Ja, Scheisse: Gestern bin ich gestorben. Ich bin aber nicht im Himmel gelandet. Sondern in der Cloud. Ich blicke hinab nach unten. Dort, wo die Hölle sein müsste. Aber dort ist nur ein Tor zu sehen, auf dem ein Schild klebt. „Facebook“ steht darauf.
Ich blicke zur Tür, durch die ich in die Cloud gelangt bin. Da steht „Google“. Aha. Wußt ich’s doch. Ich habe immer brav alle Google-Produkte genutzt. So konnte Google ein komplettes Profil von mir anlegen und wusste nach meinem Tod sofort, wo ich hingehöre.
Ich wache schweißgebadet auf. Scheisse. 6 Uhr Früh. Mein Android-Handy schellt unentwegt. Muss aufstehen. Dann schellt es auch noch an der Tür. Ein Mann fragt, ob hier Haus Nr. 3a sei. Ich sage nein. Ist aber nichts Unnormales. An meinem Haus ist nämlich keine Nummer. Der Mann geht. Ich sehe wie er in einen PkW steigt, an dessen Vordertür in kleinen goldenen Klebebuchstaben der Name eines Beerdigungs-Institutes steht. In der Nachbarschaft ist jemand gestorben.
Jetzt muss wieder an Google denken. Ich fühle ich mich – hier in der realen Welt – aber doch ziemlich sicher. Denn Google weiß soviel über mich, dass mir praktisch nichts mehr passieren kann. In der alten Welt hätte ich zum Beispiel Angst um meine Tagebücher haben müssen. Zum Beispiel, dass es einen Wohnungsbrand gibt und alle meine intimen Aufzeichnungen für immer weg sind. Nun sind sie aber alle in der Cloud. Und falls ich mal wahnsinnig werden sollte, völlig bescheuert und durchgedreht, dann wird Google es richten, schnell mal meine Tagebücher scannen und den Grund für meine Psycho-Mutation ermitteln. Per GoogleMaps wird es mir den schnellsten Weg zur nächsten und höchsten Brücke weisen, von der ich zielsicher springen kann, um in die Cloud zu gelangen.
Gesagt, getan. Ich sprinte zum Brückengeländer. Steige drauf. Schwanke im Wind. Gerade als ich springen will, fährt unten ein Schiff vorbei: Die „MS Facebook“. Ein langer Daten-Container-Transporter, der noch unendlich viel tiefer im Wasser liegt als die Cloudwolken hoch sind. Ich halte inne. Das Android-Handy klingelt.
5 Responses to “Cloud-Sterben: Als ich Google irrtümlich mit Gott verwechselte”
„falls ich mal wahnsinnig werden sollte“
Sollte man verhindern können. Lass uns in der realen Welt mal ein Bier trinken gehen. Das rückt einiges, das durch Deine digitalisierte Dauerexisten verrauscht wurde, wieder gerade.
Gruß
M.
Sehr, sehr cooler Text. „I like“ ;)
@Manni: In der realen Welt? Moment, gibt es da auch bier. Bin gerade in Second Life. Lass‘ uns da was ausmachen…
@planetbarb: Leider mussten wir die Like und Google+-Buttons hier wieder wegmachen, weil die einen fatalen Error hervorgerufen haben. Wir arbeiten dran…
@Miss Streisand-Effekt
Welche Biersorten gibt es in Second Life und schmeckt es auch frisch? Sättigt und berauscht und betäubt es auch?
Füllt es unsere Blasen so vortrefflich, dass wir genötigt sind, jenen Ort zu frequentieren, wo sie ganz harten Gespräche zwischen völlig fremden stattfinden?