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Comic-Zeichenkunst: Warum Jack Kirby schwer zu tuschen war

Abstrahierung ist allesJack Kirby galt für die amerikanischen Comic-Hefte (= Comic-Books) als herausragender, stilbildender Zeichner, vor allem im Bereich der Superhelden-Comics, Action-Comics und Horror-Comics. Genau besehen ist sein vordergründig erfolgreiches Wirken als Zeichner allerdings auch ein Trauerspiel.

Denn Kirby, der wohl produktivste Zeichner aller Zeiten, hat fast alle seine Comic-Books nur mit Bleistift vorgezeichnet. Ausgearbeitet wurden sie im arbeitsteiligen amerikanischen Comiczeichen-Produktionsprozess von den sogenannten „Inkern“, den Tuschezeichnern (oder produktionstechnisch bezeichnet: den Reinzeichnern). Von den von ihm vorgezeichneten schätzungsweise 25.000 Seiten sind die meisten aber verunstaltet worden, weil sie nicht adäquat bzw. teils sogar inkompetent getuscht wurden. Viele seiner Reinzeichner waren nicht in der Lage, Kirbys Stärken zu betonen und weiter auszuarbeiten. Manchmal fehlte es Tuschzeichnern an Talent oder sie vermochten es nicht, unter dem enormen Zeitdruck des Fließbandzeichnens ein gutes Ergebnis zu erzielen – was schwierig genug ist. In anderen Fällen war eine Art der tuschmäßigen Interpretation der Kirby-Vorzeichnungen zu illlustrativ-getragen und deshalb nicht comicgemäß-dynamisch genug – oder aber ihr Tuschstil passte nicht zum eigenwilligen Zeichenstil Jack Kirbys.

Jack Kirby, der vermeintliche Meister

Betrachtet man Jack Kirbys Comics im Rückblick, würde man nicht meinen, dass viele dieser Comics von Meisterhand gezeichnet wurden. Vor allem die Innenteile der Hefte wirken oft dürftig und wenig exakt ausgearbeitet, im Detail durchsetzt von Anfängerfehlern: hier ein zittriger Strich, dort nur angedeutete Augen oder viele dünne kurze Striche, wo ein dicker langer vorgesehen war und besser gesessen hätte. Jack Kirby hatte viele Talente, die unter der unzureichenden Tuscharbeit meist verschüttet sind:

Klarheit: Kirby war ein klar, strukturiert und prägnant arbeitender Zeichner, nicht der Meister des zarten lyrischen Strichs. Seine Sache waren Deutlichkeit und eine kraftvolle Überdramatisierung. Zugleich war er ein Arbeitstier, der viel zu viel zeichnete, worunter die Qualität mancher seiner Vorzeichnungen litt. Der ideale zeichnerische Kirby-Interpret war deshalb ein Tuscher, der mit wenigen starken und klaren Linien für Figuren und Objekte etwas ausdrücken konnte, der aber zugleich Detailarbeit in all die dynamisierenden nicht-gegenständlichen Kraftlinien und -Strukturen stecken konnte. Zugleich hat der ideale Inker manches, was Kirby in späteren Jahren zu routiniert und zu wenig ambitioniert zeichnete, mit mehr Spannkraft umzusetzen gehabt.

Kreativität: Kirby war ein Meister der Imagination und konnte Phantasiewelten designen, wie kaum ein anderer. Auch dadurch vermochte er es, seine Geschichten visuell packend zu erzählen. Diese Welten visueller Feuerwerke funktionierten aber nur, wenn sie grafisch konsequent umgesetzt wurden.

Linien-/Flächen-Kombinationen: Hinzu kam Kirbys besondere Zeichen- und Darstellungstechnik. Er verband prägnante Linien mit Flächigkeit und erzeugte so den Eindruck von Räumlichkeit etwa bei fantastischen Wesen, Maschinen, Menschen und anderen Science-Fiction- und Fantasy-Elementen. Diese Synthese zwischen Linie und Fläche bzw. ihr Übergang und Zusammenhang mussten begriffen, gewichtet und gestaltet werden. Dies war jedoch anspruchsvoller als gedacht, weil Jack Kirby Raum für visuelle Interpretation ließ.

Dynamik: Insbesondere für Action- und Kampfszenen entwickelte Kirby ein eigenständiges visuelles Konzept, das zu seiner zeitweiligen Alleinstellung als Entwurfszeichner bei Marvel führte. Auch hier waren dicke, schwere Hauptlinien gefragt, das heißt, eine visuelle Sprache der Überdeutlichkeit, der Betonung, Übersteigerung und Dramatisierung. Ein Tuschzeichner muss dafür zugleich handwerklich versiert sein wie auch konsequent und mutig im Bekenntnis zu weniger als mehr Linien. Tuscher Joe Sinnott führte am eindrucksvollsten vor, wie dies ging.

