Wir leben in Zeiten erwachsener Fernsehserien wie zum Beispiel Die Sopranos. Einen nicht unwesentlichen Anteil daran hat der amerikanische Kabel-Pay-TV-Sender Showtime mit Serien wie Dexter oder Californication. Genau jener Sender belebt nun mit Twin Peaks jene Fernsehserie, die 1990 und 1991 anspruchsvollere Fernsehserien mitbegründete.
Twin Peaks ist ein Gemeinschaftsprojekt von Mark Frost und David Lynch, die zusammen die Drehbücher schrieben, während David Lynch Regie führte. Das wird auch bei der Wiederbelebung der Serie der Fall sein. Sie kommt 2016 mit einer dritten Staffel mit 9 einstündigen Folgen ins amerikanische Fernsehen.
David Lynch: Wunderkind und Künstler
Während Frost Serienerfahrung mit Polizeirevier Hill Street hatte, galt Lynch als Filmemacher, der Außergewöhnliches schaffen konnte. Die Kooperation zwischen beiden führte einen Visionär und einen Mainstream-Profi zusammen – welch interessante Mischung. Die Geschichte von Twin Peaks ist aber im Wesentlichen die Geschichte von David Lynch, einem jungen Regisseur, der Kino-Filme schuf, wie man sie damalig noch nicht gesehen hatte. Es ging ihm um das Abgründige und Hintergründige, das Uneindeutige, wofür er verstörende Bilder fand. Er war meist Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion, manchmal auch Produzent. Nur so ist zu erklären, dass er die künstlerische Kontrolle behalten konnte. Etwas, was ihm aber mit zunehmendem Erfolg nicht immer gelang.
Eraserhead: Die Mutter aller abgedrehten Filme
Sein filmisches Schaffen begann mit dem surrealistischen Schwarzweißfilm Eraserhead (1977), einem der skurrilsten Werke der Filmgeschichte, der Komödie, expressionistischer Stummfilm, Mysterythriller, Horrorfilm und surreales Kunstwerk gleichermaßen war. Auffällig war darin unter anderem die Tonkulisse, was schon früh andeutete, dass Lynch nicht nur filmte und Musik schrieb sondern sein Wirken auf vielen künstlerischen Feldern sah. Für das Erwachsenen-Comic-Magazin Heavy Metal zeichnete er seinerzeit Comicstrips über einen wütenden Hund, er entwarf Möbel, fotografierte, malte und drehte später Dokumentarfilme.
Der Elefantenmensch und Hollywood – die 2 Seiten der Medaille
Der Nachfolgefilm Der Elefantenmensch (1980) war erzählerisch klassisch angelegt, betrat aber ebenfalls neue visuelle Welten und hinterließ in der Filmszene großen Eindruck. So folgte das Fiasko Dune, Der Wüstenplanet (1984) nach dem gleichnamigen Science-Fiction-Roman-Klassiker von Frank Herbert. Es hatte schon Versuche gegeben, den Roman zu verfilmen, war aber nie dazu gekommen. Das Morbide und Surreale an David Lynchs bisherigem Wirken schienen genau richtig für den Film, nachdem Regisseur Ridley Scott die Brocken hingeworfen hatte und man auf der Suche nach einem Nachfolger gewesen war.
Dune, der Wüstenplanet, als kommerzielles Grab für David Lynch
Tatsächlich enthält Dune meisterliche Szenen und bizzare Sujets. Doch musste Lynch lernen, dass man ein derartiges Großprojekt nicht ohne ätzende Diskussionen mit dem Produzenten (Dino De Laurentis) realisieren kann. Sein Originalfim war 3,5 Stunden lang, der Produzent ließ dies auf zwei Stunden zusammenschneiden, sodass der Film stellenweise eher wie eine schnell durchlaufende Inhaltsangabe wirkte. Dune wurde ein finanzielles Desaster und für Lynch eine bittere Erfahrung. Aus dem filmischen Wunderkind, war ein Versager in Hollywood geworden. Später sollte er diese Erfahrungen in seinen Filmen mit bitterbösen Seitenhieben verarbeiten.
