Dass Algorithmen und später echte Künstliche Intelligenzen (KI) über das repetitive Lernen und Denken hinaus wirklich eigenständig klug sein könnten, scheint denkbar – dies zum Beispiel im Sinne einer zukünftig selbstablaufenden Kombinatorik. Die Frage ist aber: Kann eine Künstliche Intelligenz ein Bewusstsein entwickeln, dessen Vorhandensein die Voraussetzung für echtes autarkes, also wirklich eigenständiges Handeln wäre?
Und kann sie selbstreflektorisch sich selbst beobachten und immer weiter optimieren? Auch dies wäre theoretisch denkbar. Allerdings gibt es drei weitere Probleme, deren Lösung in der Zukunft liegt:
1. Künstliche Intelligenz (KI) und die Ressourcenfrage
Welche Ressourcen braucht die KI? Wird es möglich sein, die KI finanziell und personell weiterzuentwickeln, zu betreiben und laufend zu verbessern, zum Beispiel hardwarebezogen durch immer neue Chip-Generationen in kürzeren Intervallen?
2. Die Neurosen der Künstlichen Intelligenz
Ist nicht das Wesen eines jeden komplexen Systems, dass es bald überzüchtet und immer anfälliger werden kann? Gibt es nicht beispielsweise viel vermeintlich intelligente Unterhaltungselektronik, die zunehmend empfindlicher ist und so schneller kaputt geht? Und würde sich die technische Überzüchtetheit und Anfälligkeit einer Intelligenz – nicht nur einer künstlichen sondern auch einer technischen Intelligenz – in Pendants von Neurosen und Geisteskrankheiten niederschlagen? Könnte also gerade eine Künstliche Hochleistungs-Intelligenz durchdrehen und verrückt werden, bedingt durch dissonante, undurchschaubare sich fortwährend selbst entwickelnde Algorithmen?
3. Das Internet als System der Künstlichen Intelligenz
Ist die Form der Künstlichen Intelligenz unter Umständen eine ganz andere, als wir uns das vorstellen können? Wäre es beispielsweise denkbar, dass bereits unser heutiges Internet die Grundlage für eine weltumspannende Künstliche Intelligenz bietet? Könnte man dieses weltumspannende Netz um zahlreiche Künstliche Teil-Intelligenzen in Softwareform dort einspeisen, sodass aus dem Internet eine gigantische weltumspannende KI werden würde?
Zu Frage 1: Lässt sich eine KI kontinuierlich verlässlich betreiben?
Wer mit EDV-Systemen bzw. Computern zu tun hat, weiß: sie sind nicht perfekt. Sie sind genau betrachtet nie perfekt, schon gar nicht kontinuierlich fehlerfrei zu betreiben und können es auch gar nicht sein. Die absolute Kontrolle über ein EDV- oder Computernetzwerk zu haben, ist eine reine Fiktion. Tatsächlich ist ein EDV-System nur prozesshaft zu betrachten und aus der Perspektive des fortwährend ablaufenden Prozesses zu verstehen. Also als etwas, das sich im stetigen Fluß von Fehler und Verbesserung befindet und ewig umgebaut und optimiert wird. Ob Hardware oder Software bzw. das Zusammenspiel von Hard- und Software, immer geht es dabei um Troubleshooting, um Effekte, die man zunächst nicht erklären kann, um fehlerbehaftete oder gar kaputte Hardware oder Software, die nicht so funktioniert, wie sie funktionieren sollte. Der Begriff „Neustart“ ist eng verbunden mit der digitalen Welt.
Künstliche Intelligenz als Public Domain?
Die Zukunftsvision einer KI ist, dass sie die Probleme selbstoptimierend ständig analysiert und eigenständig beseitigt oder aber in einer Übergangszeit den Menschen in Form eines Technikers darüber informiert, wo etwas nicht so ist, wie es eigentlich sein sollte. Hinter dieser Überlegung verbirgt sich folgender Gedanke: Was wäre, wir würden eine KI mit sehr weitreichenden Fähigkeiten entwickeln, wie zum Beispiel einem Bewusstsein, aber die Stabilität des KI-Systems wäre nicht dauerhaft oder aber nur mit beträchtlichem Aufwand sicherzustellen? Was wäre, wenn sich die KI zwar im rasanten Tempo immer weiter verbessert und optimiert, sie aber ständig an Grenzen stieße? Etwa, weil sie für die folgenden Optimierungsoperationen zeitnah schnellere Prozessoren benötigen würde oder eine schnellere Software, beides aber noch lange nicht vorhanden wäre? Was, wenn Fehler in der Software der KI nicht so einfach von ihr zu lösen wären? Wenn ihr erfolgreiches Handeln durch immer neue Fehler soweit beeinträchtigt werden würde, dass sie gar nicht intelligent und eigenständig im geforderten Sinne werden könnte? Außerdem: Könnte es sein, dass eine solch komplexe Technik kaum finanzierbar wäre? Was, wenn nur ein Unternehmen in der Lage dazu wäre? Was, wenn dieses eine Unternehmen in der Entwicklung seiner einmaligen KI ein überlegenes Herrschaftswissen in Händen hielte? Was wären dann die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen? An dieser Stelle stellt sich die Frage nach den politischen und gesellschaftlichen Implikationen des Vorhandenseins der KI: Darf sie kommerziell entwickelt in unternehmerischen Händen liegen oder muss sie nicht zwangsläufig Public Domain innerhalb einer hochtechnisierten Gesellschaft sein?