Kongeniale Tuschearbeit

Die oft unzureichende Umsetzung seiner Entwürfe wird dadurch relativiert, dass Kirby grundsätzlich nicht etwa ein filigraner Zeichner war. Sein Stil war kraftvoll, brachial und formal reduziert. Sein Grundanspruch war: Mit möglichst wenigen Strichen und Flächen sollte viel erreicht werden. Jack Kirby zeichnete so dynamisch, dass diese Dynamik mitunter auch bei schlechter Tuscharbeit wirkte. Gleiches gilt in noch höherem Maße für seine Fantasieleistung. Zum Glück gibt es nicht nur auf den Covern und Einleitungsseiten der Comichefte eine Fülle an ganzseitigen seiner Zeichnungen, bei denen sich die Inker besondere Mühe gaben, ebenso bei den Doppelseiten-Zeichnungen späterer Tage. Dort trat Kirbys zeichnerische Potenz gerade auch in ihren Details und in ihrer Räumlichkeit besonders zu Tage und blieb positiv erhalten. Außerdem gibt es Tuscher wie Joe Sinnott oder Mike Royer, die Kirby über längere Zeit hinweg kongenial tuschten. Die Zusammenarbeit mit Sinnott vor allem bei den „Fantastic Four“ fiel in Kirbys Phase der zeichnerischen Höhepunkte in den 1960er-Jahren, Royer setzte im Spätwerk Kirbys bemerkenswerte Akzente.

Jack Kirby als Marke

Einige Jahre lang in den 1960er-Jahren war die ausdrucksstarke Kopplung von Action mit Fantastik in den Superheldencomics gleichbedeutend mit dem Namen „Jack Kirby“. So einprägsam, wie er zeichnete, so spannend, kurzweilig und überraschend, war er als visueller Erzähler. Auch die Figuren, die er (mit)entwickelte, wurden unvergesslich: Ob „Spiderman“, für den er vor Zeichnerkollege Steve Ditko erste Entwürfe angefertigt hatte, oder das Holzwesen „Groot“ von den „Guardians of the Galaxy“, ob die „Fantastischen Vier“ und ihr Gegenspieler „Dr. Doom“, der visuell einen Einfluss auf das Erscheinungsbild „Darth Vaders“ gehabt hat – viele der Charaktere, die er angedacht und visualisiert hatte, blieben im Gedächtnis haften. Dazu gehören übrigens auch fast alle Superhelden der großen Marvel-Blockbuster-Kinofilme, ob „Captain America“, die „Avengers“, der „Hulk“, „X-Men“ und andere.

Könner „Comic-Tuschzeichner“

Zweierlei ist für das Inken wichtig: Zum einen das eigene Vermögen des Tuschzeichners im Hinblick auf Perspektive und Perspektivwirkung, auf Räumlichkeit, Anatomie, Physiognomie. Zum anderen der Wille, Details auszuarbeiten. Selbst versierte Tuschzeichner machen Fehler bei den Details: sie arbeiten Gesichtszüge nicht genügend aus, setzen zum Beispiel Pupillen in den Augen falsch, sodass die dargestellte Person unfreiwilligerweise zu schielen scheint. Hinzu kommt aber, dass Jack Kirby einen sehr eigenen Stil hatte, so verformte er Körper anatomisch im Grunde falsch, auch um sie für seine High-Speed-Dynamik hinzubiegen und visuell zu instrumentalisieren. Ein guter Inker hatte zunächst Kirbys grafisches Vokabular zu lernen, sich darin einzufühlen, um es richtig anwenden zu können, und so seinen Zeichnungen das beste abzugewinnen. Ein Tuschzeichner mit sehr eigenem Stil, so gut er auch technisch sein mochte, kollidierte mit den eigenwilligen Darstellungsweisen von Jack Kirby. Diese Eigenwilligkeit des Kirby-Stiles, seine Manierismen, sind aber das eigentlich Spannende am Stil Kirbys.

