Geht man mit offenen Augen durch die Welt und betrachtet man die Kunst, bietet sich ein ambivalentes Bild. Ob dieses oder jenes Kunst sei, ist heutzutage natürlich gar nicht mehr so leicht zu sagen. Denn schon allein der Kunstbegriff verschwimmt vor dem geistigen Auge, obwohl er in vergangenen Zeiten wie selbstverständlich viel mit auch technischem Können zu tun hatte. Wer die Technik beherrschte, hatte alle Möglichkeiten, seiner Kunst den genau richtigen Ausdruck zu geben. Heute sind Ausdruck und Inhalt alles, während Form und Technik mitunter zweitrangig sind.
Kunsthandwerk: Vermittler zwischen Kunst und Handwerk
Alles aber, was die Zugänglichkeit auf den ersten Blick verweigert, kann entweder genialisch mit den überkommenen Sehgewohnheiten brechen – sofern unsere Sehgewohnheiten überhaupt noch irgendeine medial längst abgeschliffene Zumutung mal ausnahmsweise nicht mehr ertragen können – oder aber eine Scharlatanerie sein. So die landläufige Meinung, die ebenfalls entweder von größtmöglicher Sachkenntnis oder bestürzender Unkenntnis künden mag. Wie schwierig es doch geworden ist, offen zu sein für die Kunst. Weniger schwierig jedoch ist es, ein gelungenes Handwerk zu erkennen oder ein Kunsthandwerk.
Bronzeguss: Die Synthese von Handwerk und Kunst
Das alte Verfahren des Bronzegusses, dessen Vorläufer es bereits seit fast 6.000 Jahren gibt, kann sozusagen der Steigbügelhalter der Kunst sein. Sofern seriell gefertigt, muss jedes Stück, das oft für mehrere tausend Euro verkauft wird, dem strengen Blick des Künstlers und seiner Bewunderer standhalten. „Das Handwerk“ – das sind bei der seriell hergestellten Skulptur zum Beispiel Gusstechniken, die die Erstellung einer Form beinhalten, der in teils sehr aufwendigen Verfahren die Serien-Produktion abgerungen wird. Handwerk und Technik setzen um, was der Künstler geschaffen hat. Das kann kitschig oder profan sein, designmässig daherkommen und tatsächlich von künstlerischem Impetus künden. Das Handwerk bleibt, was es ist: Ihm sieht man zweifelsfrei an, ob es sein Qualitätsversprechen halten konnte oder nicht. Der Wirkungsgrad der künstlerischen Ausgestaltung hingegen liegt weitestgehend im Auge des Betrachters.
Kooperation: Der Künstler als Partner des Handwerkers
Betrachtet man diesen Hybriden aus im besten Fall Kunst, Handwerk und oder Kunsthandwerk fällt eines wieder auf: Im Zeitalter der technischen Nichtkönnerschaft, in der der Künstler sich manchmal in der Position eines Art Directors oder Creative Directors wiederfindet und wiederrum Handwerker seine Arbeit umsetzen lässt (gerade im Bereich der Skulptur und Plastik oder bei kinetischer Kunst), wirkt Handwerk in all seiner Bodenständigkeit wie etwas, an das man sich halten, an dem man sich orientieren kann. Etwas, das man einschätzen und beurteilen kann, auch wenn dieser Schein trügt, denn welcher Laie will schon einen Bronzeguss kompetent beurteilen können? Dennoch: Wo man die Kunst mitunter nicht einschätzen kann, wo sie zum dekorativen Gegenstand in den eigenen vier Wänden wird, da trotzt das Handwerk einer Nicht-Beurteilbarkeit.
Hybrid-Technologie: Luigi Colani zwischen Kunst und Design
Die Disziplinen Kunst, Kunsthandwerk, Handwerk und Objekt-Design gehen heutzutage interessante oder profane Synthesen ein. Manchmal möchte ein dekoratives Designobjekt so tun als sei es mehr als das und manchmal geht wahre Kunst in ihrer visuellen Sprödheit in einer Welt des medialen Eye-Candys unter. Wenn ein Lugio Colani eine nackte Schöne formt und ihr jene Rundungen verleiht, die sein Industriedesign bekannt gemacht haben, dann nimmt man ihr ab, dass der Meister der Formensprache auch bei ihr auf der Suche danach war, was die optimale Form für den weiblichen menschlichen Körper sein mag. Natürlich ruht auf ihr der Männerblick des Designers, der Schönheit will. Schönheit, die der Wahrheit der Welt widerspricht? Der Bronzeguss mag jenseits des Handwerks eine Kanonisierung des Trivialen bedeuten. Denn was so aufwendig hergestellt wird, muss doch auch einen idellen Wert haben – könnte man meinen.
Tabus: Wo der Männerblick beginnt und die Provokation endet
Und überhaupt: Wo beginnen Voyerismus oder Prüderie? Wo findet das Ringen des Schöpfers einer Skulptur in der Originalität seiner Formensprache und in ihrem Ausdruck ihre Entsprechung? Wo ist der Blick auf eine nackte Frau nur einfach naturalistisch-langweilig oder sexistisch und wo andererseits würde eine gezielte Provokation durch Nackheit lohnen und gerechtfertigt sein? Eine Gradwanderung innerhalb der Kunst der Betrachtung. Früher, als man sich ganz einfach provozieren ließ, weil es deutlichere Tabus gab, war alles einfacher.
Handwerk: Das weiß man, was man hat
Zwischen Gartenzwerg, religiöser Symbolik, menschlichen Körpern und abstrakten Wülsten ist die Spannbreite des seriellen Bronzegießens riesengroß. Auf das alte Handwerk ist dabei Verlass, die Kunstwerkdefinition ist hingegen eine vielschichtige und unsicherheit verbreitende Auseinandersetzung – gerade wenn es um das Serielle geht, dem Pop-Artisten wie Andy Warhol einen besonderen Platz in der Kunstwelt frei geräumt haben – oder ein alter Hut. Sie mag enttäuschen oder Hoffnung bieten. Allein: Das Bronzegießen als Handwerk bleibt, was es ist.
Im Video: Die Herstellung einer Skluptur im Gussverfahren
Die Herstellung von Skulpturen im Bronzegussverfahren ist alles andere als trivial. Verschiedene komplizierte Arbeitsschritte brauchen zur fachgerechten Umsetzung viel Erfahrung und Akribie. Dabei entscheiden Komplexität und Detailreichtum der Skulptur darüber, welches Gussverfahren zur Anwendung kommt. Im Video kann man vereinfacht sehen, wie eine Skulptur entsteht und danach seriell gegossen wird. Dabei werden die Abläufe gerafft und vereinfacht dargestellt. Auch hat die Skluptur im Video nichts mit Kunst zu tun. Privatfernsehen goes arty halt…