„Killing me softly“ scheint die aktuelle Kommunikations-Strategie von Microsoft zu lauten. Microsoft kritisiert Google’s Chrome scheinheilig. Zunächst aber: Was ist Google Chrome eigentlich? Und warum schert sich Microsoft darum?
Zum einen ein neuartiges Betriebssystem, das weit von dem weggeht, was man vom Desktop-PC kennt. Es ist aus der Sicht des Anwenders gesehen die Verschmelzung von Internetbrowser und Betriebssystem.
Erstens: Google Chrome OS, das Betriebssystem
Oder anders gesagt: Google Chrome ist ein Betriebssystem, das es bisher auf sogenannten Chromebooks gibt, Laptops, mit denen man ausschließlich ins Internet kommt und die auf alle anderen Desktopprogramme verzichten, die man vor allem von Microsoft sonst so kennt. Nutzen wird man auf Chromebooks die kostenlose Cloud-Office-Suite von Google im Google-Drive, dem zentralen Clouddienst. Eine starke Konkurrenz zu Microsoft Office, dem bisherigen Marktführer für Bürosoftware.
Zweitens: Chrome, der Browser von Google
Chrome ist aber auch der Name des erfolgreichen Google-Browsers, der immer mehr Marktanteile erobert. Und auf den bezieht sich die Shitstorm-Initiative, die das Video oben nahelegt. Was bisher geschah: Microsoft, das größte Softwareunternehmen der Welt, hat das Internetzeitalter weitestgehend verschlafen. Ein lahmer Internet-Explorer-Browser, der mal Marktführer war, die verspätete Einführung der Cloud, nachdem Google dort schon lange vorher mächtige Applikationen entwickelt hat und dann auch noch das Android-Betriebssystem, dass der de facto-Standard für mobile Devices geworden ist. Microsoft hat mit Windows 8 und dem dazu analogen Smartphone-Betriebssystem Windows Phone demgegenüber keine glückliche Hand bewiesen. Microsoft also als müder Riese, der sich zwar nach Leibeskräften überall einkauft, bei Yahoo zum Beispiel.
Google, Facebook, Apple, Microsoft
Google ist dem gegenüber das Unternehmen, das auf breiter Front das immer noch steinreiche und extrem ertragreiche Microsoft in die Defensive gedrängt hat. Und nicht Apple, das mit dem Personal Computer Macintosh, dem Betriebssystem MacOS und auch dem Browser Safari nur eine Nische inne hat und seine Milliarden auf anderen Feldern der Unterhaltungselektronik ernten konnte. Und bisher auch nicht Facebook, das sich mit Gewalt und einem geschlossenen System anschickt, Google die Werbemilliarden streitig zu machen.
Wachablösung: Google hüpft davon
Google hat gute Karten: Mit seiner marktdominierenden Suchmaschine, Diensten wie YouTube oder Maps, dem Mobil-Betriebssystem Android und dem Browser Chrome fühlt es den Puls des Massenmarktes. Zudem hat es nach zwei gescheiterten Social-Media-Anläufen mit Wave und Buzz endlich mit Google+ einen Fuß in die Tür der ganz persönlichen Kommunikation bekommen, bündelt dort nach und nach alle seine Dienste und schafft damit Facebook gegenüber Alleinstellungsmerkmale. All diese Dienste sind mit dem Web eng verwoben und für viele nicht mehr wegzudenken.
Zukunftsbringer: Betriebssysteme und Browser
Inzwischen ist der Microsoft Internet Explorer nicht mehr Marktführer – der er nach dem Browserkrieg mal war, vor allem weil er quasi im Bundle mit dem PC-Betriebssystem Windows vertrieben wurde. Nach der Verbreitung liegt der Internet Explorer hinter Firefox an zweiter Stelle und vor Google’s Chrome, aber wohl nicht mehr lange: Google’s Browser Chrome hat die rasantesten Zuwachsraten.Auch, weil Google über Android ein erfolgreiches Standbein im Tablet- und Smartphonemarkt hat und auch seinen Chromebrowser so in der modernen Welt der persönlichen High-Tech-Kommunikation zum Standard machen will.
Tracking: Google’s Schwachstelle
Microsoft, das sich plötzlich sehr oldschoolig ausnimmt, kam also auf die Idee, aus der Not, den Anschluß an die mobile Internetwelt verloren zu haben, eine kommunikative Tugend zu machen, indem man auf die große Schwachstelle des Rivalen Google verweist: Dass er den Datenschutz mit Füßen tritt und über die lückenlose Bestückung von PC, Laptop, Tablet und Smartphone jeden Nutzer tracken kann, das heißt, seine Aktivitäten und sein digitales Leben verfolgen kann. Google scheint das jedoch weit weniger hemmungslos auszuwerten als Facebook, an dem Microsoft Anteile hält.
Vom Micro-Saulus zum Soft-Paulus
Und Microsoft tut es schlicht deshalb nicht, weil es von gestern ist, nicht, weil es moralisch wäre. Richtig ist, dass jeder, ob Apple, Facebook, Microsoft oder Google, der dem Nutzer ein hard- und softwarewareübergreifendes digitales Ökosystem bieten kann, die Aktivitäten des Nutzers noch genauer dokumentieren kann. Softwaremässig bedeutet dreierlei: Das Betriebssystem, der Browser und die sonstige Anwendungssoftware, wie Büroapplikationen. Google macht dies, um seine Werbung zielgruppen- und personengenau platzieren zu können, das Gebahren von Facebook geht weit darüber hinaus. Google platziert in seinem sozialen Netzwerk keinerlei Werbung, ist bei der persönlichen Datenverwaltung und -Migration weitaus liberaler als Facebook und legt auch auf Datenschutz wert. Letztlich zählt aber, wer wie den Nutzer beim Surfen beobachten und verfolgen kann. Denn nur so erhält man Zugang zu seinen Vorlieben und kann ihm die richtige Werbung vor die Nase setzen.
Verkehrte Welt: Feigenblatt Datenschutz
Natürlich ist Datenschutz als Maßstab auf Großkonzerne angewendet bisher für den Verbraucher und Nutzer immer ein Witz gewesen, aber Microsoft gibt den Wolf im Schafspelz: Hätte es gut aufgepasst, würde es jetzt selbst gerne tracken. Dass das so ist, konnte man 2002erfahren: Microsoft bekam damals den Negativ-Preis „Big Brother Lifetime-Award“, wegen Kontroll- und Überwachungsmechanismen im Zusammenhang mit dem Digital Rights Management (DRM) und wegen des Ausspionierens der Computernutzer über den Microsoft Media Player, Microsoft SpyNet und die Virensoftware Microsoft Security Essentials. Und im Moment wird darüber gemutmaßt, was die Xbox One von Microsoft alles so im Kinder- und Wohnzimmer ausspioniert. Wenn da mal nicht das Google-Bashing nach hinten losgeht.