Beim Comic-Zeichnen live dabei: Schön, dass es Videos gibt wie dieses. Was so unspektakulär daherkommt, ist doch – gemessen an Vor-YouTube-Zeiten – ein kleines Wunder: Man kann einem Zeichner über die Schulter gucken. Man ist dabei, wie ein Werk entsteht, auch wenn es wie hier nur eine kleine Nebenbei-Zeichnung ist.
Zweierlei fällt auf. Zum einen, dass Zeichner Alex Nino immer wieder absetzt und an anderen Bildstellen weitermacht. Oft fixiert und akzentuiert er diesen neuen Zeichenort mit einem kleinen Punkt. Dabei ist seine Zeichengeschwindigkeit relativ langsam. Er scheint sehr sicher bei seiner Strichführung zu sein.
Alex Nino beim kontrollierten Illustrieren
Zum Zweiten fällt auf, dass er offenbar sehr kontrolliert vorgeht. Jeder Strich sitzt, viele Striche haben konstruktive, stabilisierende Funktionen. Die improvisierten Striche fügen sich gut in dieses Zeichengerüst ein. Der Strich von Moebius zum Beispiel oder Philippe Druillets Strich wirken lockerer.
Vision und technische Perfektion
Nino scheint eine klare Vision zu haben, wie die Striche verlaufen müssen, um das Gesamtbild zu formen. Diese Eigenschaft eines Zeichners, die zustande kommende Gesamtform intuitiv voraus zu ahnen bzw. voraus zu imaginieren, macht den versierten Zeichner aus. Geschuldet ist dies aber auch seiner technischen Perfektion, die er über das ungeheure Vielzeichnen erlangt hat.
Alex Nino auf den Philippinen und in den USA
Man muss bedenken, dass Alex Nino sich, bevor er sich am amerikanischen Markt ab Anfang der 1970er-Jahre Stück um Stück etablierte, bereits in seinem Heimatland, den Philippinen, fünf Jahre vorher die Finger wund gezeichnet hatte. Wer viel zeichnet und zugleich über ein solches Talent wie er verfügt, lernt viel und sichert seinen Strich immer mehr. Nur so ist zu erklären, dass er bereits nach wenigen Jahren bei den amerikanischen Comics künstlerische Meisterwerke innerhalb des Mainstreams schuf.
Beispiele für Alex Ninos Zeichenkunst
Dazu gehörte zum Beispiel die 17-seitige Geschichte in Unknown Worlds of Science Fiction Nr. 3 vom May 1975, die Adaption einer Kurzgeschichte von Harlan Ellison durch Marvel-Autor Roy Thomas: „Repent, Harlequin!‘ Said the Ticktockman“. Dabei hatte Nino sowohl auf den Philippinen als auch in den USA viel Massenzeichenware geschaffen. Es gibt also viel herkömmliches, uninspieriertes Material von ihm. Doch im Laufe der Zeit hatte er sich immer weiter entwickelt und wurde der amitionierteste Zeichner in den USA.