In der die Wirklichkeit abbildenden und sie strukturierenden Sprache gibt es einen bedenklichen Umstand: Dass Begriffe allein durch ihre Existenz behaupten, es gäbe das, was sie sprachlich abbilden. Oft ist das aber gar nicht der Fall.
Das gilt sowohl für Begriffe wie auch ganze Berichterstattungen. Zehntausende Videos über Smartphones legen nahe, dass es entscheidende Unterschiede zwischen ihnen gäbe.
Smartphone: Überwachungsgerät als Heilsbringer
Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen den Smartphone-Modellen eher marginal und das Aussehen aller Modelle der Smartphonegenerationen hat sich kaum gewandelt – mal abgesehen von den aktuellen Modellen mit Falt-Display. Ein Millimeter Unterschied, hier etwas mehr Speicher, dort ein schnellerer Prozessor sind aber vielen Rezensenten bereits eine Berichterstattung wert.
Wirkmacht der Verschwörungsrhetorik
Doch nicht nur bei der Bewertung von Produkteigenschaften zeigt die Sprache ihre Macht: Verschwörungstheorien werden in einer Vermengung von Fakten und Erfundenem zu modernen medial verbreiteten Legenden für Glaubensbereite. Mit der Wirklichkeit haben Verschwörungsmythen in ihrer Endausbaustufe nichts mehr zu tun. Allein, dass Verschwörungstheorien beleglos und beweislos verbreitet werden, zeigt die Kraft ihrer Rhetorik.
Sprache als Lügeninstrument
Sprache schafft Prioritäten, hierarchisiert die Wirklichkeit, schönt, verschleiert oder versteckt und führt mit all diesen Methoden weg von der Wirklichkeit. Ein paar Beispiele:
- Wenn erwartbare Opfer eines militärischen Einsatzes dort in Militärsprache als „Weichziele“ bezeichnet werden, anstatt als „mögliche Todesopfer“, werden die verschleiernden Möglichkeiten von Sprache klar.
- Wenn etwas „Entwicklungshilfe“ genannt wird, es aber vielmehr „wirtschaftliche Einflussnahme“ ist, wird das Gegenteil davon behauptet, was es in Wirklichkeit ist.
- Wenn ein Pornostar sich „Unterhaltungs-Künstler“ nennt, dann ist er in aller Regel tatsächlich kein Künstler, sondern jemand der gerne einer wäre und sich durch diese Selbstkategorisierung lediglich aufwerten möchte.
Wenn „Politik“ vor allem mit „Wirtschaftsinteressen“ gleichzusetzen wäre, wenn „Demokratie“ eher für ein „Kapitalismus-dominiertes Politik-System“ stehen würde oder eine unbelegte Verschwörungstheorie eigentlich ein „paranoides Glaubenssystem“ ist, dann zeigt sich, wie wirkmächtig Sprache sein kann und Worte tatsächlich die Welt beeinflussen und verändern können – ganz real.
„Framing“ als „Sprachgestaltung“
Genau das ist mit dem Begriff des „Framing“ oder der Bezeichnung „Framing-Effekt“ gemeint. Dabei kommt es bei dem, was man fragen oder aussagen will, auf eine bestimmte Formulierung an, die etwa
- aktivieren,
- verschleiern oder
- offenbaren
kann, je nach Einsatzzweck und gewünschtem Kommunikationsziel.
Der „Rasse“-Begriff
Aktualität bekommt der bewusste Umgang mit Sprache zur Zeit durch das Thema „Rassismus“. Der im Grundgesetz stehende Begriff „Rasse“ zum Beispiel legt nahe, dass es eine Rasse und damit eine Ungleichheit zwischen Menschen überhaupt gibt. Würde der Begriff nicht im Grundgesetz stehen, würde dies mehr nahelegen, dass es rassische Unterschiede zwischen Menschen nicht gibt. Begriffe, so zeigt sich hier, formen unreflektierte Realitäten. In der Wissenschaft jedenfalls umstritten, dass es menschliche Rassen gibt. Manche Forscher gehen von eingen wenigen Rassen aus, andere von hunderten, wieder andere sehen keine Rasse sondern den Menschen nur als eine einzige rasselose Art an.
Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes
Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 als die erste deutsche demokratische Verfassung bezog sich in ihren Gleichbehandlungsansätzen auf lediglich „alle Deutschen“. Nach dem Nationalsozialismus und dem 2. Weltkrieg wurde ab 1948 das Grundgesetz formuliert, dort die Gleichbehandlungsgrundsätze erweitert und die Einschränkung auf lediglich Deutsche getilgt. 1994 erfolgte eine Erweiterung des Artikels um zwei Sätze, die sich darauf bezogen, die Gleichberechtigungs-Durchsetzung zu fördern und die Gleichbehandlung von Behinderten mit aufzunehmen. Der Artikel 3, Absatz 1, des Grundgesetzes lautet seitdem wie folgt:
- (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
- (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
- (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
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