Ich bin vorhin wie so oft über die Schienen zum Supermarkt gefahren. Da stand früher ein kleines Schrankenwärter-Häuschen mit einem Schrankenwärter drin. Seit vielen Jahren war da aber niemand mehr drin und irgendwann hat man das Häuschen abgerissen. Monatelang war ein Wachdienst da, der die Installation der sich selbst regulierenden ferngesteuerten Schrankenelektronik überbrückt und beaufsichtigt hat.
Heute ist niemand mehr da und die Schranken gehen automatisch herunter, nachdem vorher ein rotes Warnlicht aufgeleuchtet hat. Irgendwie bin ich ziemlich sicher, dass eines Tages etwas Schlimmes passieren wird, weil die Elektronik mal nicht funktionieren wird. Aber das nur nebenbei.
Der arbeitende Mensch: Ein Auslaufmodell
Ich habe mich gefragt, warum eigentlich dort niemand mehr arbeitet. Warum musste der Schrankenwärter maschinell ersetzt werden? Die Antwort liegt auf der Hand: Die Technik ist fortgeschritten und menschliche Fehlleistungen haben mancherorts zu Katastophen geführt. Warum also nicht ein System integrieren, das weniger Fehler macht und insgesamt einfach zuverlässiger ist? Eine rhetorische Frage. Aber es gibt noch eine Antwort, die eine weitere rhetorische Frage ist: Warum nicht etwas ändern, was weniger Kosten verursacht: Keine jahrzehntelangen Lohnkosten, keine Zusatzkosten im Krankheitsfall, keine Kosten für die Alterssicherung – denn all das braucht eine Maschine ja nicht.
Der Fahrkartenautomat: Dein Freund und Beinchensteller
Wer braucht das dann? Richtig! Ein Mensch. Ein Mensch ist also unzuverlässig und teuer. Das klingt jetzt polemisch. Tatsächlich spart die Deutsche Bundesbahn aber dadurch Kosten, dass sie den Schrankenwärter zum Mond geschossen hat. Und Kosten einzusparen ist das Gebot der Stunde. Niemand soll Geld zum Fenster hinauswefen, das wäre nicht richtig. Also arbeiten hier und da Maschinen anstatt Menschen. Das soll jetzt kein Artikel über die Deutsche Bundesbahn oder den öffentlichen Nahverkehr werden. Ich habe als Reisender aber trotzdem immer mehr mit Maschinen zu tun: Mit Fahrkartenautomaten oder aber mit Fahrkartenkontrollsystemen, die mein Ticket beim Besteigen eines Busses prüfen. Früher gab es dafür Fahrkartenkontrolleure und Reiseberater bzw. Fahrkartenverkäufer in den Reisezentren der Bahnhöfe der Bundesbahn. Ganz früher gab es sogar in jeder Straßenbahn jemanden, der Tickets verkauft hat. Reisezentren mit Mitarbeitern gibt es immer noch, aber es scheinen weniger geworden zu sein.
Die Bahn macht mobil: Wie man Geld Beine macht
Auch hier also Rationalisierung durch Maschineneinsatz. Warum? Auch wegen vermeintlicher Unzuverlässigkeit beim menschlichen Fahrkartenverkauf? Wohl nicht, denn die Automaten sind auch nicht immer zuverlässig. Nein, es werden Kostenaspekte sein. Denn Unternehmensberatungen predigen ja, dass standardisierte Massendienstleistungen möglichst standardisiert kostengünstig angeboten und abgearbeitet werden müssen – und wer kann sowas besser als Maschinen? Die Bahn wollte sich ja privatisieren und dann an die Kapitalgeber 3-4% Dividende ausschütten. Als man das aber durchgerechnet hatte, kam man zu dem Ergebnis, dass der Staat weiter subventionieren müsse, damit Die Bahn ihre Strecken und Züge instand halten und gleichzeitig Geld an ihre Aktionäre ausschütten könne. Eigentlich ein schlechtes Beispiel, weil die Bahn ja jetzt nicht komplett privatisiert ist, aber viele Aktiengesellschaften menschliche Arbeitsplätze vernichten und durch Systeme und Maschinen ersetzen. Oder dem Menschen maschinenähnliche Arbeitsbedingungen aufzwingen, damit die Aktionäre möglichst eine hohe Dividende erhalten können. Wer bekannt gibt, dass er Arbeitsplätze streicht erhält an den Börsen der Welt ein Lob, indem sein Kurs nach oben geht. Weniger Arbeitsplätze = Mehr Geld für die Aktionäre, so einfach lautet die Gleichung.