Blue Velvet, David Lynch und der Kunstfilm
Zunächst aber lieferte er den sehr erfolgreichen Film Blue Velvet (1986) ab. Ab da beschritt Lynch immer unkommerziellere Wege, experimentierte mit surrealen Erzählstrukturen. Davon profitierte Wild at Heart, Die Geschichte von Sailor und Lula (1990), dann die Fernsehserie Twin Peaks (1990/1991), gefolgt von Twin Peaks, Der Film (1992). Lost Highway (1997) ist ein erstes surreales Meisterwerk, das seinesgleichen sucht. Eine wahre Geschichte, The Straight Story (1999), eine Auftragsarbeit für Walt Disney, bei der er nicht das Drehbuch geschrieben hatte, war eine solide Regiearbeit und Mulholland Drive (2001) wurde sein zweites surreales Meisterwerk. In Inland Empire (2006) variierte er die Motive und Erzählstrukturen aus Lost Highway und Mulholland Drive, erreichte aber nicht deren Geschlossenheit. Lynch ließ hier die Motive seiner Billigproduktion, bei der viele Szenen mit der Handkamera gedreht worden waren, ausufern. Inland Empire ist ein interessanter Film, ihm fehlen aber Straffheit und Stringenz.
Twin Peaks als Erfolg und Misserfolg
Bei den zwei Staffeln der Serie Twin Peaks konnte Lynch mit Drehbuchpartner Mark Frost ähnliche Erfahrungen machen wie bei Dune: Dem Fernsehsender ABC war Twin Peaks suspekt, nicht kommerziell genug. Das Projekt schien für den Massenmarkt zu anspruchsvoll. Als wider erwarten der Erfolg der ersten Staffel in den USA riesengroß und Twin Peaks plötzlich ein Pop-Phänomen wurde, redete man dem Kreativteam immer mehr in ihre Arbeit hinein und zwang sie zu strategischen Fehlentscheidungen wie der vorzeitigen Offenbarung des Mörders, was die Spannung zerstörte. ABC wollte so den Erfolg wahren und zerstörte doch damit letztlich die Serie. Über eine kümmerliche zweite Staffel hinaus kam die Kultserie, die so furios angefangen hatte, nicht.
Twin Peaks, die Inspiration des Erwachsenenfernsehens
Twin Peaks war die Blaupause aller erwachsenen Fernsehsendungen und beeinflusste direkt oder indirekt – zum Beispiel bezüglich seiner verschränkten Dramaturgie oder dem Grad der Skurrilität – viele nachfolgende Fernsehserien, auch Mainstreamserien wie Aly McBeal. Ab da war es möglich geworden, seltsame Nebenfiguren in mehreren parallelen Handlungsverläufen einzuführen. Ab da war auch den Mainstreamproduzenten klar, dass nicht alltägliche Storys ihr meist erwachsenes Publikum finden konnten. In dem amerikaweit ausgelösten Rätselraten, wer denn nun in dem kleinen amerikanischen Städtchen Laura Palmer umgebracht hatte, lag großes virales Potenzial, das sich später jeder Fernsehmacher wünschte. Im nächsten Jahr sollen die Dreharbeiten an der dritten Staffel der schrägen Mystery-Serie beginnen. Die treue Fangemeinde hat lange darauf hin gefiebert.
2 Responses to “Fernsehen: Twin Peaks piekst 2016 wieder”
[…] Fernsehen: Twin Peaks piekst 2016 wieder […]
[…] Geschichte von David Lynch, dem Regisseur und Miterfinder der Serie Twin Peaks, die zwischen 1990 und 1991 Kultstatus errungen hatte (und mit einer Fortsetzung Anfang 2016 neu […]