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Die Traumfrau

Traummann

Ein Mann wurde eines Tages von seiner Frau angesprochen, dass er nachts immer so wild träumen würde. Er selbst war verblüfft darüber, weil er nie etwas davon gemerkt hatte, er konnte sich an gar nichts erinnern.

Sie empfahl ihm, sich zukünftig ein Notizbuch auf den Nachttisch zu legen, in das er eintragen könnte, was er träumt, wenn er mal in der Nacht wach werden würde. Er schrieb hin und wieder hinein, oft nachts und im Halbschlaf. Danach schlief er wieder tief und fest ein. Etwa ein Jahr lang machte er das so aber kümmerte sich nicht weiter darum, auch weil er großen beruflichen Stress hatte und oft nicht wusste wo ihm bei 12-16-Stundentagen als Wertpapier-Broker der Kopf stand. Deshalb las er das dort Aufgeschriebene nie nach.

Erst als er krank geworden war und für ein paar Tage das Bett hatte hüten müssen, kam er dazu. Nachdem er sich etwas erholt hatte, las er das Büchlein in seiner Gesamtheit durch – und war abermals erstaunt.

Zunächst darüber, dass er das, was da geschrieben stand, verfasst hatte. Es waren sein Heft und seine Schrift aber er konnte sich nicht daran erinnern, das niedergeschrieben zu haben, absolut nicht. Er zweifelte aber auch nicht daran. Nur hatten ihn seine ureigensten Gedanken kalt erwischt. Denn er las seine Texte wie ein Fremder, der auf eine verstörende Reise ins Innere und Privateste einer anderen Person aufbricht.

Erstaunt war er auch deshalb, weil ihm die Träume seltsam vorkamen. Der eine Teil der niedergeschriebenen Momentaufnahmen, verbalen Skizzen, Traumsequenzen und Beschreibungen ganzer Träume war wie zu erwarten chaotisch-surreal und unzusammenhängend wie Träume eben waren. Der andere Teil spaltete sich in zwei sich ähnelnde thematische Stränge auf, die einen engen inhaltlichen Zusammenhang aufwiesen.

In dem einen der beiden Stränge, die eine Einheit bildeten, kam ein Mann vor, dessen Träume seine eigentliche und wahre Realität waren. Er war also nicht real da, sondern existierte virtuell-ätherisch nur in diesen Träumen, was ihm aber nicht bewusst war. Das, was er für sein reales Leben hielt, waren Traumsequenzen – ohne die er nicht vorhanden gewesen wäre und kein Leben gehabt hätte.

Ein weiterer Mann konnte im anderen Teil des Stranges nur träumen, wenn er wach war. Immer, wenn er nicht schlief, also seinem ganz normalen Leben nachging, war all diese vermeintliche Realität lediglich eine Traum-Projektion. Diese Träume hatten aber nichts Verschrobenes oder Seltsames, sie waren normal und ganz herkömmlich wie ein Lebensalltag es normalerweise war, während sein tatsächliches Leben nachts, wenn er traumlos schlief, stattfand und surreal, unlogisch und unvorhersehbar war.

Als der Mann, der das Traumtagebuch geschrieben hatte, mit seiner Frau darüber reden wollte, weil er ganz durcheinander und aufgeregt war, bemerkte er an ihr etwas, das er nicht einordnen konnte, als hätte sich ihr Verhalten geändert und sei irgendwie künstlicher geworden. Nach dreizehn Jahren des gemeinsamen Zusammenlebens empfand er sie plötzlich als fremdartig und irreal.

Er dachte nach: Wenn das, was er geträumt hatte, in irgendeiner Form wahrhaftig wäre, hätte dieser Augenblick und der Wunsch, mit seiner Frau zu reden, lediglich ein Traum sein können oder eine Art Traumspiegelung ohne reale Grundlage. Alle Liebe, die er gemeint hatte, ihr all die Jahre entgegengebracht zu haben, könnte eine reine Fiktion gewesen sein, wie auch die Liebe selbst und an sich nur eine Ausgeburt von Wille und Vorstellung hätte sein können – im Grunde nicht viel mehr als ein flüchtiger Wunschtraum.

Er betrachtete seine Frau, die gerade ihren Plan für den morgigen Tag schrieb, eingehend und entschied sich dann dazu, nichts zu sagen, lieber zu schweigen. Ab da veränderte sich sein ganzes Verhalten. Er konnte sich – gedanklich und gefühlsmäßig endlos zwischen Traum und Realität hin und her wankend – nicht mehr für eines von beiden entscheiden: zu reden oder zu schweigen und verharrte so in einem Zustand, in einem Zwischenreich, den der Arzt mit einem endlosen Traum verglich. Man hörte den Mann nie wieder ein Wort von sich geben, noch konnte man erkennen, dass er in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen.

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