Zur Comic-Klassik in den amerikanischen Tageszeitungen ab den 1930er-Jahren, in denen ein neuer Realismus in der Darstellungsweise entstanden war, zählen unter anderem Tarzan und Prinz Eisenherz/Prinz Valiant von Hal Foster, Tarzan in der Version von Burne Hogarth und Flash Gordon von Alex Raymond. Während Foster und Raymond in ihrem klaren Strich einander ähnelten, veränderte Hogarth seinen zeichnerischen Ansatz hin zur expressiven Darstellungsweise. Was alle drei dennoch gemeinsam hatten, war ihre Suche nach dem perfekten Strich.

Vorteile schöner Strichführung

Oft war der perfekte Zeichenstrich schön und ökonomisch zugleich und oft war er moduliert und nuancenreich. „Moduliert“ bedeutet, dass der Strich meist dicker begann und spitz auslief. Die Comic-Klassik der ganzseitigen Sonntagsbeilagen bot damit nicht nur die Suche nach Ausdrucksformen und Erzählweisen, sondern vor allem die Perfektioniereung des zeichnerischen Handwerks, die sich zum einen an klassische Illustratoren anlehnte (Foster, Raymond) und zum anderen an Idealformen aus der Renaissance (Hogarth).

Tarzan, Prinz Eisenherz und Hal Foster

Burne Hogarth begann seine Tarzanversion vor dem zweiten Weltkrieg zu zeichnen, ab dem 9. Mai 1937 bis 1950. In den Jahren 1945-47 wandte er sich von Tarzan ab. Dabei war Hogarth Nachfolger von Hal Foster gewesen, der seinen Tarzan im Laufe der Jahre von einer einfacheren und mehr flächigen Darstellungsweise zu einer feineren Ausführung weiterentwickelt hatte. Nachdem Foster seinen Tarzan stilbildend und erfolgreich gezeichnet hatte, begann er mit Prinz Eisenherz bzw. Prince Valiant, wie er im Original hieß, ab 13. Februar 1937 – den er übrigens nicht nur zeichnerisch sondern auch als Autor geschaffen hatte und bis drei Jahre vor seinem Tod 1982 weiterzeichnete. Erst mit seinem Prinz Eisenherz schuf er eine Linienführung, die immer mehr weg von der Dynamik, hin zur statischen Epik gelangte und in übergroßen Formaten fast perfekte Linien schuf.

Alex Raymond: Schönheitsideale

Harold Rudolf Foster lieferte sich, was die Schönheit der Strichführung anbelangte, ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Alex Raymond. Der hatte ab 1933 ein Jahr lang seine Serie Secret Agent X9 gezeichnet, die gemessen an späteren Arbeiten gröber und in deutlicheren, dickeren Strichen ausgeführt war. Von diesem althergebrachten Stil wechselte Raymond im Laufe der Jahre bei seinen parallel erscheinenden Serien Flash Gordon und Jungle Jim ab dem 7. Januar 1934 zu einer immer feineren Linienführung. Die Figurenzeichnung war von den Art-Deco-Schönheitsidealen beeinflusst. Vor Ende seiner Arbeiten an Flash Gordon und Jungle Jim gelangte er zu größter Perfektion auf der Suche nach der schönsten Linie. Harold Foster erkannte dies und gab zu, dass Raymond den schönsten Strich hätte.

ExpressionismusBurne Hogarth: Expressionistische Spannkraft

Allein, Burne Hogarth war der lachende Dritte. Bei seinem Tarzan standen nicht Art Deco und Schönheit im Vordergrund. War Hal Foster auch visuell gesehen der Märchenerzähler und Alex Raymond der Science-Fiction-Visionär, wirkte Hogarths Tarzan weniger fein bzw. artifiziell, mehr körperlich, expressionistisch, teils surreal, grafisch überaus kraftvoll – etwas, das der Strich des frühen Alex Raymond ebenfalls verkörpert hatte, um zusehends der dünneren, feineren Linie zu weichen. Was Raymond vorher durch dichte multiple Schraffuren erreicht hatte, schaffte er in seiner Hochzeit mit weniger Einzelstrichen und wunderschönen Konturen. Das Schönheitsideal, das Hogarth mit Vehemenz anstrebte, waren Anatomie und Muskulatur des männlichen Körpers im Verhältnis zu den Schönheitsidealen der Rennaisance. Was man wahrnahm, war diese überbetonte Körperlichkeit, waren Gesichter, die expressionistischen Stummfilmen entliehen schienen. Kaum jemand hatte darauf geachtet, mit welcher schlafwandlerischen Perfektion Hogarth zeichnete. Er stand darin Foster und Raymond nicht nach.

Alex Raymond: Mit Flash Gordon auf der Höhe

Raymond hatte eine lange Phase, in der er nach dem perfekten Strich suchte. Seinen zeichnerischen Höhepunkt erreichte er erst 1939. Auf den Seiten im Juni und Juli 1939 schaffte er die höchste Perfektion bei seinen Schraffuren, die im Laufe der Jahre immer feiner geworden waren und dadurch nicht mehr so dicht, dunkel und schwer wirkten. Aber Raymond war überlastet. Bereits ab Oktober 1939 nahm die Qualität der Ausführung ab, wirkte weniger ausgearbeitet und weniger perfekt. Das Niveau der Seiten aus dem Sommer 1939 erreichte er nie wieder.

