Die Welt ist entweder ein offenes Buch oder eines mit sieben Siegeln. Die kommunikative Erwartungshaltung des modernen Menschen ist es, dass sich alles sofort offenbaren und von selbst erklären soll.
Dahinter steckt eine Erwartungshaltung der Unmittelbarkeit. Was man möchte, möchte man ohne Umwege und augenblicklich. Ohne Wartezeit oder umständliche Erklärungen, ohne Zwischenstopp, ohne Langfristigkeit, das heisst ohne einen Vorgang, der Zeit kostet.
Apps als Tools der Sofortigkeit
Das ist man gewohnt von den Apps, die nach kurzer Downloadzeit ihre Funktionalität sofort zur Verfügung stellen. Das ist man aber auch gewohnt von den großen Desktopprogrammen, mit denen man trotz ihrer Komplexität relativ schnell erste Ergebnisse erzielen kann. Insgesamt möchte man Alltagstechnologie – ob Rasenmäher, Automobil, MP-3-Player, Smartphone oder Tablet –, die am besten ihre ersten Funktionalitäten augenblicklich entfalten soll.
Komplexitätsreduktion als Oberflächenspannung
Komplexität soll einfach und ohne Hürden daherkommen. Die Welt soll ein sich selbst erklärendes Ganzes sein, etwas, das keine Hintertürchen oder doppelten Böden beherbergt. Keine langen Bücher mehr, Medienkonsum als Hintergrundrauschen, Storys und Menschen, die man sofort versteht.
Infantilität und Augenblicklichkeit
Dahinter steckt einerseits eine Anspruchshaltung, die moderne Technik auch tatsächlich einlösen kann, weil sie Abläufe beschleunigen kann, andererseits ist die Fiktion einer problemlosen Welt zutiefst infantil. Erwachsen zu sein, bedeutet den Dingen ihre Zeit zu geben und langfristig motiviert zu sein, auch ohne sofortige positive Verstärkung. Eine Welt, die sich selbst erklärt ist eine Welt ohne Tiefe und Hintergrunddimensionen. So leisten optimale Ergonomie und eine Kultur der Gebrauchsanweisung der kulturellen Unmündigkeit Vorschub.
One Response to “Tagebuch 29.12.2013: Das Prinzip des Selbsterklärens als Ausdruck von Semantikzappelei”
[…] wer er ist. Man kennt nur seine Bücher. Die aber sind bekannt. Unter den großen Autoren des postmodernen, intellektuellen Romans ist er eigentlich der einzige, der nichts zu befürchten hat. Er ist eine […]