Das über neun Minuten lange Video zu „Smooth Criminal“ von 1988 zeigt Michael Jackson direkt am Anfang wie in einer Kinder-Märchenwelt. So sind denn auch ein paar Kinder zu sehen, die im Verlauf des Videos eine Rolle spielen. Jackson tritt im weißen, überstilisierten Anzug eines Tänzers auf, der an sein Tänzer-Vorbild Fred Astaire erinnert.
Der trug zum Beispiel in dem Musical „The Band Wagon“ (auf Deutsch: „Vorhang auf!“), 1953 von Vincente Minelli wunderbar verfilmt, einen ganz ähnlichen Anzug und Hut. Übrigens hatte Astaire eine ähnliche Figur wie Jackson und beide waren mit 1,75 m sogar gleich groß.
Vorbild Fred Astaire
Fred Astaire, wohl der beste Tänzer im Film des letzten Jahrhunderts, nutze aufgrund seines sehr schmalen Körperbaus breitschultrige Anzüge, um sich eine männlichere Silhouette zu geben. Michael Jackson verstand offenbar die Möglichkeiten eines etwas weiter geschnittenen Anzugs beim Tanzen und nutzte dieses Outfit immer mal wieder bei Liveauftritten und in Videos. Der weiße Anzug kann zudem als das Böse-Buben-Outfit der 1930er-Jahre angesehen werden. Der ursprüngliche Song von Jackson hieß denn auch „Al Capone“, wurde aber für das Album „Bad“ umgeschrieben und neu betitelt.
Vom Woonwalk zum Leanwalk
Michael Jackson war äußerst wandlungsfähig und hatte eine Vielzahl an Outfits. Der weiße Anzug kann im Gesamtzusammenhang seines Wirkens eher als Erwachsenen-Outfit gelten bzw. eines, das Seriösität vorgibt aber einen Anklang an die dunkle Seite des Menschseins hat. Das bedeutet Gefahr und Spannung innerhalb der Geschichten, die Jackson singend und tanzend erzählt. „Smoth Criminal“ kann tänzerisch als ein Höhepunkt seines choreografierten Tanzes gelten. Enthalten ist ein Querschnitt durch sein tänzerisches Repertoire mit den drei berühmten Schrittabfolgen:
- Moonwalk, bei dem er sich gehend scheinbar nach vorne bewegt aber dennoch zurück gleitet; den Moonwalk führte Michael Jackson zum ersten mal 1983 auf, anlässlich des 25 Geburtstags des Motown-Music-Labels, das wegweisend für die schwarze amerikanische Musik gewesen war
- Sidewalk, bei dem analog zum Moonwalk die schwebende Bewegung nicht nach vorne sondern seitlich ausgeführt wird
- Anti Gravity Lean oder kurz „Lean“, bei dem der komplette Körper inklusive Beinen im 45°-Winkel nach vorne gelehnt wird
Anti Gravity Lean: Die mysteriöse Tanzpose
Michael Jackson war ein begnadeter Tänzer, der mit seinem „Moonwalk“ bereits gezeigt hatte, über welche Körperbeherrschung er verfügte. Doch in „Smoth Crimina“l trieb er es auf die Spitze: bei seiner Königsdisziplin „Anti Gravity Lean“ bog er sich so stark nach vorne, dass er aufgrund des verlagerten Körperschwerpunktes eigentlich hätte umfallen müssen. Was im Video mittels nicht sichtbarer Seile theoretisch möglich gewesen wäre, reproduzierte er aber auch auf der Bühne – und das ganz ohne Seile. Die Methode, die Michael Jackson sich hatte patentieren lassen, basierte auf zweierlei: zum einen konnte er seine Absätze durch Aussparungen darin in Bodenmetallhaken einklinken, zum anderen war es reine Körperbeherrschung. Außerdem wird gesagt, dass die hoch verlaufenden Gamaschen die Fußgelenke zusätzlich stabilisiert haben. Das Gutachten des Gerichtsmediziners des verstorben Michael Jackson kam dann auch zu dem Ergebnis, dass er körperlich topfit war. Er hat ein Leben lang gesungen und getanzt und muss über die Körperbeherrschung eines geschulten Ballett-Tänzers verfügt haben.
Spezialeffekte als visueller Overkill
Regie in dem aufwendig inszenierten und choreografierten Video, das ein Teil des abendfüllenden Musik-Kinofilm „Moonwalker“ Jacksons war, führte der Oscar-prämierte Spezialeffekte-Mann Colin Chilvers. Der bombastische Film „Moonwalker“, ein synthetischer Kinderfilm in Videoclipabfolge ohne durchgehende Handlung, kam für seine Spezialeffekte in die engere Wahl beim „Saturn Award“. Gestaltet wurden die nominierten „Moonwalker“-Spezialeffekte auch von Hoyt Yeatman, der als Experte für Spezialeffekte zum Beispiel mit Steven Spielberg (bei „E.T.“ oder „Unheimliche Begegnung der dritten Art“), David Cronenberg (bei „Die Fliege“) oder Francis Ford Coppola zusammengearbeitet und beim ersten „Star-Trek“-Film oder bei „Blade Runner“ von Ridley Scott mitgewirkt hatte. Smooth Criminal kann als eines der Meisterwerke in Jacksons Video-Repertoire gelten, in dem Musik und Visuelles eine kongeniale Synthese eingingen und die den Film strukturierende Rhythmik von Musik und Tanz echte Seherlebnisse ohne Längen schufen – bei fast zehn Minuten Laufzeit kein einfaches Unterfangen.
Produktion und Songmaterial von „Bad“
Musik-Produzent Quincy Jones verstand es in „Smooth Criminal“, die gesangsrhythmischen Fähigkeiten Michael Jacksons zu nutzen und kongenial zu orchestrieren. Produktion und Arrangement des „Bad“-Albums, aus dem der Song ausgekoppelt wurde, sind noch besser als bei den beiden Vorgängeralben gelungen. Was kritisch bemängelt wurde, war zum Teil das Songmaterial. Die Komposition mancher Stücke, sei einfallslos bzw. zu simpel. Dies wurde etwa bei „Speed Demon“ kritisiert. Allerdings ist das eine Kritik, die sich dennoch auf eines der besten Popalben der 1980er-Jahre bezieht.