Was ist das an der möglicherweise kommenden Langeweile, das einen ganz besonders mitnimmt und beeinträchtigt? Da es in der Überschrift dieses Artikels schon steht, ist die Antwort auf diese Frage garantiert langweilig: Die Vorhersehbarkeit ist das eigentlich Schlimme an der Langeweile.
Die Aussicht darauf, dass keine neuen Reize winken, dass man genau weiß, was passieren und kommen wird – das macht einen uninteressiert.
Kunstkriterien „Relevanz“ und „Innovation“
Kunst soll zugleich relevant innerhalb der Gesellschaft sein, indem sie auf sie einwirkt, andererseits soll sie Neues bringen und damit innovativ sein. [Was aber, wenn Kunst lange so innovativ und umwälzend war, dass die Innovation das Normalmaß herkömmlicher Wahrnehmung wäre? Dann wäre mangelnde Innovation, gar retrospektive Kunst das wirklich Neue.]
Kunstkriterium „Unterscheidbarkeit“
Die (deutsche) Welt ist traditionell aufgeteilt in „E“ und „U“, in „Ernste“ Kultur und „Unterhaltungs“-Kultur. Hinzugekommen ist die „F“-Kultur, die „funktionale“ Kultur. Im Bereich der Musik sind das z.B. Millitärmusik oder Kirchenmusik. Andere unterscheidende Begrifflichkeit sind die Gegensätze „Hochkultur“ (für elaborierte Kultur) und „Popkultur“ (stellvertretend für populäre Kultur). Man kann darüber lamentieren, dass diese Einteilung unsinnig ist und es gibt auch viele Argumente dagegen. Dennoch ist das Gegenteil simpler Klassifizierung immer eine komplexe Einordnung, die die Übersicht für’s erste erschwert. Klassifikationen und einordnende Namensgebungen führen dazu, dass zunächst klarer scheint, wie die Welt von Kunst und Kultur beschaffen ist.
Kunstkriterium „Veränderungspotenzial“
Aber wie ist sie beschaffen? Sofern die Antwort auf diese Frage in wenigen Sätzen zu beantworten ist, wäre Kunst vorhersehbar geworden. Und Vorhersehbarkeit ist nicht nur langweilig und fade, sie ist auch impulsschwach im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse – sofern eine degenerierte, satte und unterhaltungssüchtige Wohlstandsgesellschaft überhaupt noch dazu in der Lage ist, entscheidende selbstregulatorische Veränderungen hervorzubringen.
Kunstkriterium „Wahrnehmungshorizont-Erweiterung“
Kunst kann beides sein: Abbild und Folgeerscheinung der ursächlichen Gesellschaft als auch sich von der Gesellschaft weitestgehend unabhängig machen und gerade dann auf sie verändernd einwirken. Die Mittel der Veränderung sind Konfrontation mit Neuem, sind die überraschende Öffnung neuer Wahrnehmungs-Horizonte.
Kunstkriterium „Ästhetik-Subversion“
Kunst also, die bleibend einschätzbar ist, die Hintergründigkeit und doppelten Boden durch Offensichtlichkeit ersetzt, die ihren Zweck in der Erfüllung von Erwartungshaltungen sieht, und sei es nur monetär, die also taxierbar wird, macht sich selbst überflüssig. Die eingangs erwähnte Langeweile ist keine Langeweile, die nur von Unterhaltungsaspekten hergeleitet ist, sondern eine, die von Spannungslosigkeit kommt. Spannung kommt unplanbar von einem Augenblick auf den anderen, sie ist nicht vorhersehbar und birgt deshalb subversiv-ästhetische Änderungspotenziale. Dies wäre eine Kunst, die sich über relevante Inhalte definiert und nicht über gefälligen Opportunismus formaler Willfährigkeit.
Weitere Kunsttagebücher:
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- Warum Eitelkeit zur Kunst gehört und doch ihr Untergang ist
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- Der blinde Fleck und die Kunst der Betrachtung
- Kompetenz und Versagen als sich selbst bedingende Gleichzeitigkeit
- Kunst als Selbstdialog
- Ordnung und Chaos als Polaritätskonzept künstlerischen Wirkens
- Die Überforderung
- Eindeutigkeit und Wahrnehmung in der Kunst
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- Der Mangel als Ansporn
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- Selbstbild und Seins-Inszenierung
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- Idealismus oder Materialismus – Geld oder Leben!?
- Die Maslow-Bedürfnis-Pyramide oder fühlen und durchleben in der Kunst
- Jenseits der Worte
- Wahrheit und Verdrängung
- Das Gefühl für die Dinge oder von der Schwierigkeit, Kunst zu definieren
- Zwischen Selbsttransformation und Fremdwahrnehmung
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- Jede Regel will gebrochen sein
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