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Imaginatives Zeichnen: Wie ein Illustrator mit visuell evozierenden Assoziationsketten rasselt

Zeichenform

Ich will etwas zeichnen. Es soll ein Umriss werden, eine Silhouette. Es sind Formen, die ein Gesicht im Profil ergeben sollen. Es soll eine dicke Aussenkontur und innen verlaufende Linien geben.

Ich wähle einen Lamy Dialog 3-Füller mit breiter Feder, einen Montblanc-Füller für die mitteldicke Linie. Er hat eine zwar breite aber angeschrägte leichte Kalligrafiefeder, die je nach Haltung (also Winklung) unterschiedlich modulierte Strichführungen ermöglicht, und einen sehr leichten Keweco-Kurzfüller.

Wie muss sich ein Zeichengerät anfühlen?

Es spielt eine grosse Rolle beim Zeichnen, wie sich ein Schreibgerät anfühlt. Der Lamy ist schwer, metallen und glatt. Er liegt gut in der Hand. Der Montblanc und der Kaweco sind aus hochwertigem Kunststoff. Der Kaweco ist ein Kurzfüller mit feinem Strich, dessen verdickte Kappe man vorne abschraubt und hinten wieder anschraubt, um die richtige Länge zum Schreiben und Zeichnen zu erhalten. Eine Rolle spielt noch das Material der Feder: Mit Gold zeichnet es sich besonders weich. Der Kaweco kostet nicht viel und hat deshalb eine härtere Feder. Aber er zeichnet tadellos.

Das Zen des Tintenflusses

Ich lege noch einen Inky von Pelikan zur Sicherheit daneben. Beim Zeichnen geht es um einen kontinuierlichen Tintenfluss. Jedes Stocken dieses Flusses, jedes Kratzen einer Feder nerven und verhindern, dass die Zeichnung schnell und aus einem Guss aus dem Kopf, über die Hand auf das Papier übertragen wird. Manchmal lege ich den Füller zur Seite und nehme den Inky. Es gibt kaum ein Zeichengerät, das besser und kontinuierlicher läuft.

Füller und die Sexualität des Zeichnens

Ich beginne und zeichne, was in meinem Kopf strukturell vorvisualisiert bereits vorhanden ist. Aber nicht etwa die komplette Zeichnung ist dort vorhanden, sondern entweder ein Gefühl für einen Ausdruck oder eine Art Anmutung oder Konzept. Ohne dass das greifbar wäre oder ich konkret sagen könnte, was ich da im Kopf habe, ist es für mich da, als wäre alles fertig. Vielleicht wie bei einer Mutter kurz vor der Niederkunft. In mir ist ein starker Drang, dass das, was in mir ist, heraus muss. Fast schon ein sexueller Akt.

Was soll das sein?

Ich bin fertig. Was habe ich gezeichnet? Ein paar Linien. Eigentlich ein Nichts. Es sind geschlossene Formen, die ein Gesicht abbilden könnten. Der Betrachter erfasst die Linien, und sofern er etwas darin erkennt, ordnet er ihnen Inhalte zu. Meine Formen sind Seelencontainer. Jeder sieht etwas anderes darin, jeder befüllt sie mit seinem Leben. Es ist ein interaktives Spiel zwischen Zeichner und Betrachter. Eine meditative Wahrnehmungsinterpretation.

Nachbemerkung: Die Unterschiede bei Zeichengeräten

Wie in allen Bereichen des Lebens geht es bei den Gerätschaften für das Zeichnen oft um Standesdünkel und Selbstbild. Wobei viele Zeichner heute digital am Bildschirm oder Tablet oder mit vergleichsweise günstigen Filzstiften zeichnen. Filzstifte liegen generell nicht gut in der Hand. Sie sind diesbezüglich nicht im Ansatz mit einem Füllfederhalter vergleichbar. Manchmal wiegt das Schreibverhalten aber alles andere auf, wie am Beispiel des Inky bereits beschrieben. Er zeichnet so gleichmäßig, dass es mir egal ist, dass er ohne aufgesteckte Kappe zu kurz ist und auch zu dünn. Ich mag Schreibgeräte, bei denen ich etwas in der Hand habe, die also dicker sind als ein herkömmlicher Bleistift oder ein Buntstift. Auch das Gewicht hatte ich als Kriterium bereits genannt. Das Entscheidende ist aber das Schreibverhalten. Teure Füller können tendenziell länger liegen bleiben, haben hochwertigere Federn, kratzen also nicht auf dem Papier und haben einen sehr kontinuierlichen Tintenfluß. Die Investition lohnt also, weil bei ihnen viel Positives zusammenkommt. Andererseits kann man einfache Füllfederhalter finden, wie die normale Serie von Lamy oder der erwähnte Kaweco, die nicht viel kosten und dennoch Gutes bieten. Dabei ist aber gerade beim Zeichnen zu beachten, dass, je spitzer die Feder ist, sie mehr Probleme macht und dass man nach Möglichkeit hochwertiges Papier verwenden sollte. Man sollte also Federstärken wie „M“ (mittel) oder „B“ (breit) wählen oder muss in den sauren Apfel beißen, bei den dünnen Linienstärken „F“ (fein) oder sogar „EF“ (extrafein) den Füllfederhalter öfter zu reinigen und speziell die Feder durchgängig sauber zu halten und zu pflegen. (Solche) Füller sollten in kalkfreiem destillierten Wasser eingeweicht bzw. damit gereinigt werden.

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