In Zeiten nicht enden wollender Schwafelei, von Hohlphrasen und Nichtaussagen, von politischen und sozial-medialen Scheinrealitäten, kurz: in Zeiten, in denen im Übermaß mit Schwerpunkt auf Quantität kommuniziert wird, gewähren Linguistik und Rhetorik dem wortgestressten Zeitgenossen eine kleine Pause.
Denn mit zu unserer Sprache gehören nicht nur wohlfeile Formulierungen in Hülle und Fülle, sondern auch Auslassungen. Unsere Sprache, vor allem die gesprochene, wimmelt von Verkürzungen und verkürzten Sätzen. Es werden meist Verben, die in einer Aufzählung zu wiederholen wären, ausgelassen. Generell wird aber auch dort verkürzt, wo man immer wieder dasselbe sagt. Das „Schönen Abend“ ist ein verkürztes „Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“ Ein hastig hingeworfenes „Toll!“ ersetzt ein vollständiges „Das finde ich toll.“
Fälle der Satzverkürzung
Die Sprachwissenschaft kategorisiert die verschiedenen Fälle der Satzverkürzung und schafft damit eine Systematik, auch wenn inzwischen verschiedene Begriffe ähnlich oder deckungsgleich verwendet werden.
Sprachliche Asymmetrie: Inkonzinnität und Konzinnität
Eigentlich beginnt die Satzverkürzung mit einem Begriff, bei dem es gar nicht um Satzverkürzung geht, der aber einleitend betrachtet werden sollte, weil er für ein wichtiges Prinzip steht. Der Begriff „Inkonzinnität“ bezieht sich auf die Wiederholung beim Schreiben. Etwas zu wiederholen ist langweilig und ergibt einen zu gleichförmigen Leserhythmus. Bezüglich der Begriffe, des Satzbaus und der Erzählzeit steht „Inkonzinnität“ für die Vermeidung von Gleichförmigkeit durch Parallelität im Sprachgebrauch. Sie ist damit das Gegenteil der sogenannten „Konzinnität“, die für Gleichförmigkeit und Ebenmaß im Satzbau steht.
Beispiel „Inkonzinnität“: „Nachts ist es kälter als draußen.“
Beispiel „Konzinnität“: „Nachts ist es kälter und draußen ist es kalt.“
Ziele und Wirkung der Inkonzinnität
Das Ziel der „Inkonzinnität“ ist also, mehr Abwechslung beim Schreiben zu schaffen. Jeder, der professionell schreibt, nutzt zum Beispiel ein Synonym-Wörtbuch, das mithilft für den gleichen oder einen ähnlichen Sachverhalt verschiedene Begriffe zu finden. Das trägt zu sprachlicher Vielfalt bei, zu Variantenreichtum beim Ausdruck und zu Abwechslung als Mittel gegen Langeweile. Man könnte behaupten, dass eine gewisse Symmetrie, die Aufzählungen miteinander verbindet, zu Gleichförmigkeit führt.
Syntaktische Symmetrie und Asymmetrie
Mit dieser Aussage sind wir beim Thema Sprachverkürzung angelangt. Denn Vollständigkeit führt zu unnötiger Redundanz und Informationsfülle und damit zu Langeweile beim Lesen. Ein Halbsatz wie „Sprachliche Symmetrie und Asymmetrie“ ist eine asymmetrische Verkürzung des vollständigen und damit symmetrischen „Sprachliche Symmetrie und sprachliche Asymmetrie“, bei dem das Adjektiv „sprachliche“ beim zweiten Substantiv „Asymmetrie“ noch einmal wiederholt würde. Das erste Adjektiv wird im Sprachgebrauch der Aufzählung auf die folgenden aufgezählten Substantive bezogen. Das ist kürzer und schafft durch die Asymmetrie einer nicht vollständigen Aufzählung etwas Spannung. Welche Begriffe für Verkürzungen gibt es nun?
Brachylogie: Ausdrucksverkürzung
Unter Brachylogie versteht man eine verkürzende Ausdrucksweise in der Rhetorik, die ihre Entsprechung im linguistischen Begriff der Ellipse findet. Dabei ist es gleichgültig, ob die Verkürzung durch Auslassung von Satzteilen erreicht wird, die bereits eingesetzt worden sind oder inhaltlich naheliegen. Die Brachylogie als Satzverkürzung ist unterteilt in die drei Varianten Zeugma, Syllepse und Apokoinu.
Zeugma: Doppelte Verbnutzung
Beim Zeugma nutzen zwei Satzteile sehr öknonomisch ein Verb.
Beispiel für ein Zeugma: „Ich wollte dein Geld oder Leben.“
Verkürzung von: „Ich wollte dein Geld oder ich wollte dein Leben.“
Ellipse: Kurzform-Phrasendreschen
Dem Zeugma aus der Rhetorik ist die Ellipse aus der Linguistik verwandt. Hier werden Satzteile ausgelassen, meist das Verb. Die Ellipse das Mittel zahlreicher in den Sprachgebrauch eingegangener Phrasen.
Beispiele für eine Ellipse: „Ohne Wenn und Aber.“
Ohne Auslassungen: „Ohne ein Wenn und ohne ein Aber.“
Syllepse: Sinnverdopplung
Zum Teil wird das Zeugma auch gleichgesetzt mit der Syllepse oder Syllepsis. In dieser Lesart werden Zeugma oder Sylepse für eher witzige oder denkwürdige Aussagen verwendet, bei denen sich wieder zwei Sätze oder Halbsätze ein Verb teilen, das jedoch doppeldeutig ist und sich somit als Satzverbinder auf die zwei unterschiedlichen Bedeutungen der beiden Sinneinheiten bezieht.
Beispiel für eine Syllepsis: „Nimm dir Zeit und nicht das Leben.“
Apokoinu: Achse zwischen zwei Bedeutungen
Das Apokoinu ist ein Stilmittel, das im Alltagsgebrauch eher selten ist und mehr in der Poetik beim Gedichteschreiben Verwendung findet. Dabei ist das Apokoinu eine Verkürzung, indem zwischen zwei Worten oder Satzteilen ein Wort wie eine Achse eingefügt wird, das sowohl das Ende der ersten Sinneinheit sein kann, wie auch der Anfang der zweiten. Der verbindende Teil der Syntax wird Koinon genannt.
Beispiel für das Apokoinu:
”Ich wollte dich
dauernd (= Koinon)
verabschieden.“
Hierbei bezieht sich das von der ersten und der dritten Zeile genutzte verbindende Wort „dauernd“ auf eine gegenteilige Aussage:
1. Ich wollte dich dauernd
2. dauernd verabschieden