In den 90er Jahren gab es eine TV-Serie mit dem klangvollen Namen „Zwei Münchner in Hamburg“. Uschi Glas und Elmar Wepper sorgten für Wohlfühlfernsehen, das bis heute unerreicht ist. So ähnlich stellte ich mir meinen Selbstversuch vor: „Eine Kölnerin auf dem Oktoberfest“. Von wegen Wohlfühlfernsehen…
Als Wahlkölnerin sind mir tagelange Sauffeste mit schlechter Musik und sinnlosen Kostümen durchaus geläufig. Ich kann da eine Menge Spaß haben. Der Spaß vergeht beim Oktoberfest aber schon beim Anziehen. Ich kann zwar nicht sagen, ob so eine Lederhos’n juckt und kneift, aber in einem Dirndl bekommt der Begriff „Atemfreiheit“ noch mal eine ganz neue Dimension. Spätestens nach 15 Minuten Dirndl hat das Gehirn einen Zustand erreicht, den ich als Ungeübte für einen kostenlosen LSD-Trip halte.
Für alle, deren Wissen über die bayrische Kultur ebenso fortgeschritten ist wie meines: Das Oktoberfest ist eigentlich nichts anderes als eine große Kirmes, angeblich die größte der Welt. Daher gibt es sogenannte Fahrgeschäfte. Im Oktoberfest-Jargon meint man damit Achterbahnen, Kettenkarussels und deren Millenium-Versionen. Gerade bei letzteren stockt einem dank einer Belastung von bis zu 3G sowieso in den meisten Fällen der Atem. Ein Dirndl ist daher eigentlich genau die richtige Kampfausrüstung für diese Höllentrips. Wer die überlebt und immer noch lächelt, bekommt zur Belohnung ein Lebkuchenherz umgehängt. Eine schöne Tradition, aber alles wenig karnevalesk.
Für Exil-Karnevals-Jecken sind die Zelte schon eher etwas – so könnte man meinen. Die Zelte sind berühmt: Bei Käfer und im Hippodrom treffen sich die Promis zum Bussi-Bussi machen. Das kennt man aus der Bildzeitung. In den übrigen Zelten, zu denen ich im 1-2-3-meins-Dirndl Zutritt hatte, stehen das gemeine bayrische Volk und alle Touristen, die sich als solches verkleiden, auf Bänken und versuchen zu tanzen. Und zwar alle. Wer keinen Platz auf der Bank abbekommt, steht dumm rum und muss sich damit abfinden, den Rest des Abends auf Bauchnabel zu gucken.
Das Bänketanzen funktioniert bei den Bayern erstaunlich lange, aber speziell nach mehreren Litern Starkbier doch nicht mehr allzu gut. Stramme Damen knallen dann regelmäßig mit dem Hinterkopf auf die angrenzende Tischkante und vom Bier beseelte bayrische Buben landen in den dazugehörigen ausladenden Dekolletés. Das kann als Betrachter durchaus Unterhaltungswert haben, aber dafür bräuchte es schon einige Maß, und die kann man als Rheinländer eigentlich nicht in ausreichendem Maße trinken. Immerhin entspricht eine Maß gleich fünf Kölsch.
Trotzdem gibt es einige Wiedererkennungsmerkmale, die dafür sorgen, das Profi-Jecken automatisch auf Karnevalsmodus schalten: Das Schunkeln beispielsweise. So schunkelte ich recht entspannt, auf meinen 28cm² Bank, als zu meiner Freude bekannte Töne erklangen: „Da simma dabei, dat is priiiimaaaa.“ Großartig! Karneval im Spätsommer. Wer muss schon atmen? Und das mit dem Bier kriegen wir auch noch hin. „Viiiiivaaaaaa Bavaaaariaaaa.“
Okay, also soweit geht es dann doch nicht mit der Völkerverständigung. Ich bin raus.