Das unwahrscheinlich abrupte Ende des Ost-West-Konflikts nahm auch den Welt-Untergangs-Geschichten ihre Dringlichkeit und in den Neunzigern geriet das Thema für einige Zeit in den Hintergrund.
Der einzige, der die postapokalyptische Fahne hochhielt, war Kevin Costner, der mit seinen Filmen „Waterworld“ und „The Postman“ sowohl in künstlerischer als auch kommerzieller Hinsicht absoff. Ein voyeuristisches Bedürfnis nach Zerstörung auf der Leinwand gab es nach wie vor, in diesen Jahren wurde es aber mehr vom Katastrophenfilm bedient. Wirbelstürme, Vulkane, Erdbeben, Kometen, oder im SF-Genre auch Invasionen von Aliens: Wenn die Welt zerstört wurde, dann durch äußere Einflüsse.
Doch in den Jahren nach der Jahrtausendwende kehrte die Unsicherheit ins öffentliche Bewusstsein zurück. Der Atomkrieg schien nach wie weit weg zu sein, aber Terrorismus, Klimakatastrophen und ähnlich unschöne Entwicklungen ließen neue Bedrohungsszenarien heranwachsen. Dies äußerte sich zunächst in einer neuen Welle des Zombie-Films, ausgelöst durch 28 Days Later und dem Remake von Dawn of the Dead. Dieses Sub-Genre des Endzeitfilms ( denn den hirnlosen, wankenden Horden gelingt es fast jedesmal, die Zivilisation innerhalb weniger Tage platt zu machen) explodierte in den letzten Jahren geradezu, und der Zombie ist inzwischen so etwas wie ein Maskottchen der Popkultur geworden, dass in dutzenden Varianten nicht nur im Kino, sondern auch im Buchregal und demnächst auch noch in einer Fernsehserie zu sehen ist.
Zombiefilme traten in den letzten Jahren ebenso wie ihre Hauptdarsteller in Massen auf, inhaltlich fügen diese neuen Produktionen dem Genre aber wenig hinzu. Daneben gab es aber auch eine Handvoll Produktionen, die auf innovative Weise und meist beklemmend in der Realität verwurzelt, das Weltende neu interpretierten. In „Children of Men“ von 2006 besteht die Katastrophe in einer rätselhaften, weltweiten Unfruchtbarkeit, es werden keine Kinder mehr geboren. Das Ende kommt hier nicht abrupt und plötzlich, sondern schleichend, die Menschheit stirbt über Jahrzehnte hinweg einfach aus. Trotz der spekulativen Prämisse schienen die Kulissen des vermüllten, heruntergekommenen Londons nur einen Schritt weit weg zu sein.
Michael Haneke ging in „Wolfzeit“ von 2003 in Sachen Realismus noch einen Schritt weiter. Hier fehlen jegliche äußere Merkmale einer Überhöhung in die Science Fiction, die Katastrophe bleibt ungenannt und im Off. Eine Mutter irrt mit ihren Kindern durch eine Welt, deren Infrastruktur zusammengebrochen ist. Gemeinsam mit anderen Flüchtigen sammeln sie sich in einem Provinzbahnhof in der Hoffnung, dass einer der durchrauschenden Züge sie mitnimmt. In der beengten Situation der unfreiwillig Zusammengepferchten orientiert sich Haneke an Ingmar Bergmans „Schande“, der eine ähnliche Situation unter den Vorzeichen eines fiktiven Bürgerkriegs entwickelte. Hier liegt der Fokus ganz auf der psychologischen Entwicklung der Figuren, mit welchen Strategien diese mit der unvorstellbaren Situation umgehen, die plötzlich Wirklichkeit geworden ist.
