„Populismus“, „Filterblase“, „Hasskommentare“ bzw. „Haterkommentare“ in Sozialen Netzwerken, „Fake News“ und „Alternative Fakten“ – Begriffe, die damit zu tun haben, dass die bisher vereinbarte Wirklichkeit ins Wanken gerät. Hinzu kommen unsägliche Präsidentschaften wie in den USA oder der Türkei, die ebenfalls am alt hergebrachten und sowieso all zu einfachen Weltbild zweifeln lassen. Verunsicherung allerorten. Was ist Lüge, was Wahrheit? Der Kampf darum fand immer statt, nun tritt er in neuem Irrwitz zu Tage.
Populismus als Scheinantwort auf drängende Fragen
Populisten haben angebliche Patentrezepte an der Hand, die sich schnell als nicht durchdachte Seifenblasen herausstellen. Eine Herangehensweise des Populismus war aber immer auch die Art und Weise, wie kommuniziert wird. Heutzutage ist von „alternativen Fakten“ oder „Fake-News“ (also falschen, parallelweltlichen oder gefälschten Nachrichten) die Rede. Tatsächlich sind schon Adolf Hitler und seine NSDAP auch mit Fake-News an die Macht gekommen.
Sanktionslose Hassplattform „Internet“
Teil des kommunikativen Problems ist der vermeintlich sanktionslose Raum Internet, in dem sich viele anschicken, das sagen zu können, das sie sich im direkten menschlichen Kontakt nicht zu sagen trauen. So entstehen Hass-/Haterkommentare und begünstigen jene Kommentarunkultur, die andere herabwürdigt, um sich besser fühlen zu können. Dadurch werden sachliche Diskussionen vielerorts unmöglich. Zum anderen ist eine kommunikativ-negative Eskalation die Folge. Der Haterkommentar hat als Ausgeburt des extrem Virtuellen eine Videospiel-Logik: man kann alles tun oder machen, ohne etwas befürchten zu müssen. Die Folge ist Hemmungslosigkeit. So wie sich Pubertierende in Ballerspielen darin konditionieren, Menschen zu erschießen, so schulen sich Hasserfüllte in den Kommentarboxen der Asozialen Netzwerke.
Polarisierung: Immer mehr Millionäre, immer mehr Arme
Wie ist es nun zu erklären, dass sich Menschen radikalisieren, dass sich ihre Ängste aufschaukeln? Eine erste Sichtweise könnte sein, dass die Polarisierung der Finanzmittel, die immer mehr Millionäre und Milliardäre in Deutschland hat entstehen lassen und andererseits immer mehr Arme und Verarmte zurücklässt, Millionen Menschen bereits sozial abgehängt hat. Man könnte eine Einteilung vornehmen:
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Einmal in die Abgehängten, die nichts mehr zu verlieren haben und in der Flucht in radikale Weltbilder ihr Heil suchen, inkl. Fake-News, Haterkommentaren als Ventil und Wahl der rechten AfD.
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Andererseits in die Angehörigen der Mittelschicht oder sogar der Oberschicht, die Angst davor haben, abzurutschen und ihre Besitzstände zu verlieren. Denn das Weltbild der Sicherheit und politischen Orientierung ist bröcklig.
Wird diese Zweiteilung der Realität gerecht? Nicht ganz. Diese Beschreibung der sozial-ökonomischen Wirklichkeit ist eine simplifizierte Variante. Unter anderem erscheint sie deshalb als zu simpel, weil „abgehängt“ relativ ist. Wann ist ein Mensch abgehängt? Wenn er beispielsweise dauerhaft, also jahrzehntelang, arbeitslos ist? Gibt es nicht viele „Abgehängte“, die zeitweilig abgehängt sind und dann wieder in Lohn und Arbeit stehen? Was aber, wenn dann die Lebensverhältnisse dennoch prekär sind? Oder ist Abgehängtsein nicht auch am Alter festzumachen? Also: Was für eine Perspektive etwa hat ein 50jähriger, der seine Arbeit verliert und kaum Chancen hat, in seinem Alter eine neue Arbeit zu finden?
Kriterium „Angst“ für Wählerradikalisierung
Es stimmt nicht, dass jeder, dem es ökonomisch schlecht geht, AfD oder vollständig rechtsradikal wählt. Eher ist es alters- und schichtübergreifend der Angst geschuldet. Wer dem Populismus anheimfällt, der hat gleichzeitig seiner Angst das Feld geräumt. Er denkt weniger rational nach, als dass er ängstlich auf die Zustände und ihre Projektion in die Zukunft reagiert – immer wieder befeuert vom Populismus, der die Ängste weiter schürt.
Informationschaos folgt auf Informationsflut
Letztlich leben wir in Zeiten, in denen so viele Informationen zur Verfügung stehen wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. Sich also ein klares Bild von der Wirklichkeit zu machen, war theoretisch noch nie so gut möglich wie in unseren aufgeklärten Zeiten. Aber drei Dinge stehen dem entgegen:
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Zum einen ist der Baum vor lauter Wald nicht mehr zu sehen. In der Informationsflut findet man oft nur unter erschwerten Bedingungen, das, was wirklich wichtig und entscheidend ist.
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Zum zweiten wächst mit der Flut der Informationen auch die Flut der Desinformation. Desinformation gab es immer schon, auch schon immer wuchernd in Demokratien, wenn es darum ging politisch unliebsame Geschehnisse zu verschleiern.
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Zum dritten hat die Vernetzung durch das Internet dazu geführt, dass sich Informationen kleinteiliger fortpflanzen – auch Falschinformationen. Das führt zu vielen kleinen Gruppen, die in eigenen virtuellen Teilrealitäten leben und agieren. Die sogenannten Filterblasen lassen tendenziell nur noch jene Informationen herein, die genehm sind und zum Weltbild passen.