Kann man lernen, Kunstler/In zu sein? Kann man also Kunst studieren, sodass aus einem Nicht-Künstler ein Künstler wird? Gibt es Regeln, die man berücksichtigen sollte, um Kunst schaffen zu können? Ja. Aber: Kunst ist nicht regelhaft.
Und jede Regel, die besagt, ihre Befolgung mache aus dem Befolgenden einen Künstler oder führe zur Kunst, weist einen falschen Weg, weil eine Regel nur beschreiben kann, was bisher als Kunst gilt oder der bisherige Weg zur Kunst war. Zukünftige und damit werdende Kunst entzieht sich aber der Regelhaftigkeit. Sie läuft vielmehr jeder Regel zuwider. Regeln sind deshalb nur rückwirkend deskriptiv zu formulieren – als Bestandsaufname, nicht als Anweisung.
Ursachen von Kunst
Kunst kann ihren Ursprung in verschiedenen Ursachen haben. Oft kann man sie als einen kommunikativen Ausgleich für mangelnde soziale Interaktion verstehen. Der Künstler wäre dann ein Entfremdeter, gar ein sozial Ausgestoßener mit gesteigertem kommunikativen Bedürfnis, die Kunst eine Art sublimatives Ventil. Das ist analog zu einem Intellektuellen zu sehen, der das Denken zum kommunikativen Medium wählt. Vielleicht aber sucht er auch einfach nach einer Bildsprache, um das auszudrücken, was er sonst etwa mit Worten nicht ausdrücken könnte. Kunst kommt so aus einem spezifischen Bedürfnis nach visueller Artikulation und hätte ihre Ursache in sprachlicher Ausdruckslosigkeit bzw. in dem Umstand, dass ein bestimmter Ausdruck etwa nur im Malen oder Zeichnen gefunden werden kann. Weitere mögliche Ursachen sind:
- Leiden, was auch aus dem vorher Gesagten zur sozialen Isolierung folgen könnte.
- Form-Empfinden, wenn der/die Kreierende innere Formen spürt, die umgesetzt und ausgedrückt werden müssen.
- Ästhetischer Sinn, der dem Formempfinden verwandt ist. Hier wiegt das formale Bestreben als Ausdrucksmöglichkeit schwerer als das inhaltliche.
- Technische Perfektion, wenn ein Maler oder Künstler gesteigerte manuelle Fähigkeiten hat. Dabei würde er malen, um seine manuell-technischen Möglichkeiten weiter zu schulen und zu perfektionieren.
Kunst als Möglichkeit
Der Mensch trägt den Wunsch in sich, die Welt zu verstehen und sie sich anzueignen. Mittel zur Erkenntnis sind Philosophie, Mathematik, die Wissenschaften und Kunst. Während die ersten drei Möglichkeiten Systeme mit klarem Regelwerk sind bzw. dieses Regelwerk ständig erweitern, hin auf Folgerichtigkeit sowie Zwangsläufigkeit erforschen und damit eine Verobjektivierung anstreben, ist die Kunst die einzige Disziplin ohne ein solches Regelwerk.
Glaube und Erkenntnis
Wie Kunst die Welt abbildet, ist einem Glaubensprozess näher als einem Erkenntnisprozess. Kunst kommt meist aus dem Empfinden und dem Gefühl, die anderen genannten Disziplinen aus der Ratio. Deshalb ist Kunst ein Experimentierfeld der Ausdrücke, eine Philosophie der Formen und die Wissenschaft von der Regellosigkeit. Wer in der Kunst Regeln beachtet, drückt nicht sich selbst aus sondern handelt exopersonell und museal.
Weitere Kunsttagebücher:
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6 Responses to “Kunsttagebuch: Jede Regel will gebrochen sein”
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