Kunst kann vieles sein, deshalb ist eine allgemein gültige Definition nicht mit simplen Mitteln möglich. Eine Kunstdefinition ist aber möglich, wenn man einen inhaltlichen Schwerpunkt der (Teil-)Definition bildet: Welcher Ausschnitt der Möglichkeiten der Kunst ist jeweils entscheidend?
Kunst ist eine Lebensäusserung und kann entweder auf den bezogen sein, der die Kunst schafft oder auf den, der die Kunst wahrnimmt. Geht es mehr um den, der die Kunst wahrnimmt, hat die Kunst also weniger mit den Befindlichkeiten ihres Schöpfers zu tun und mehr mit dem sie Rezipierenden
Dekorative und herausfordernde Kunst
Kunst, die nicht vom Schöpfer ausgeht, wird nicht primär als Selbstverwirklichung wahrgenommen und könnte das Problem haben, gefällig zu sein, weil sie Erwartungshaltungen bedienen möchte. Sie kann dekorativ dem Auge schmeicheln und unterhaltsam sein, sie fordert aber auf diese Weise kaum heraus. Sie muss nicht schön sein, sie kann beispielsweise sogar schockieren. Wenn aber der sie Betrachtende bereits erwartet, dass er schockiert wird, kann sie auf dieser Ebene nicht mehr grundlegend überrschend sein.
Weltanschauung durch den Ich-Filter
Kunst ist in den seltensten Fällen vollständig Selbstverwirklichung aber es bildet sich ein Schwerpunkt beim Entstehen von Kunst, etwa ob sie Ausdruck der eigenen Persönlichkeit ist oder Ausdruck einer Erwartungshaltung von außen. Dabei unterliegt ein Künstler sowieso Einflüssen von außen, beispielsweise Modeströmungen, singulären Inspirationen, Auseinandersetzungen mit anderen Künstlern und deren Kunst. Deshalb ist Kunst nicht absoluter Ausdruck der eigenen Persönlichkeit sondern eine transformierende Synthese zwischen dem Selbst und der Welt. Der Künstler überlagert das informationelle Sein der Welt mit seinem Ich-Filter, der dieses Sein in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Kunst aus dem Inneren und dem Äußeren
Dennoch würde ein Künstler, der sein Leben in einem abgeschotteten Raum verbracht und die Welt nie wahrgenommen hätte, in der Lage sein, künstlerisch tätig zu sein. In diesem Fall wäre seine Kunst entweder reiner Ausdruck seines Selbst als Manifestation seines Inneren oder aber eine Mutmaßung über die Welt, die er nicht wahrnehmen könnte. Diese Art, Kunst zu schaffen, wäre eine zutiefst subjektivistische Suche nach aus dem Inneren kommenden Formen. Diese Kunst wäre nicht Interpretation von Wahrnehmungen und nicht ein transformativer Mix von von außen einströmenden Ideen sondern Teil einer Ich-Verortung als Mutmaßung über die das Selbst umgebende Welt.
Weitere Kunsttagebücher:
- Was ist Kunst? Und warum nicht?
- Als die Nacht aus dem Blickwinkel des Tages unterbelichtet wirkte
- Warum Eitelkeit zur Kunst gehört und doch ihr Untergang ist
- Ziellosigkeit als Grundlage assoziativer Prozesse
- Kopfkino oder zeigen und weglassen im anspruchsvollen Film
- Warum die Größe einer Zeichnung ihre Aussage verändert
- Wann Form ein Inhalt sein kann
- Was könnte das sein?
- Gedanken-Gefühls-Bilder innerhalb einer Formgenese
- Die Welt ist voller Möglichkeiten oder Zufall und Entscheidung in der Kunst
- Über das „Zuviel“
- Wiederholung als Formoptimierungs-Prozess
- Der assoziationsoffene Raum
- Kunst und technisch-handwerkliches Können: Warum es besser ist, nichts zu können
- Methoden der Kunst: Durch Wegnehmen und Hinzufügen Bedeutungen erschaffen
- Der Kunsst
- Was ist Kunst?
- Künstler-Selbstbild: Skizze eines zufallsgesteuerten Lebens ohne anarchistische Romantik
- Beliebigkeit als Kunstprinzip: Über die vermeintliche Sinnlosigkeit assoziativer Folgerichtigkeit
- Langlauf oder Kurzstrecke? Das Intervall in der Kunst
- Der Künstler: Ein Assoziationsautomat
- Zeichnen und die Macht des Zufalls
- Vorhersehbarkeit und Offensichtlichkeit – über die Langeweile in der Kunst
- Offenheit, Inspiration, Assoziation – über den Wert von Einflüssen in der Kunst
- Hinz- und Kurzgeschichte: Als der Unterhaltungskünstler den ernsthaften Künstler traf
- Über die metaphorische Schwangerschaft der Bilder
- Über das Vorläufige und das Endgültige in der Kunst
- Warum Kunst ein Virus ist
- Kreieren und wiederholen: Warum Kunst nicht kreativ ist
- Das Unverwechselbare in der Kunst als Ausdruck der eigenen Unfähigkeit
- Das Ungefähre als das nicht Greifbare
- Offenheit, Inspiration, Assoziation – über den Wert von Einflüssen in der Kunst
- Der blinde Fleck und die Kunst der Betrachtung
- Kompetenz und Versagen als sich selbst bedingende Gleichzeitigkeit
- Kunst als Selbstdialog
- Ordnung und Chaos als Polaritätskonzept künstlerischen Wirkens
- Die Überforderung
- Eindeutigkeit und Wahrnehmung in der Kunst
- Kunst als Sprache
- Der Mangel als Ansporn
- Bedeutung und Orientierung als Ziele der Kunst
- Selbstbild und Seins-Inszenierung
- Kunst als Chiffre der Notwendigkeit
- Kunst als fortgesetzter Traum
- Idealismus oder Materialismus – Geld oder Leben!?
- Die Maslow-Bedürfnis-Pyramide oder fühlen und durchleben in der Kunst
- Jenseits der Worte
- Wahrheit und Verdrängung
- Das Gefühl für die Dinge oder von der Schwierigkeit, Kunst zu definieren
- Die Absolutheit der Ich-Perspektive
- Fehler machen als „Sesam-öffne-dich“
- Kunst und die Visualisierung des Nie-Gesehenen
- Jede Regel will gebrochen sein
- Die Intrinsik als Wesenszug
One Response to “Kunsttagebuch: Das Wesen der Kunst zwischen Selbsttransformation und Fremdwahrnehmung”
[…] Zwischen Selbsttransformation und Fremdwahrnehmung […]