Gesichtsältester

Sein Gesicht besteht aus Klebezetteln. Diese Art Zettel, die einen Klebestreifen an einer Seite haben und die man überall hinkleben kann. Meist nachlässig gekritzelte Notizen, die einen an wichtige und unwichtige Sachen erinnern sollen. Oft übersehen, wertlos.

Seine Augen, sein Mund, ein dicker Stapel aufeinandergeklebter bunter Klebezettel. Er schaut herüber. Seine Zettelaugen treten hervor wie die Blüten fleischfressender Pflanzen. Sein Mund wie eine zum Klotz gewordene Origamizunge, die sich nach mir reckt und sich um meinen Hals legen will. Blitzschnell führt er den Stift mit seinen Händen über die Zettel, zeichnet, erschafft sich selbst. Bizarr. Linkes Auge, halb geschlossen. Rechts, starrendes Auge, fixiert und durchdringt mich. Der Mund, höhnisch lachend. Er reisst die Zettel ab, zerknüllt sie, wirft sie auf den Boden. Leeres Papier. Dann, beide Augen aufgerissen, verfolgen mich in ihrer Bewegungslosigkeit. Der Mund, ein Kussmund. Ich spüre süßlichen Atem. Wieder Papier am Boden. Beide Augen geschlossen, schlafend. Unter den Lidern, sich bewegende Augäpfel. Ein schreiender Mund, geöffnet im Albtraum. Seine Hände fliegen. Lösen die Zettel, zerknüllen, werfen weg, zeichnen neu. Tränen laufen hinunter, weichen das Papier auf, zerreissen es. Aus einem schluchzenden Mund kommt qualvolles Jammern.

Ich beuge mich hinunter, suche den Kussmund. Kann ihn nicht finden. So viel Papier, schaue hoch zu ihm. Alle Zettel sind aufgebraucht. Dunkle stierende Höhlen bleiben. Es ist alles gesagt.