Ähnlich banal kommt das Ende aller Tage in dem irischen „One hundred Mornings“ von 2009, der sich noch weiter auf zwischenmenschlichen Beziehungen konzentriert, in dem er die Figurenkonstellation auf zwei Pärchen reduziert. Hier geht es vor allem um die Weigerung die Realitäten anzuerkennen und die Unfähigkeit des Zivilisationsmenschen, sich auf die neue Situation einzustellen.
Die Endzeitfilme des 21. Jh. lassen die eigentliche Katastrophe unsichtbar abseits der Leinwand geschehen. Dies kann durchaus als eine Reaktion auf heute diskutierte Bedrohungsszenarien gesehen werden, denn Klimawandel, Überbevölkerung oder Rohstoffknappheit lassen sich nicht so einfach in Bilder fassen wie ein Atompilz. Daran sieht man aber auch, dass der Endzeitfilm nicht von der Entwicklung des atomaren Wettrüstens abhängig ist. Ob Atombomben oder Biowaffen, Seuchen oder Klimawandel, ob als Arthaus-Drama oder Trash-Heuler, irgendetwas findet sich immer, mit der man der Menschheit den Gar aus machen kann. Dabei erschöpft sich das Thema nicht in seinem eigenen Genre, als Motiv taucht das Weltende in zahllosen SF-Filmen auf , die es mit Zeitreisen, dem Kampf gegen die Maschinen, AlbinoCyborgVampiren oder auch mal alles zusammen verbinden. Es scheint so, als sei die Popkultur besessen vom Ende der Welt. Vielleicht ist das aber auch gar nicht so überraschend, scheint diese Angst doch ein Grundbedürfnis der Menschheit zu sein, das nicht nur die Religionen schon seit Jahrtausenden bedienen.
3 Responses to “Weltuntergang im Film (3) – Apokalypse im Alltags”
[…] Weltuntergang Part III – Apokalypse im Alltag: Das unwahrscheinlich abrupte Ende des Ost-West-Konflikts nahm auch den Welt-Untergangs-Geschichten ihre Dringlichkeit und in den Neunzigern geriet das Thema für einige Zeit in den Hintergrund. Der einzige, der die postapokalyptische Fahne hochhielt, war Kevin Costner, der mit seinen Filmen “Waterworld” und “The Postman” sowohl in künstlerischer als auch kommerzieller Hinsicht absoff. Ein voyeuristisches Bedürfnis nach Zerstörung auf der Leinwand gab es nach wie vor, in diesen Jahren wurde es aber mehr vom Katastrophenfilm bedient. Wirbelstürme, Vulkane, Erdbeben, Kometen, oder im SF-Genre auch Invasionen von Aliens: Wenn die Welt zerstört wurde, dann durch äußere Einflüsse … endoplast […]
Der Mensch ist determiniert von Liebe und Tod. Das Weltende ist die Überhöhung des individuellen Todes. Gibt der Tod dem Menschen den Trost, dass hier alle gleich sind, wäre das Weltende in Verbindung mit dem kollektiven Tod der gesamten Menschheit gleichzeitig eine Art Tabula rasa durchaus auch im religiösen Sinn – oder auch gesellschaftspolitisch: All jene, die sich im Unrechtssystem wähnen, würden das Ende der Welt im Gedankenspiel als Befreiung und Genugtuung empfinden. Weil materielle Dinge hier nicht mehr zählen (mit Ausnahme jener 150 Superreichen, die rechtzeitig ihre Rakete klargemacht haben und mit Richard Branson als Kapitän rechtzeitig ins Weltall geflüchtet sind.
In diesem Sinne hat das Weltende auch durchaus etwas Kuschliges: All jene, die sich immer gefragt haben „Wo komme ich her und wo gehe ich hin?“ haben dann zumindest für die eine Hälfte eine glasklare Antwort.
[…] aus einem feuilletonistischen Blickwinkel, um Grafik-Design, um Physik, Literatur, um Comics, Film, um Pop- und Rock-Musik, um kleine, seltsame Accesoires, aber auch um Ausstellungen, Fotografie und […]