilen und vielen Einzelabläufen zusammengesetzt sind, wie ein politisches Geschehen, in ihrer Vollständigkeit und Komplexität nicht erfassbar. Sie werden oft erst dann sichtbar, bis sie sich so verdichtet und manifestiert haben, dass sie augenfällig geworden sind – unter Umständen erst dann, wenn sie sich negative Auswirkungen bereits so verfestigt haben, dass es zu spät für ein Gegensteuern ist.

Warum wählen Trump?

Historiker etwa sehen erst im Nachhinein – vielleicht erst Jahrhunderte später – wie und warum eine Gesellschaft sich politisch, sozial oder ökonomisch verändert hat. Phänomene wie die Wahl des unwahrscheinlichsten amerikanischen Präsidenten, Donald Trumps, werden aktuell erklärt und interpretiert aber erst lange danach und im historischen Vergleich wird man erkennen, wie sinnhaft manche Erklärungsversuche tatsächlich waren. Im Falle von Trump wirkt es im Moment fast so, als wäre ein virtueller Reality-TV-Star aus dem Fernseher entflohen und hätte sich mit gleichen Mitteln in die Politik gerettet. Wäre das eine Erklärung, die Bestand hätte?

Vergangenheit der Zukunft

Also kann erst der weitreichende Blick in die Vergangenheit die Gegenwart erklären, und das Annehmen solcher Erkenntnisse offenbart eine mögliche Relevanz der Gegenwart für die Zukunft. Wer davon spricht, dass wir viel und immer mehr wissen und im digitalen Zeitalter eine verbesserte Qualität von informationellem Austausch auch im Hinblick auf archivarische Vollständigkeit haben, weiß andererseits, dass wir einen wesentlichen Teil der Wirklichkeit dennoch sensorisch nicht erfassen können.

Zufall und Sinn

Hinzu kommt, dass eine Interpretation von Ereignissen im Hinblick auf Sinnhaftigkeit und Zielgerichtetheit sowieso die Wirklichkeit nicht vollständig abbildet. Denn es deutet sich an, dass Abfolgen wie gesellschaftliches Leben und Entwicklungen so sehr vom Zufall beeinflusst sind, dass allein diese Unvorhersehbarkeit als eine wichtige Konstante zu werten ist. Rationales Denken, logisches Computer-Denken und KI-Computer-Berechnungen werden diesem Umstand nie ganz gerecht werden können. Die Unvorhersehbarkeit, die sich selbst rein mathematisch etwa bei der Ermittlung möglicher Primzahlen zeigt, mag ein beispielhafter unumstößöicher Beleg dafür sein. Das Wesentliche, so zeigt sich, ist in seiner Gesamtheit kaum erkennbar. Der Ausweg ist, so zu tun, als könnte man es doch – um handlungsfähig zu bleiben.

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