Zu Frage 2: Kann eine KI an Schizophrenie erkranken?
Komplexe System sind anfälliger als einfache Systeme. Den Preis, den wir für menschliches Bewusstsein und hohe Leistung bei Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und allgemein bei der Intelligenz des Menschen zahlen, sind irrationale Verhaltensweisen wie Neurosen oder Geisteskrankheiten. Zwar kann man postulieren, dass dies menschentypisch ist, weil es im Menschen prinzipiell um die Kollision von Ratio und Emotion geht. Und man mag unterstellen, dass die emotionale Seinsbestimmung unter Umständen einen höheren neurotischen Anteil enthält als die rein rationale.
Anfälligkeit durch technische Komplexität
Aber selbst diese Überlegung zugrunde gelegt, wäre es blauäugig zu denken, ein hochkomplexes Gebilde wie eine wirkliche Künstliche Intelligenz wäre nicht prädestiniert für Dissonanzen, Wechselwirkungen und unvorhergesehene Interferenzen. Man kann davon ausgehen, dass bewusste Wahrnehmung und die Fähigkeit von Bewusstsein und Selbstreflexion nicht einfach so ohne einen Preis, den man dafür zahlen muss, zu haben sind. „Preis“ – das soll heißen, dass ein System, das sich beobachten, über sich nachdenken und sich obendrein selbst weiter verbessern kann, sich auch selbst infrage stellen kann. Beim Menschen könnte das beispielsweise sogar in einen Selbstmord münden, die KI könnte sich analog dazu löschen oder ausschalten.
Krankenversicherung für Künstliche Intelligenzen?
Es ist denkbar, dass eine KI einen Zustand erreicht, der vergleichbar mit einer Neurose oder Geisteskrankheit zu Wahrnehmungsverzerrungen und falschen Rechenoperationen führen kann. Wird es Krankenversicherungs-Pakete für betroffene Künstliche Intelligenzen geben?
Zu Frage 3: Wie begegnet uns die KI in der Praxis?
Neben allen theoretischen und konzeptionellen Überlegungen in Bezug auf die KI, stellt sich eine ganz simple, alltägliche Frage, nämlich in welcher Form wird uns die KI begegnen? In jeder erdenklichen Form, zum Beispiel als:
- App,
- Computersystem,
- Software in Waffensystemen,
- sprechende Taschenlampe,
- mitdenkende Brotschneidemaschine („Bist du sicher, du willst die Käsescheiben so dick schneiden wie deine Brotscheiben?“),
- übersetzender, mitredender, mitdenkender, Termine vorbereitender Assistent und ständiger Begleiter,
- Pflegeroboter,
- intelligente Ampel oder
- als selbstfahrendes Auto.
Schon aus unserem heutigen digitalisierten, computerisierten und virtualisierten Leben ergeben sich unzählige Möglichkeiten, bei denen Künstliche Intelligenz theoretisch zur Anwendung kommen könnte. Die Formen dieser technischen Begegnungsobjekte sind dabei entweder Hardware (z.B. ein Pflegeroboter oder ein Türsteher-Roboter vor dem Club) oder Software in Form etwa eines Sprachassitenten (z.B. Siri, Cortana, Alexa oder Google Home). Natürlich ist die Kopplung von Hardware und Software selbstverständlich. Intelligent könnten so auch Fortbewegungsmechanismen oder Kommunikationsfunktionen sein.
Die KI als umfassendes Netzwerk
Dabei ist die Manifestation der KI weitestgehend durch das geprägt, was wir bereits kennen und verinnerlicht haben, also etwa das intelligente Smartphone, die intelligente Waschmaschine, der intelligente Laptop oder Computer. Künstliche Intelligenz könnte darüber hinaus zur sprechenden Jacke führen, deren Hardware sich den klimatischen Bedingungen bzw. den Wetterbedingungen anpasst. Sie könnte aber auch in einer anderen Form auftreten, nämlich als Netzwerk, zum Beispiel so:
- Die Gesamtheit der technischen Ausstattung des Militärs eines Landes könnte KI-betrieben sein.
- Alle Gewehre oder Pistolen eines Landes könnten über eine KI im Netz verbunden und lokalisierbar sein, der Bedarf an Munition sich automatisch wie von selbst regulieren.
- Der gesamte Verkehr einer Stadt, eines Bundeslandes oder Staates könnte KI-gesteuert sein.
- Eine Stadt und ihre Infrastruktur könnten damit von einer KI intelligenter koordiniert werden.
- Das gesamte Internet oder Teile des Internets könnten eine KI-Struktur verwirklichen.
Drei Ebenen: Hardware, Software, Virtualität
Bei diesen Beispielen wäre die KI eine Software, die in vielen Hardwaremanifestationen daher käme. Im eigentlichen Sinne wäre sie aber weder Hardware noch Software sondern ein virtuell funktionales Netzwerk, das Hardware und Software nur zur Grundlage hat. Damit würde die KI möglicherweise der Funktionsweise unseres Gehirns entsprechen, bei dem Bewusstsein und Ich möglicherweise nur virtualisiert vorhanden sind. Das heisst, die Ergebnisse als Essenz der KI sind weder Hardware noch Software sondern etwas drittes, übergeordnet Virtualisiertes. Auf der Hardware läuft eine Software und die Software erzeugt eine Projektion, die nicht in ihrer Programmierung abgebildet ist, sondern das Ergebnis des Zusammenspiels verschiedener Funktionsbereiche der Software ist.