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James Bond-Premiere in London: Skyfall, der perfekt unperfekte 007

Daniel Craig: Als James Bond gibt er mit unerreichter Physis, die seine Vorgänger im Laufe der Jahre immer mehr erbleichen läßt, weil sie in seinem Schatten keine Sonne kriegen, den Schmerzensmann.

Für den Jubiläums-Bond haben sich die Produzenten Saltzman & Brokkoli nicht lumpen lassen. Ein Regisseur ersten Ranges, ein Titelsong der alten Schule und ein Marketingaufwand, gegen den der Red-Bull-Space-Jump eine Undercover-Mission ist. Kann der Film da überhaupt noch mithalten?

Skyfall: Britania feiert Bond

London ist im Bondfieber. Die typischen Doppeldeckerbusse karren zwar wie eh und je Touristen zwischen Westminster und Tower hin und her, auf jedem Zweiten prangt jedoch ein überdimensionales 007. Selbst am Piccadilly-Circus zeigt sich die gigantische Leuchtreklame im Agenten-Look. Skyfall allüberall.

Eine Reise, die ist luftig: Vielleicht, weil James Bond ein paar Löcher in den Bus geballert hat. Hier in London ist Gewalt nicht nur elegant sondern auch Begleiterscheinung des öffentlichen Nahverkehrs.

Der Himmel fällt – dank Social Media-Desaster

Freitagabend geht im IMAX das Licht aus. Auf der größten Leinwand Großbritanniens erscheint der größte Held des Empires, Commander James Bond. Der Mann mit der Lizenz zum Töten jagt zum 23. Mal dem Bösen hinterher. Die Bedrohung ist dieses Mal allerdings hausgemacht. Peinlicherweise wurde dem MI6 eine Festplatte mit den Identitäten aller britischen Agenten gestohlen. Die Namen erscheinen häppchenweise auf YouTube. Wo sonst?

Mit Vollgas ins 50. Jubiläum

Bereits in den ersten fünf Minuten geht Skyfall in die Vollen: Auf eine Motorradjagd (very bond!) folgt eine Schlägerei auf einem fahrenden Zug (so very bond!) und dann wird Agent 007 auch noch von einer unbedarften Kollegin erschossen (how very bond-girl!). Untermalt von Geigen und Trompeten stürzt James Bond erst die vermutlich größte Zugbrücke der Türkei dann mindestens den größten Wasserfall der Welt hinunter und ist tot. Vorerst. Zum Glück wissen wir beim 23. Bond-Movie, dass der Mann noch mehr Leben als Berlusconi Legislaturperioden hat und nach dem sehr gelungenen Vorspann wieder auferstehen wird – vorzugsweise im Bett einer exotischen Schönheit. Und so kommt es dann auch.

Die James-Bond-Ikonografie: Niemals gibt er sich geschlagen, selbst am Boden bleibt er wehrhaft. Das 007-Symbol ist verschmolzen mit der Waffe. Gewalt und Leidenschaft – keiner der bisherigen Bond-Darsteller hat soviel dafür gearbeitet wie Daniel Craig.

Zum Showdown nach Schottland

Es folgt ein moderner Actionthriller mit vielen Rückbezügen zur guten, alten Zeit. Zwar lebt das Bond-Girl überraschend kurz – ein Beweis für Bonds nachlassende Fähigkeit zur Allmacht – dafür gibt es aber einen gewieften Q-2.0, der Bond sogar fragt, ob er etwa immer noch explodierende Kugelschreiber erwartet. Die übertechnologisierten Gadgets der Brosnan-Zeiten wurden dankenswerter Weise ad acta gelegt. Sean Connery darf sich vermutlich bei dem Showdown in seiner Heimat ganz besonders gegrüßt fühlen: „Welcome to Scotland“ heißt es knapp, bevor Bond’s Familiensitz in Schutt und Asche gelegt wird.

James Bond: Old dog, new tricks

Skyfall schlägt „Ein Quantum Trost“ um Längen und kann mit Fug und Recht als würdiger Jubiläumsfilm in die 007-Ära eingehen. Regisseur Sam Mendes schafft großartige Bilder. Die Skyline Shanghais und die Dächer Londons beeindrucken ebenso, wie die eindringlichen Nahaufnahmen des mittlerweile abgehalfterten Helden. Geschickt schlägt der Film die Brücke zwischen dem glatten Mythos 007 und dem neuen James Bond, der sich seit Daniel Craig kräftig die Finger schmutzig macht und einiges an Prügel einsteckt. „Old dog, new tricks“ ist das Zitat des Abends. Die alten Tricks ziehen in Skyfall zwar immer noch, müssen sich aber ganz schön anstrengen, den neuen Ausmaßen des Bösen gerecht zu werden.

Wenn es Nacht wird in London, wird unsere London-Korrespondentin aktiv und leuchtet James Bond/007 heim.

„M“ wie „Moneypenny“

Thomas Newman, der schon bei Mendes‘ ersten Kinofilm „American Beauty“ für die Musik sorgte, inszeniert Skyfall mit dem bekannten Bond-Sound. An mancher Stelle wären die Bilder allerdings auch mit weniger Pomp ausgekommen. Die Story weist zwar Lücken auf, die gehören aber zu einem echten 007 wie der Aston Martin. Der wird zur Freude aller Bondistas übrigens auch aus der Garage geholt. Ein Wiedersehen mit Judy Dench als weiblichen M wird es in Anbetracht der filmischen Umstände wohl nicht mehr geben. Dafür ist Miss Moneypenny endlich zurück, auf die Daniel Craig als 007 bisher verzichten musste. Wir sind daher sehr erleichtert, als wir ganz am Ende die allerwichtigste Botschaft lesen: James Bond will return!

Alles vom Feinsten und doch ein Etikettenschwindel: Regisseur, Bösewicht, Hauptdarsteller und die Action waren bei einem Bond nie so gut wie heute. Doch Daniel Craig gibt mehr den Fleisch gewordenen, aus dem Tritt geratenen und geschundenen Terminator innerhalb der modernisierten aber ewig gleichen kalkulierten Erzähl-Muster.
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