Was ist wichtig bei amerikanischen publikumsträchtigen Kinofilmen? Die Story? Die Erzählweise? Die Effekte? Die Bilder? Sieht man sich Star Trek Beyond an, der gerade in den Kinos läuft, ist die Antwort klar: Vor lauter Effektverliebheit bleibt kein Platz für eine überraschende, wendungsreiche Story, kein Platz für die Personencharakterisierung, kurz: kein Platz fürs spannende Erzählen mit authentischen Charakteren.

Die Story ist ein Placebo, das nur so tut, als wäre es eine originelle Geschichte. Die Personen sind leere Hülsen, die davon zehren, dass sie im Star Trek-Universum in Film und Fernsehen lange vorher definiert und von den Zuschauern verinnerlicht wurden.

Effekte verdrängen Inhalte

Mit den Effekten sind die Filmemacher weit übers Ziel hinaus geschossen, mit dem Drehbuch direkt beim Start krepiert. Ist das schlimm? Dem kommerziellen Erfolg tut es keinen Abbruch. Solange, bis das Publikum sich zukünftig satt gesehen haben wird an den künstlich erzeugten Filmwelten und sich nach einer Spannung sehnt, die nicht nur visuell begründet ist, sondern aus der Story selbst resultiert. Jedenfalls scheint die Zeit für intelligente Drehbücher für Kinofilme nicht gut zu sein. Spannende Mainstream-Geschichten werden nur noch im Fernsehen seriell erzählt. (Warten wir ab, was Bryan Fuller mit seiner neuen Star Trek-Fernsehserie im nächsten Jahr zustande bringt.)

CGI-Synthetik versus Menschlichkeit

Man hat den Eindruck, dass selbst der Mensch wenig Platz hat im High-Tech-Kino des Augenblicks. Zahlreiche aufwändig gemachte Filme wie 300: Rise of the Empire, Sucker Punch, Sin City: A Dame to Kill for, die Transformer-Reihe oder X-Men: Apocalypse wirken insgesamt oder zum Teil eher seelenlos. Immer länger werden die synthetischen Sequenzen, immer wichtiger werden Langstrecken-Effektorgien – für eine Personenzeichnung, die relativ ruhig sein müsste und deshalb Zeit kosten würde, bleibt da kein Platz, ebenso wenig für überraschende Storys mit Wendungen, denn auch die würden Zeit kosten. Was bleibt, ist ein althergebrachtes langweiliges Storyskelett, das im Falle von Star Trek Beyond wiedermal von einem Superschurken geprägt ist, der eine Superwaffe in Händen hält, die man ihm entringen muss. Vorhersehbarer als im Hollywood-Hightech-Blockbuster moderner Prägung waren Story und Personencharakteristika noch nie.

Der Witz als Pausenclown

Selbst witzig ist das nicht mehr, denn auch Witze würden Zeit kosten. Das, was Zeit kosten darf, sind nie gesehene animierte Bilder, wobei es interessant ist, in diesem Zusammenhang das Thema Komplexität zu betrachten: Es ist nämlich nicht so, dass Komplexität in Star Trek Beyond nicht vorhanden wäre, nur findet man sie nicht mehr im Zusammenspiel der handelnden Personen und auch nicht in der Erzählung selbst, sondern vor allem in den Szenen, in denen Menschen nur am Rande vorkommen. Die Effektsequenzen in Star Trek Beyond, die im Weltraum spielen und Angriffe sowie andere kriegerische Handlungen zeigen, sind ähnlich wie bei X-Men: Apocalypse technisch unglaublich aufwendig umgesetzt. Das ist symptomatisch: Finesse, Kunstfertigkeit, ja, sogar Spannung findet im Binnenbereich der Effekte statt, nicht als roter Faden des Gesamtfilms.

Tendenz Langeweile-Film

Hier zeichnet sich eine Tendenz oder ein Trend ab: Große Filme ziehen ihr Publikum in die Kinos, nicht weil sie originell erzählt werden, sondern weil sie Bilder zeigen, die das Imaginative und Phantastische immer realistischer und glaubwürdiger in Bilder gießen. Das hat eine Faszination, der man sich kaum entziehen kann, selbst wenn der Gesamtfilm eher langweilig ist. X-Men-Apocalypse ist der Teil unter allen X-Men-Kinofilmen, der die schwächste Story hat aber die besten Effekte. Sin City 1 ist viel besser erzählt, als sein überästhetisierter Nachfolger – eine Krankheit, wegen der schon Frank Millers Film Spirit schlimm bettlägrig geworden und zu Tode gekommen war. Die Hollywoodformel der Stunde gerade bei Science-Fiction-Krachern lautet: Je mehr hochwertige CGI-Action-Sequenzen desto mehr Kasse. Halleluja! (Dass es auch anders geht, dass man also zumindest originelle Dialoge mit Wow-Technologien kommerziell erfolgreich kombinieren kann, sieht man an Deadpool.)

Eyecandy-Spannung

Die Darstellung und Produktion synthetisch erzeugter Inhalte verdrängt gute Storys und originelle Erzählweisen. So ist denn Star Trek Beyond ein mit zu viel Augenfuttereffekten vollgestopfter Film, bei dem alles, was entfernt an normale Menschlichkeit erinnern würde, wie künstlich eingefügt als Fremdkörper wirkt. Der Beziehungsstress, den Jung-Spock mit Uhura hat z.B., wird angeschoben und nicht glaubwürdig zuende erzählt. Er wirkt anstatt dessen eher als Alibi, weil im Film zu viel Künstlichkeit und zu wenig Menschlichkeit enthalten ist.

Anleihe bei anderen Filmen

Hinzu kommt das Crossover und die Leihnahme aus anderen Filmen: Die weibliche Außerirdische Jaylah erinnert an Darth Maul aus Star Wars, andere Sujets und Physiognomien an Avatar. Was angesagt ist, ist langweilige Adrenalin-Action am laufenden Band. Regisseur Justin Lin macht seiner Fast-and-Furious-Sozialisation alle Ehre. Nach dem Film hat man das Gefühl, 10 Flaschen Rotwein hintereinander weggekippt anstatt eine gemeinsam genossen zu haben.