Das Problem eines selbstreflektorischen Systems wie der Mensch eines ist, ist, dass es sich in Frage stellen kann, was in eine Frage wie „Warum bin ich so?“ münden kann. Es kann aber auch über sich selbst hinaus weisende Fragen aufwerfen wie „Woher komme ich?“ oder „Wohin gehe ich?“ Hinter diesen Allgemeinplätzen steckt jedoch ein konkretes menschliches Bedürfnis.
So wie ein Kind wissen will, wer seine Eltern sind, um Aufschluss über sich zu erhalten, will ein denkendes Wesen seinen prinzipiellen Ursprung ergründen. Es will darüber hinaus die Welt und ihre Mechanismen und Ursächlichkeiten verstehen. Den denkenden Menschen befällt sonst ein Unbehagen, das zu grundlegendem Misstrauen führen kann.
Religion als Meta-Antwort auf unbeantwortbare Fragen
Um angesichts des nicht zufällig erscheinenden Ineinandergreifens unendlich vieler biologischer oder physikalischer Faktoren des Lebens einen Ausweg zu finden, der den emotionalen Menschen zufriedenstellt und beruhigt, bieten Glaube und gemeinschaftliche Religiösität eine Erklärung: All das, was geworden ist, ob Mensch oder Universum, wäre von einem Gott geschaffen. Dabei setzt die christliche Religion einen Anfangspunkt, indem sie voraussetzt, dass dieser Gott unsere Welt geschaffen hat und entbindet den Gläubigen davon, hinter diesen Anfangspunkt blicken zu müssen, um sein Leben verstehen zu können. Gott als Schöpfer ist absolut gesetzt und damit der Beginn allen für den Religiösen relevanten Seins.
Das Gottesbild als Erkenntnis-Sedativum
Ein anderes religiöses Konzept mag weg gehen vom Gott als Wesen aber läuft darauf hinaus, Eins zu werden mit dem Gedanken, dass wir nichts verstehen werden. Es befriedet uns angesichts der erschreckenden Aussichtslosigkeit unseres Erkenntnisstrebens – durch das Einverständnis, Teil einer unerklärbaren sich permanent transformierenden Unendlichkeit zu sein und Glück darin zu finden, dass wir uns als Teil all dessen verstehen.
Das Nichts als Endpunkt aller Überlegungen
Weiter hinter unseren Ursprung zurück zu blicken, würde nämlich bedeuten, ins Nichts zu blicken, aber das Nichts ist nicht denkbar. Über das Nichts lässt sich nur abstrahiert nachdenken, wobei eine Abstraktion lebensfern wäre. Aber warum wartet hinter dem Bekannten, das durch Erfahrungswerte erfahrbar ist, möglicherweise das Nichts? Weil hinter dem Bekannten, hinter dem, was wir erklären können, das Unerklärbare liegt. Das Nichts ist per se unerklärbar, weil es nichts enthält das wahrnehmbar oder beschreibbar wäre.
Der denkbare Ursprung eines möglichen Gottes
Wenn es einen Gott gäbe, der alles geschaffen hätte und uns dieser Umstand in Gelassenheit angesichts einer dann erklärbaren Welt wiegen würde – wer hätte dann diesen Gott geschaffen? Jede Erklärung der Existenz der Welt, jedes Gottesmodell oder jedes physikalische Modell bezieht sich auf einen bestimmten Zeitpunkt und einen definierten Zeitraum. Was aber war ursächlich davor? Was war vor dem Urknall, was vor der Existenz eines möglichen Gottes?
Das Nichts oder das Fast-Nichts
Die Physik hat postuliert, dass vor dem Urknall bezogen auf unser Raum-Zeit-Kontinuum das Nichts war. Mit dem Urknall hat sich aus einem ungeheuer komprimierten Etwas unser ganzes Universum gebildet, mit allen Planeten, allem Leben. Wie kann sich aber aus dem Nichts etwas bilden? Das geht unserem Verständnis nach nicht: Aus dem absoluten Nichts kann nicht etwas entstehen. Es muss also etwas da gewesen sein, egal ob sich daraus ein Universum oder ein Gott gebildet haben würde. Das heißt, es muss ein Davor gegeben haben.
Das Dilemma der Ursprungslosigkeit
Dieses Etwas, das dagewesen sein muss, zum Beispiel in Form von nicht materiell manifestierter Energie, die zu Materie transformiert wurde, muss aber wiederum einen Ursprung gehabt haben, etwas, das davor war. Das ist das Dilemma. Etwas das vorhanden ist, muss unserem Denken gemäß, einen Ursprung haben, es muss, anders ausgedrückt, irgendwo herkommen. Ein Erklärungsansatz wäre ursprungslose Unendlichkeit. Das heißt: Es hätte nie einen Anfang von etwas gegeben. Unendlichkeit ohne Ursprung ist für uns nicht denkbar, so wie das Nichts nicht denkbar ist – höchstens im Rahmen von Religiösität, die sich diesbezüglich in den Umstand der Nichterkenntnisfähigkeit ergibt und das innerhalb der Einsicht, dass Denken über einen festgelegten Punkt hinaus keine Ergebnisse bringt.
Beweis der Nichtexistenz unserer Wirklichkeit
Die andere Möglichkeit, Existenz und Vorhandensein von etwas zu erklären, anzunehmen, es habe sich aus dem Nichts gebildet, widerspricht ebenfalls unserem Denken. Wäre aus dem Nichts etwas entstanden, hätte es seinen Namen nicht verdient und es hätte sich nicht um das unserer Definition nach absolute Nichts gehandelt. Da wir also weder aus dem Nichts kommen können noch wir uns aus etwas bilden konnten, das keinen Anfang hat, weil es ursachenlose Existenz nicht geben kann, ist bewiesen, dass wir nicht existieren.