Ich zeichne etwas, bin jedoch nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Ich zeichne es nochmal. Schon besser, aber noch nicht gut genug. Nochmal und nochmal. Ich zeige die Ergebnisse jemandem. Er fragt mich, wo die Unterschiede lägen, es sähe doch alles gleich aus.
Das, was man für eine Wiederholung hält, ist nicht immer das Repetieren des Gleichen. Künstler haben Themen und Motive, die sie im Sinne einer Variation wiederholen. Das ist nicht vergleichbar mit der erneuten Ausstrahlung der Serienfolge im Fernsehen (sofern sie nicht zensiert und geschnitten wurde :). Wiederholung ist das Feilen an einem Ergebnis, um einer Vision näher kommen, kurz, ein Prozess der Optimierung.
Innovation und Regression
Sofern es um die Verbesserung von darstellerischen Aspekten in einer Zeichnung geht, könnte man das einen Formoptimierungsprozess nennen. Das ist aber nicht in jedem Fall so. Tatsächlich kann ein Künstler seine Form gefunden haben und dennoch immer weitermachen, sein Motiv zu zeichnen. Damit würde er sich innerhalb eines Zyklusses im Prinzip wiederholen, ohne etwas wirklich Verbesserndes oder Neues hinzuzufügen. Dann wäre der Prozess keine Optimierung der Form mehr, sondern ein Verharren im Erreichten, unter Umständen sogar ein Stillstand, ein Rückschritt durch die Abwesenheit von Innovation, ein Abrutschen in die Regression.
Wiederholung als evolutionäre Kulturtechnik
Kinder lernen dadurch, dass sie etwas oft machen und wiederholen, eine Fertigkeit zu entwickeln und sogar erst auszubilden. Wiederholung ist hier nicht nur Wiederholung, sondern ein evolutionäres Wiederholen, bei dem die Motorik Schritt um Schritt verbessert wird. Wiederholung ist hier nicht die 100%ig exakte Wiederholung des Vorherigen, sondern kann die Kombination mit teilweise Neuem sein.
Addition kleiner Schritte bei Innovationen
In der Kunst können diese neuen Aspekte für den Betrachter schwer zu erkennen sein, vielleicht vermisst er die ganz großen Innovationen. Für den Künstler selbst kann sich Teilaspekt auf Teilaspekt schichten, bis er in der Folge sehr kleiner fast unmerklicher Additionen von Minimal-Innovationen auf etwas grundlegend Neues stösst.
Informationsflut und kreative Gegenreaktion
In unserem Kulturkreis der Informationsüberflutung ist die Repetierung von aufgenommenen Reizen und eine künstlerische Reaktion darauf übermächtig. Deshalb ist es in unserer Mixdekade nicht verwunderlich, dass vieles sehr direkt übernommen und adaptiert wird und die eigene künstlerische Schaffenshöhe mitunter nicht vorhanden ist. Das wäre die Schattenseite des Wiederholens als simple Adaption, als Formenklau, ohne der Form etwas eigenes hinzuzufügen.
Was also ist Wiederholung in der Kunst?
Wiederholung ist im besten Sinne eine Lern-Ritualisierung, sie führt zu Beständigkeit auf dem Weg der Innovation. Im negativen Sinne ist Wiederholung das Plagiat des Gestrigen, ein Abkupfern und Paraphrasieren ohne innovatives Einwirken. Der Musiker Prince jedenfalls singt in seinem Song Joy in Repetition: „There’s joy in repetition. She said love me, love me, what she say?“ Er hat zu Anfang seiner Karriere viel musikalisch Neues geschaffen und sich später in Eigenplagiaten und Wiederholungen verloren.
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