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Comic-Zeichenkunst: Burne Hogarths Anatomie-Lehrstunde

Gründung einer eigenen Zeichenschule

Burne Hogarth an der Tafel: Eigentlich kann man sich den berühmtesten Tarzan-Comiczeichner gar nicht anders vorstellen. Hogarth war ein heller Kopf, der 1947 und damit relativ früh eine eigene Schule für Illustration, Zeichnen und Comiczeichnen mitgegründet hatte, die „School of Visual Arts“ (ursprünglich: „The Cartoonists and Illustrators School“) in New York. 1947 war auch das Jahr, in dem er den zweiten Zyklus seiner Tarzan-Sonntagsseiten zeichnete, die besser und immer besser wurden.

Comics „Tarzan“, „Drago“ und „Miracle Jones“

Hogarth war und blieb bis zu seinem Tod ein illustratives Wunderkind, der der Nachwelt aber nur ein recht schmales Ouvre hinterlassen hat. Das bestand in erster Linie aus Tarzan-Sonntagsseiten für Zeitungen sowie in den Jahren 1972 und 1976 zwei Tarzan-Graphic-Novels. Außerdem hat Hogarth die kurzlebigen Serien „Drago“ (1945), eine Art argentinischen Tarzan, und „Miracle Jones“ (1947-1948) als karikaturenhaften Comic gezeichnet. Die beiden letztgenannten Serien waren solide ausgeführt, reichten aber in zeichnerischer Perfektion und Dynamik bei weitem nicht an die geradezu manische Besessenheit der Tarzan-Comics heran.

Spezialgebiet Dynamische Anatomie

Da Burne Hogarth als der kenntnisreichste Comiczeichner der menschlichen Anatomie gilt, lag es nahe, dies zu unterrichten. Die Demonstrationszeichnungen, die er in der „School of Visual Arts“ anfertigte, hat Hogarth gesammelt und zur Grundlage einer Reihe von Lehrbüchern gemacht, die er zwischen 1958 und 1995 veröffentlicht hat. Übrigens sind diese Bände in einem Sammelband auch im Deutschen verfügbar. Diese Bücher sind im einzelnen der folgenden Auflistung zu entnehmen, wobei sich das jeweilige Datum jeweils auf die amerikanische Originalveröffentlichung bezieht:

Anatomiebücher von Burne Hogarth

Daneben hat Hogarth ein paar weitere Bücher und Portfolios publiziert. Die ersten beiden sind die erwähnten Tarzan-Graphic-Novels.

Sonstige Bücher von Burne Hogarth

Comics als Kunstform

Hogarth ist für die Comics zum einen jener Illustrator, der das Medium in Richtung Bildender Künste geöffnet hat und das, ohne einen im heutigen Sinne innovativen Ansatz zu verfolgen, wie zum Beispiel Jean Giraud alias Moebius oder Alex Nino das getan hatten. Hogarths Ansatz war zunächst, sein Handwerk zu perfektionieren und die Formensprache des menschlichen Körpers aber auch von Flora und Fauna zu durchdringen. Das hat er wie kein zweiter geschafft und sein Wissen an eine Schar Comiczeichner der nächsten Generation weitergegeben, dazu zählen Al Williamson, Gil Kane oder John Buscema.

Erweiterte Grenzen für das Comic

Relativ zu den zeitgenössischen Meistern der Abenteuer-Comics wie Alex Raymond (Flash Gordon), Hal Foster (Prinz Eisenherz/Prince Valiant), Milton Caniff („Terry und die Piraten“ und „Steve Canyon“) oder auch Will Eisner („The Spirit“) ist Hogarth jedoch zeichnerisch visuell weit über die Begrenzungen des Mediums hinaus gegangen und hat Maßstäbe gesetzt.

Körper in dynamischer Perspektive

Dabei hat sein Realismus verbogene und perspektivisch idealisiert-übertriebene Körper zugelassen und die Formensprachen von Surrealismus, Expressionismus und Rennaisance miteinander kombiniert. So gesehen und relativ zur Zeit gesetzt, in der sein Tarzan entstanden ist, war Hogarth der grafisch ambitionierteste Zeichner und Will Eisner der kreativste visuelle Geschichtenerzähler.

Akademisiertes Zeichnen

Der Nachteil von Hogarths Lehrtätigkeit war, dass seine Darstellungsweisen des menschlichen Körpers in seinen beiden Tarzan-Comicbüchern der 1970er-Jahre etwas an Eleganz verloren hatten und eher wie anatomische Studien wirkten. Dafür wirkten florale Darstellungen und Tierdarstellungen um so eindringlicher ausgearbeitet. Unabhängig davon blieb Hogarth auch im Bereich der Dynamisierung der Zeichner mit den größten Möglichkeiten, auch vor Jack Kirby, Neal Adams, Joe Hubert oder Frank Frazetta.

Burne Hogarth als Lehrmeister

Im oben gezeigten Video ist zu sehen, wie schlafwandlerisch Burne Hogarth die Anatomie des menschlichen Kopfes beherrscht. Zudem ist interessant, welche Hilfen und Merksätze er den Studenten mit auf den Weg gibt: Hogarth erweist sich hier als praxisorientierter Didaktiker.

Altmodischer Zeichenstil

Allerdings muss man konstatieren, dass die Art wie Hogarth zeichnet, ob in seinen Comics oder bei seinen Portfolios oder Anatomiestudien, aus heutiger Sicht veraltet ist. Neal Adams, ein anderer maßgeblicher Meister realistischer Dynamisierung der nächsten Generation – Hogarth war Jahrgang 1911, Adams 1941 – ist da auch heute noch lange nicht so „oldschool“. Dieser Umstand, dass Zeichner einen spezifischen Stil haben, der zeitgebunden ist, betrifft einige Könner in besonderem Maße, unter anderem die Schwarzweiß-Zeichnungen von Frank Frazetta, Bernie Wrightson oder den frühen Alex Raymond, der allerdings seinen Stil im Laufe seiner Karriere vereinfacht und modernisiert hatte.

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