Ich stehe unrasiert und nur im Slip am Herd. Die Zigarette in meinem Mundwinkel nuschelt zu meinem zeitungslesenden Besuch rüber: „IchmachRühreier.“ Der runzelt die Stirn. „Neee, zuviel Cholesterin.“ – „Wa?“ Meine Zigarette runzelt jetzt auch die Stirn. Ich gehe an den Kühlschrank und hole auch noch die restlichen Eier raus. „Dann mach ich alle, dann sterben wir direkt und sind raus aus der Scheiße.“ Mein Besuch nickt. Er weiß, dass es keinen Sinn hat, mit mir zu diskutieren. Generell nicht.
Die lange Asche fällt ins Spülbecken. „Und dazu den guten Südtiroler Speck.“ Ich brate die ganze Oversized-Packung an und zehn von den zwölf Eiern – während ich mit dem Zigarettenstummel die nächste Zigarette anzünde. „Scheiße“, sag ich. „Keine Hugos mehr“, mit Blick auf die Zigarettenpackung, in der mich zwei depressiv verkrümmte Ziggies verschüchtert anblicken.
Ich mache Rührei von 10 Eiern. Dazu koche ich noch zwei Eier. „Gekochte Eier im Rühreimantel“, nuschle ich mit zusammengekniffenen Augen, weil mir der Zigarettenrauch wie ein japanisches Zwiebelmesser in die Augen schneidet. „Und das alles im Speckbad“, sagt mein Besuch irgendwie noch nuschliger als ich, auch wenn das kaum möglich scheint. Ich gebe die Eier auf zwei Teller und lege zwei übergroße Croissants dazu, mit richtig dick deutscher Markenbutter und mit als Quittengelee getartem 100%-reinem Zuckerschleim.
Wir wachen im Krankenhaus wieder auf. Ein bestimmt garantiert veganer Arzt schein ein Fremdwörterlexikon auswendig gelernt zu haben und rezitiert es vollends unbetont in meinem Krankenzimmer. Vielleicht hat er gleich die Praktikantenprüfung. Erst hinterher erfahre ich, dass das meine Diagnose gewesen war.
Unser Adernsystem ist nach dem Cholesterinschock unbrauchbar geworden. Alles völlig verstopft. Wie ich erfahre, wird bei der nun anstehenden OP die Nase aufgeschnitten und dann greift sich ein Arzt, der von der Statur her in einem David-Fincher-Film Das Beil von Wandsbeck spielen könnte, eine Grippzange, packt damit das Adernknäuel, das hinter der Nase zusammenläuft, und reisst es mit einem Ruck komplett bis auf die letzten Kapilare aus dem Körper. Es wird vollständig ersetzt durch ein synthetisches aus Silikon.
Ich muss dazu einen telefonbuchdicken Vertrag unterschreiben. „Ein ganz normaler Vorgang“, wie der Chefarzt meint und „lesen Sie sich alles in Ruhe durch.“ Ich merke aber, dass ich kein Wort lesen kann, weil die Schrift in 3 Punkt gesetzt ist. Und die Schwester hatte vorher meine Lesebrille „zum Reinigen“ mit einem Augenzwinkern hin zum Chefarztpraktikanten weggeholt. Sie bringt sie erst wieder, als ich unterschrieben habe. Als ich beim Arzt moniert hatte, dass das nicht lesbar sei, hatte er mich gefragt: „Sie wollen doch leben?“ Also hab ich unterschrieben. Bei der Visite sind außer dem Chefarzt ein Pulk von Pharmavertretern dabei, die mich mustern wie ein seltsames Tier und sich auf Formularen mit der Überschrift Versuchsreihe soundso Notizen machen. Außerdem Mark Zuckerberg, der sich für Facebook die Liveübertragungsrechte der OP gesichert hat – wie ich später erfahre für einen dreistelligen Millionenbetrag aus dem Portemonnaie seiner Aktionäre. Passieren kann mir nichts, die NSA überwacht ja dann die komplette OP.
Die Tür geht auf. Ein Praktikant rollt einen 3D-Drucker herein. „Für das neue Adernsystem“, meint er und beginnt es auszudrucken.
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