Zurücklehnen und sich wohlfühlen: Das Prinzip des arbeitenden Geldes
Ein Aktionär ist ein Investor. Er gibt einem Unternehmen Geld, damit es damit etwas schafft, das den Wert seines Unternehmens steigert, die Aktie also wertvoller macht und dem Aktionär darüber hinaus eine Dividende in Form einer Bonuszahlung verspricht, wenn die Geschäfte gut laufen. Dieses Prinzip könnte man „arbeitendes Geld“ nennen: Das Geld wird hinaus in die Welt geschickt, indem es sich vermehrt. Aber Geld vermehrt sich in Wirklichkeit nicht. Es wird nur umverteilt. Dass es in Deutschland inzwischen über eine Millionen Millionäre gibt, ist ein Treppenwitz der Weltwirtschaftskrise. Denn die hat das Geld mehrheitlich den Bevölkerungsteilen entzogen, die eher durchnittlich oder minderbemittelt sind und es an die weitergegeben, die besser gestellt sind. Und die Börsen belohnen die Vernichtung von guten, vollwertigen Arbeitsplätzen und bestrafen jenes Großunternehmen, das soziale Standards hoch hält.
Arbeitsplätze mit Selbstmordgarantie: Wie große Unternehmen Gutes tun
Es geht natürlich auch ganz anders, denn es gibt riesige Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen – allerdings in Billiglohnländern: Apple-Gadgets werden von Armen in China bei Foxconn hergestellt. Dass dort Arbeiter aus Verzeiflung Selbstmord begangen und vor den Fenstern der Fabrik Netze gespannt wurden, damit keiner mehr herunterspringt und das am Ende wieder eine schlechte Weltpresse gibt, weiß man ja inzwischen. Apple spart also das Geld an den nach unseren Maßstäben absurd unterbezahlten Arbeitern dort, steckt es in ein riesiges Sparschwein und schüttet es nach zugegebenermaßen langer Wartezeit an Aktionäre aus. Apple arbeitet daran, zwischen 2012 und 2015 100 Milliarden US-Dollar an Dividenden an die Aktionäre auszuschütten. Dabei ist nicht mitgerechnet, dass die Aktie selbst ja schon sehr viel wert ist.
Maschinen sind die besseren Menschen: Sie meckern nie
Was kann man aus all dem nun lernen? Die Zukunft gehört den Maschinen, denn die meckern nicht und organisieren sich nicht gewerkschaftlich, sie brauchen keine sozialen Standards und keinen Urlaub. Und wenn die Zukunft nicht den Maschinen gehört, dann den Armen der Welt, die man wunderbar unterbezahlen und in sklavenähnliche Zustände zwingen kann. Auch sie meckern nicht oder organisieren sich, sie bringen sich einfach um, wenn sie nicht mehr weiter können. Welcher feudale Konzernchef würde da nicht frohlocken? Selbstmord anstatt Aufstand. Es geht doch. Nur die blöde Weltpresse meckert noch, weil sie erst zum Teil maschinell überarbeitet worden ist. Immerhin bangen viele Traditionsblätter, weil ihnen die Kostenlosigkeit des Internet das Wasser abgräbt. Schaun wir mal.
Das soziale Gewissen: Ein Auslaufmodell
Währenddessen verliert man immer mehr aus den Augen, dass ein menschlicher Schrankenwärter irgendwie sozial verlässlicher wäre. Wenn sich jemand von Foxconn auf die Schienen legen würde, um sich umzubringen, weil er nicht mehr weiter könnte, würde der Schrankenwärter herauseilen und ihn davon abhalten. Aber der Schrankenwärter ist nun ein digitales System. Und das hat kein soziales Gewissen.