Jack Kirby: Quantität und Qualität

Der Autodidakt Jack Kirby war ein Ausnahmetalent in den amerikanischen Comics. Dass es schwierig sein sollte, ihn zu tuschen, klingt zunächst unwahrscheinlich. Denn Kirby entwickelte im Laufe der Zeit einen groben, in seiner Ausführung recht einfachen Stil. Es gab kaum filigrane Linien zur Beschreibung von Menschen, Gegenständen oder Objekten. Bei diesen war Kirbys Ansatz eher, sie so einfach wie möglich aber möglichst effektiv zu zeichnen. Sein Motto: Geringer Aufwand, starker Ausdruck. Allerdings hatte sich Kirby vor allem in seiner Zeit bei Marvel in den 1960er-Jahren offenbar das Ziel gesetzt, immer neue grafische Schwierigkeiten mit leichter Hand zu lösen – und die Ergebnisse waren verblüffend. Da war „Groot“, das Wesen aus Holz. Es ist kaum zu ermessen, wie schwierig es ist, mit einfacher, grober Strichführung eine Holzoberfläche zu visualisieren – Kirby aber konnte das mit scheinbar leichter Hand. Es gab bei den „Fantastischen Vier“ Ben Grimm = „The Thing“/„Das Ding“, einen Mann, dessen Hautoberfläche aus vielen kleinen Steinen bestand. Kirby schuf auch den „Silver Surfer“, ein Licht spiegelndes und reflektierendes Wesen. Oder Johnny Storm, die „menschliche Fackel“ (= „Human Torch“), ein Mensch, der aus Flammen besteht – ebenfalls eine zeichnerische Herausforderung. Darüber hinaus vermochte Kirby es etwa Berge und Gesteinsoberflächen und andere Strukturen verblüffend gut darzustellen – mit einfachen Mitteln oft effektiver als das manch realistischer Zeichner vermochte. Kirby schuf immer neue fantastische Wesen mit Eigenschaften, die visuell schwer umzusetzen waren. Doch er schaffte es jedesmal, den gewünschten Effekt zu erzielen. Auch die Art und Weise, wie Kirby Räumlichkeit oder Bewegung darstellte, wie er das Einwirken von Kräften zeigte, waren einmalig.

Wenig wohl gesetzte Striche

Damit die Wirkung seiner Bleistift-Vorzeichnungen sich entfalten konnte, mussten die Striche der Tuschzeichner möglichst exakt sitzen. Man könnte meinen, dass es viel schwieriger ist, etwa Jim Lee zu tuschen, der mit vielen kleinen Strichen arbeitet und die Körperanatomien seiner Figuren viel genauer bis ins kleinste Detail hinein festlegt. Andererseits hat Kirby seine zeichnerischen Darstellungen auf die Schultern vergleichsweise weniger Striche gelegt. Wenn die nicht adäquat oder sogar bezogen auf seinen Stil inkompetent umgesetzt wurden, geriet die Wirkung aus dem Gleichgewicht. Das, was den Kirbystil ausmachte, konnte sich dann schnell nicht mehr entfalten.

Hauszeichner bei Marvel-Comics

Als Jack Kirby ab den 1960er-Jahren bei Marvel als Freiberufler quasi Hauszeichner wurde, und als das wesentliche Schwungrad des Erfolgsgetriebes bei den „Marvel-Comics“ ein gewaltiges zeichnerisches Pensum zu absolvieren hatte, fielen immer mehr Hintergrundzeichnungen und -Details weg und er begann immer weiter zu vereinfachen und zu abstrahieren. Detailliert waren vor allem die Personen ausgearbeitet und die fantastischen Maschinen oder spezielle grafische Effekte. Ersetzt hatte er den Detailreichtum vorheriger Zeiten durch eine fortschreitende Dynamisierung gerade bei Action-Szenen. Anstatt die dargestellten Szenerien detailliert auszuarbeiten, widmete sich Kirby diversen dramatisierenden Linien-Ensembles wie Bewegungslinien, Explosions-, Kraft- oder Energielinien, die z.B. die Choreographie der Kämpfe und die Schläge und Aktionen der Kämpfer unterstützten und überbetonten. Das Problem mangelnden Detailreichtums in einigen der Panels glich er durch eine visuelle Fantasie aus, die damalig ihresgleichen suchte. Schnell fing er bei Marvel an, ganzseitige Panels zu zeichnen, später doppelseitige. Diese waren detailreicher ausgearbeitet und oft auch sorgfältiger getuscht. Ähnlich wie die Coverabbildungen der Hefte, die verkaufen sollten.

