Psyncho. Das Vorhandensein mancher Filme ist schon ein Witz ansich oder eine surreale Verkrümmung des Wahrnehmungsraumes. Thomas Pynchon nämlich, seit Jahrzehnten – genauer gesagt seit 1963, als sein Roman V. erschienen war, definitiv aber seit 1973, als Gravity’s Rainbow/Die Enden der Parabel publiziert und später dankenswerterweise unter anderem von Sprachartistin Elfriede Jelinek ins Deutsche übertragen worden war – Speerspitze des schwer zugänglichen postmodernen Romans, hat ein eher zugängliches Spätwerk geschrieben. Inherent Vice heißt es. Verfilmt wurde es von Ausnahmeregisseur Paul Thomas Anderson, der die cineastischen Meisterwerke Magnolia (1999), There Will Be Blood (2007) und The Master (2012) gedreht hat und dessen siebter Film in achzehn Jahren nun Inherent Vice (2014) war, der jetzt in Deutschland gezeigt wird. Von seinen drei anderen Filmen sind außerdem Punch-Drunk Love (2002) und Boogie Nights (1997) erwähnenswert. Anderson ist ein ernsthafter Regisseur schwieriger Stoffe. In seinem aktuellen Film hat er mit einem Joaquin Phoenix, der wie Superheld Wolverine aussieht, eine psychedelische Variante von The Big Lebowski gedreht. Dass jedenfalls einer der wegweisendsten Autoren und einer der interessantesten visuellen Geschichtenerzähler, der Anderson als Drehbuchautor und Regisseur ist, in einem gemeinsamen Projekt vereinigt sind, lässt aufhorchen. Das ganze ist oberflächlich betrachtet eine surreal-psychedelische Parodie auf das Genre Kriminalfilm. In der postmodernen Literatur geht es meistens nicht um zugängliche Vollständigkeit, Pynchons umfangreichere Werke bedienen sich des Mittels der literarischen Collage, um Klischees zu dekonstruieren und aus ihren Versatzstücken etwas Neues zu schaffen. So ist Inherent Vice (übersetzt etwa: Verstecker Mangel) kein Unterhaltungskino im herkömmlichen Sinne und eher ein schräges Vergnügen, auf das man sich einlassen muss. Anderson hat mit seinen letzten Werken ebenfalls viel vom Mainstream-Zuschauer verlangt, wobei er aus seinen Hauptdarstellern jeweils den letzten Tropfen Können herausgepresst und sie zu absoluten Höchstleistungen getrieben hat. Dazu zählen Philip Seymour Hoffman und Joaquin Phoenix in The Master, Julianne Moore und ein ungewöhnlich agierender Tom Cruise in Magonlia sowie Daniel Day-Lewis in There will be Blood. Jede einzelne dieser Darbietungen ist eine seltene Sternstunde des Schauspielerkinos. Der Film Inherent Vice ist übrigens mit bekannten Gesichtern gespickt, wozu auch Reese Witherspoon, Josh Brolin, Benicio del Toro und Owen Wilson gehören. Witzig ist immer wieder die Sprache: In einem Restaurant bestellen Benicio del Toro und Joaquin Phoenix „Anchovis-Brot nach Art des Hauses und dann das Teufelsrochenfilet in Bierteig frittiert, außerdem Quallen-Teriyaki-Kroketten und den Aal Trovatore.“ Klingt lecker. Kommentieren.