Qualitätsschwankungen beim Comiczeichnen

Betrachtet man das Werk der drei klassischen Comic-Schöpfer heutzutage, offenbaren sich zwei Probleme. Zum einen das der gleichbleidenden Qualität der Zeichnungen, zum anderen die Qualität der Reproduktionen und die Art der Druckvorlagen für spätere Nachdrucke in Buchform. Die Qualität sinkt teilweise wegen Zeitdruck oder weil ein Meister seines Fachs Assistenten tuschen oder Hintergründe ausarbeiten lässt. Ein generelles Problem bei der Erschließung historischen Comic-Materials ist, dass es zum Teil keine adäquaten Druckvorlagen gerade für die Schwarz-weiß-Zeichnungen gibt. Wenn – wie im Falle von Reprints von Tarzan sehr oft der Fall gewesen – von den gedruckten historischen Sonntagsseiten reproduziert wird, ist die Genialität bei der Ausführung der Schwarz-weiß-Zeichnung oft nicht mehr zu sehen. Die erst auf schlechtem zeitungspapier gedruckten und später nachgedruckten Comics vieler großer Meister leiden darunter. Denn hinzu kommt, dass die theoretisch neu reproduzierbaren Originalzeichnungen verstreut über die ganze Welt in Sammlerarchiven schlummern.

Zeitknappheit und Assistenten-Workflow

Obwohl Raymond, Foster und Hogarth ausgewiesene Meister ihres Fachs waren, war die Qualität ihres Werkes Schwankungen unterworfen. Allein Foster stellte eine relativ gleichbleibende Qualität sicher. Man weiß, dass Foster Assitenten beschäftigte, zum Beispiel Tex Blaisdell und Lee Marrs für die Ausführung der Tuschezeichnungen. In den frühen 1960er Jahren unterstützten sie Foster generell bei der Ausführung der sehr detaillierten Zeichnungen bis auf die Gesichter der Figuren, die Foster stets selbst tuschte. Der frühe Raymond zeichnete schwer und dicht und war damals am Anfang Flash Gordons und davor als Zeichner wie beispielsweise Frank Frazetta einzuordnen. Die damalige Anmutung der grafischen Darstellung von Gesichtern und Körpern wirkt heute antiquiert. Auf der Höhe seiner Zeichenkunst auch nach Flash Gordon mit dem Strip Rip Kirby wurde Raymond stilistisch zu einem ungemein einflußreichen Illustrator. Die Art, wie er zeichnete, seine Klarheit, sein Designempfinden und seine Stilisierungen in Licht und Schatten beeinflußten die Mode-Illustration, die Werbegrafik, Comics und ganz allgemein die kommerzielle Illustration. Der Strich Harold R. Fosters wirkte dem gegenüber zurückhaltender dramatisiert, distinguierter, andererseits aber auch natürlicher als der Raymonds. Der Tick an Design, der die Zeichnungen Raymonds auszeichnete, wurde bei Foster durch Unmittelbarkeit des visuellen Ausdrucks ersetzt. Dennoch glich sich die zeichnerische Aufassung der beiden sehr. Bei Raymond gab es bei seinem Flash Gordon Ausführungen, die nachließen, was u.U. auf Zeitknappheit zurückzuführen war, weil Raymond vielbeschäftigt war, nicht nur als Comiczeichner auch als Illustrator. Auch bei Burne Hogarth in seiner Tarzan-Spätphase gab es einzelne Schwankungen in der Qualität der Ausführung.

Burne Hogarth und seine Zeichentechnik

Bei Burne Hogarth hatte sich die Comic-Kritik vor allem auf seine meisterlichen Darstellungen des männlichen Körpers wie auch auf seine realistischen Dynamisierungen visueller Darstellungen bezogen. Sein berühmtes Comic-Panal mit Tarzan auf dem Rücken eines Löwen wurde sogar fester Bestandteil der Popkultur. Dabei geriet etwas in den Hintergrund, dass all dies auch Ergebnis eines handwerklichen Perfektionismus war. Sieht man sich die ersten Tarzan-Sonntagsseiten an und vergleicht sie mit späteren, erkennt man sofort, dass Hogarth die größte Entwicklung von den dreien auch in seiner Zeichentechnik durchgemacht hatte. Foster war ein früh vollendeter, Raymond durchlebte sehr verschiedene Stile. Hogarth war vom simplen Foster-Epigonen zur zeichnerischen Stil-Ikone geworden und legte in seinen beiden Tarzan-Büchern als Spätwerk noch einmal einen veränderten Strich vor. Der war allerdings manieristischer und akademischer geworden und – auch wenn er insgesamt beeindruckend war – konnte aber seinem Tarzan von 1937-1950 gerade an Eleganz nicht das Wasser reichen.

Produktionstechnisch unzureichende Editionen

Von Fosters Prinz Eisenherz und von Alex Raymonds Flash Gordon gibt es Editionen im deutschsprachigen Raum, die auch rein reproduktions- und drucktechnisch vermitteln, wie gut diese beiden Zeichner waren. Im Falle von Hogarth lässt dies noch auf sich warten

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