Methodik des Kirby-Zeichenstils

Jack Kirby als Marvels Leit-Zeichner hatte einen neuen visuellen Action-Stil geprägt. Damit dieser Stil als Marvels Hausstil möglichst flächendeckend zur Anwendung kam – denn er war neu und erfolgreich – gab es bestimmte Arbeitsmethoden. Jack Kirby übte auf verschiedenen Ebenen Einfluß auf den visuellen Stil Marvels aus:

Jack Kirbys Vorzeichnungen: Von Inkern verhunzt

Das Problem bei Kirbys großem Ausstoss als Comiczeichner war der Arbeitsprozess: Der Umstand, dass seine Bleistift-Vorzeichnungen von zahlreichen unterschiedlich talentierten oder stilistisch anders orientierten Zeichnern getuscht wurden, tat seinen Zeichnungen zu oft nicht gut. Ein Tuschzeichner ist wie ein Sänger, der eine Coverversion eines Hits zum besten gibt – es bleibt immer die Frage, ob die Coverversion an das Orginal heranreicht. Meist war Jack Kirby der weitaus bessere Vorzeichner. Nur in seltenen Fällen konnte ein Tuschzeichner seine Vorzeichnungen weiter veredeln oder ihnen eine weitere Dimansion an Ausdrucksmöglichkeiten hinzufügen. So kann man den Großteil des publizierten Kirby-Werkes als unzureichend getuscht ansehen. Vieles, das in seinen Bleistiftzeichnungen steckte, konnte somit in den gedruckten Comics nicht umgesetzt werden. Kirby selbst war das offenbar weitestgehend egal. Comics zu zeichnen war für ihn zunächst ein Broterwerb und die Zeichner von im Kern zwischen 1940-1960 hatten nicht das Selbstbild, Künstler zu sein, eher Druckvorlagenhersteller oder maximal Kunsthandwerker. Erst später mit gereiften Zeichnern wie Barry Windsor-Smith oder Jim Steranko kam der Kunstanspruch hinzu – hinter den man aber dennoch ein Fragezeichen machen sollte. Es ist auch schwer zu bewerten, wie verschiedene Tuschzeichner in den Phasen der Comicproduktion arbeiteten. In den Anfangstagen von Marvel waren manche Zeichner jung und neu und/oder hatten ein unglaubliches Pensum zu bewältigen. So ist die Leistung eines Vince Colletta in den 1960er-Jahren schwer mit der etwa eines Mike Royer in den 1970er-Jahren zu vergleichen. Die Zeichner hatten sich zwischenzeitlich nämlich zusehends professionalisiert und ihre Arbeitsbedingungen hatten sich geändert.

Warum Jack Kirby schwierig zu tuschen war

Die Tuschzeichner, die die Kirby-Bleistiftzeichnungen ausarbeiteten, hatten verschiedene Herausforderungen bezüglich seines Zeichenstils zu bewältigen:

Schwierigkeitsgrad: Sofern es so klang, als wäre Kirbys zeichnerische Prägnanz einfach zu tuschen – das ist nicht der Fall. Jack Kirbys Maschinen, Fahrzeuge und Flugzeuge sowie viele seiner fantastischen Sujets erforderten tuschtechnische Finesse. Kirby war in der Lage, komplexe Formen und dynamische Bewegungsabläufe mit erstaunlich wenigen Strichen darzustellen. Dazu gehörten auch Flächigkeit, Räumlichkeit und Perspektive gerade von menschlichen Körpern. Damit all das wirkte, wie es wirken sollte, musste jeder Strich sitzen. Es war also nur auf den ersten Blick einfach, Kirby zu tuschen, auf den zweiten Blick erwies es sich als schwierig. In gewisser Weise war es einfacher statische Illustrationen von realistischen Zeichnern zu tuschen, weil es dort nicht weiter auffiel, jeden einzelnen Strich nicht perfekt umzusetzen. Der neue Zeichenstil nach den ersten 30-40 Heften der „Fantastic Four“ war für die meisten Tuscher eine Herausforderung und mit der Filigrantechnik der 1940er- und 1950er-Jahre nicht mehr kompatibel. Es ging hier um die Ökonomie der Mittel, die zeichnerische Konzentration auf das Wesentliche und um ein „Weniger-ist-mehr“. Zumindest war diese Haltung die Grundlage guter Tuschearbeit, auch wenn Kirby zuweilen immer wieder gerade in großen Bildern sehr ins Detail gehen konnte.

Oldschool-Stilistik: Einige Tuschzeichner waren alten illustrativen Darstellungs-Traditionen verhaftet, bei denen nicht mit dicken Hauptlinien gearbeitet wurde. Sie übersetzten Kirbys reduzierte, zunehmend abstrahiert-vereinfachte Strichführung durch viele kleine Schrafurstriche. Dies wirkte filigraner, lief aber der visuellen Kraft und Klarheit seiner Vorentwürfe zuwider.

