Harry litt darunter, dass ihm mit zunehmendem Alter die Haare ausgingen. Er sann über eine Strategie nach, dies auszugleichen. Denn die Haarlosigkeit war haart für ihn. Infrage kam eine Überkämmfrisur, bei der er mit einigen wenigen langen Haaren, die kunstvoll von einem Scheitel direkt über einem der beiden Ohren ausgehend, die kahlen Stellen verbergen mochten.
Eine andere Möglichkeit wäre eine Vollglatze gewesen, ausgeglichen durch einen Voll- oder Oberlippenbart. Und zuguterletzt wäre eine Kurzhaar-Mecki-Frisur in Betracht gekommen, ergänzt um weit ausladende Koteletten als Backenbart.
Harry dachte nach. Zunächst wollte er an seinem Image feilen. Er hatte in die Offensive zu gehen und benannte sich deshalb als erstes in „Haary“ um. Dann ließ er sein Haus mit einer Wärmedämmung versehen, die aussah, als hätte man seine Hausaußenwand mit einem Fell überzogen. Haary hatte Geld. Er kaufte sich einen und dann noch einen Friseursalon. Später sollten es noch mehr werden. Seine Salons nannte er „Haary’s“. Dann fügte er seinem öffentlichen Auftritt einen Slogan hinzu: Unsere Glatzen sind Frisuren.
Haary liess sich eine Glatze scheren, trug Koteletten und einen gestutzten Vollbart und niemandem fiel mehr auf, was er vorher als Makel empfunden hatte.
Eines Tages kam eine Frau in seinen Fruseurladen, während er zufällig hinter der Kasse stand. Sie sah ihm nicht in die Augen sondern musterte seinen kahlen Kopf und fragte: „Führen Sie auch Perücken?“ – „Sie meinen einen Haarersatz oder ein Haarteil? Nein, das haben wir nicht.“ Sie starrte, während sie gesprochen hatten auf das, was ihm fehlte. Da fiel für Haary sein ganzes wohl konstruiertes Leben in einem Sekundenbruchteil in sich zusammen
Haary nannte sich ab da wieder Harry, stutzte den Haarwuchs seines Hauses täglich, sodass die Fassadenhaare nicht mehr zu sehen waren, stieß die florierende Friseursalonkette ab und investierte in die Stahlbranche, bei der er es ausschließlich mit glatten Oberflächen zu tun hatte.