Exaktheit & Lebendigkeit: Was perfekt sitzt, kann schnell steril wirken. Gefragt war also eine exakte Tuschumsetzung, die aber ihre Lebendigkeit nicht verliert. Wer nun an die realistische Lebendigkeit eines „Tarzan“ gezeichnet von Burne Hogarth oder von Joe Kubert denkt, liegt aber daneben. Denn Kirby hatte einen sehr eigenen Zeichenstil, der zwischen cartoonhafter Stilisierung und herkömmlichem Abenteuercomic-Realismus changierte und weit entfernt von realistischen Darstellungsweisen war.

Realistisch und cartoonhaft zugleich

Bei vielen amerikanischen Comiczeichnern vor und auch nach Kirby konnte je nach Comicserie oder nach Figur die Darstellungsweise variieren. Das ist ein Unterschied zu europäischen Comiczeichnern, bei denen realistische Stilistik und eine Funny-Stilistik nicht miteinander vereinbar sind. Ein paar Beispiele für amerikanische Zeichner, die beides verbanden bzw. verbinden:

Über die Jahrzehnte hat Kirby erst tendenziell realistische Comics gezeichnet, später zunehmend stilisierte. Als Kirby nach Marvel 1971 zu DC-Comics ging und dort „Superman“ zeichnete, ließ DC die Köpfe z.T. von anderen Zeichnern wie Murphy Anderson neu zeichnen und tauschte die von Kirby gezeichneten aus, weil sie dem eingeführten mehr realistischen Bild von Superman nicht entsprachen.

Vor- und Nachteile: die Jack-Kirby-Inker

Gefragt war also ein Tuscher, der auch zwischen realistischer und stark stilisierter Darstellungsweise wechseln konnte. Unnötig zu erwähnen, dass es Elemente in Kirbys Comics gab, die akkurat umgesetzt werden mussten, wie die vielen fantastischen Maschinen und Interieurs oder die Science-Fiction-Elemente sowie andere, bei denen es nicht nur um Genauigkeit sondern um Lebendigkeit ging. Zeichner, die eher filigran und mit dünnen Linien zeichneten wie Vince Colletta oder Paul Reinmann, konnten die brachiale Kraft der Kirbyschen Kampfszenen nicht adäquat umsetzen. Syd Shores und Sol Brodsky hatten ähnliche Probleme, weil ihnen eine dominante Hauptstrichführung nicht lag. Schon gar nicht konnte etwa Don Jeck mit sprödem Strich punkten. Nicht zu reden von jenen anderen Vorzeichnern, die nur gelegentlich aushalfen wie John Romita (zu old school) oder Steve Ditko (zu statisch). In dem Zusammenhang ist Barry Windsor-Smith zu loben, der es bei einem einmaligen Projekt verstand, seinen Tusch-Stil mit dem von Kirby zu verbinden.

Was beim Tuschezeichnen zu berücksichtigen ist

Zu bedenken ist bei der Bewertung der Inker immer auch, dass sie unter extremem Zeitdruck standen. Tuschzeichnen war in seiner Einförmigkeit noch viel mehr Fließbandarbeit als das Vorzeichnen. Da die Inker weniger kreativ sein konnten als die Vorzeichner, neigte mancher Tuscher dazu, seine Fähigkeiten einfach nur abzuspulen und sich nicht in die Stilistik der Vorlagen einzufühlen. Außerdem hat jeder Zeichner eine persönliche Entwicklung. Wenn ein junger Jim Steranko Jack Kirby tuschte, konnte er nicht so gut sein wie 20 Jahre später. Wenn Don Heck, der von vielen Fans als Inker nicht ernst genommen wurde, einen Stil realisierte, der zur kraftvollen Action-Orientierung Kirbys einfach nicht passen wollte, lag die Fehlentscheidung, ihn tuschen zu lassen, eher beim Marvel-Management als beim Tuschzeichner selbst. Auch ein Tuscher wie der vielgeschmähte Vince Colletta, hatte mal bessere und mal schlechtere Tage. Es gibt von ihm Kirby-Inkings, die gut sind, die meisten sind das aber nicht. Qualität und Ausarbeitungsgrad einer Zeichnung hängen viel mit dem Faktor „Zeit“ zusammen – und Inker befanden sich meist unter großem Zeitdruck. Eine der wichtigsten und motiviertesten Phasen von Jack Kirby fiel mit seiner Zusammenarbeit mit Joe Sinnott zusammen. In seiner Schlussphase, etwa bei der zweiten Hälfte von „Kamandi“, war Kirby als Vorzeichner lange nicht mehr so gut, das konnte selbst ein guter Inker nur noch begrenzt ausgleichen.

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