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Lady Gaga zelebriert eine exaltierte Form von Mode-Performance anstatt simpler Musik-Darbietung,die sie zwischen Mainstream, Trash und Avantgarde zitierend mixt und übersteigert. Man könnte meinen, das wirklich Neue bestünde nur in der Höhe der Dosis, die sie den Zuhörern verabreicht; denn Lady Gaga, der wandelnde Widerspruch, ist eine harte Dröhnung – doch weit gefehlt.

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Schneller als jeder Fan: Pop-Star Lady Gaga
Bryan Ferry, sagte einmal, dass er 1972, zu Zeiten seines ersten Albums mit Roxy Music, seinen Fans immer einen Mode-Schritt voraus sein mußte, damit sie als Band interessant bleiben konnten. Roxy Music lebte in den Anfangs-Tagen nicht nur von ihrer aufregenden Musik sondern auch von den schillernd-künstlerischen Outfits von Brian Eno und durch die gediegenen von Mode-Stilist Bryan Ferry. Bei jedem Auftritt war sein Erscheinungsbild abgehobener und schriller, bunter und eigenwilliger als alles, was man bis dahin gekannt hatte. Bis er eines Tages die Bühne betrat und die Fans so angezogen waren wie er. Sie hatten ihn eingeholt. Anders Lady Gaga: Sie agiert wie atemlos, immer unterwegs toppt sie jedes ihrer Outfits bereits am darauffolgenden Tag und wechselt ihre Garderobe bei Preisverleihungen oder Events gleich mehrfach.

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Vorbilder der Medien-Manipulation: Elvis Presley, Michael Jackson und Madonna
Man kann die Kurbel der populären Unterhaltungsmusik von da aus zum Vergleich zwei Jahrzehnte zurückdrehen, zu Elvis Presley, dessen Outfits ebenfalls schneller wechselten, als man gucken konnte, und mit ihrem Perlenbesatz, mit den Fransen und ultrabreiten Gürteln eigentlich Ausdruck purer Lächerlichkeit sein mußten, in ihrem übersteigerten Kitsch dann aber schon wieder jenseits von Gut und Böse waren. Ab den 1980er-Jahren schuf auch Michael Jackson nicht nur eine neue Musik, nein, Mode, Haarschnitt und äußeres Erscheinungsbild erhielten als Erfolgsfaktor ebenfalls ein großes Gewicht. Schließlich konnte Madonna über drei Jahrzehnte hinweg mit Outfit, PR- und Medienaktionen, ach ja, und mit Musik, die Welt der Unterhaltung wieder ein paar Umdrehungen schneller drehen lassen. Allen drei Superstars gemein ist, dass ihr Wirken gesamtmultimedial gesteuert war. Elvis hatte erst das Fernsehen und dann den Kino-Film für sich als Image-Träger entdeckt. Michael Jackson und Madonna wurden mit kontrollierten Provokationen und einem Gesamtkonzept, das Mode, Musik und Lebensmodell zu einer verwert- und kommunizierbaren Einheit verschmolz, über die Maßen berühmt. Gelernt hatten sie dabei, wie auch Lady Gaga, von David Bowie, der vorgemacht hatte, wie es sein muß, sich als Künstler in der Unterhaltungsindustrie immer wieder neu zu definieren. Die Taktzahl indes, in der dies geschieht, ist inzwischen ein medienbefördertes, kurzintervalliges und stark beschleunigtes Stakkato. Und Lady Gaga wirkt dabei rastloser und gehetzter als alle anderen – manchmal bis zum Zusammenbruch. Vielleicht deshalb scheint der Songschreiberin schon jetzt die musikalische Substanz zu fehlen.

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Lady Gaga und der Trash
Was ist das Neue an Lady Gaga? Sie hat die Indrigenzien des Trash so weit übertrieben – beispielsweise zu sehen an ihrem Fleischbikini auf dem Titelbild der japanischen „Vogue“ und an ihrem Fleischkleid bei den 2010er MTV-Awards –, dass das profan Vordergründige zum Hintergründigen geworden ist, zu einer Art von Instant-Kunst. Sie koppelt Schockeffekte mit Sex-Symbolen, offenbart ihren Körper im Spannungsfeld der Gerüchteküche, sie wäre ein Transvestit, zwischen männlich und weiblich, und ist – gute alte Mode-Tradition – den Fans in manchmal unerhörter Weise meilenweit voraus. Seit ihren Anfängen von 2008 ist die 24jährige Lady Gaga praktisch auf Dauer-Konzert- und Promotion-Tour. Ihr 2008-er Album „The Fame“ hat sie 2009 kurzerhand nochmal unter dem Namen „The Fame Monster“ – ergänzt um 8 neue Songs – veröffentlicht und ist damit in Zeiten sinkender CD-Verkaufs-Zahlen und großen Katzenjammers in der Musik-Industrie zum alles beherrschenden Hoffnungsträger geworden, geradezu zu einem Modell für die Zukunft, wie man es krasser in der Populär-Kultur kaum je gesehen hat.

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Die Synthese macht’s: Lady Gaga’s zeitgemäße Ästhetik
Lady Gaga ist Song-Schreiberin und Mode-Macherin in einer Person. Sie hat sich ihre ersten Kostüme selbst entworfen und später Modelle von In-Designern fertigen lassen. Popmusik begreift sie wie Michael Jackson oder Madonna als Inszenierung einer Synthese von visuellen und musikalischen Reizen. Obwohl Lady Gaga als Songschreiberin offenbar sichtlich limitiert ist, tut das ihrer Wirkung keinen Abbruch, weil sie ihre Auftritte als multimediale Ereignisse inszeniert, bei denen die Musik eine fast untergeordnete Rolle spielt. Zentral sind dabei nicht die musikalischen oder inhaltlichen Botschaften sondern ihre visuellen, die den Trash als populäre Leit-Ästhetik soweit veredeln, dass er vollends salonfähig geworden ist. Jedwede Übertreibung dient dabei der medial transportierten Provokation. Ob Madonna eine Military-Video mit Anti-Kriegsbotschaft in Zeiten der amerikanischen Aufrüstung gegen Al Qaida dreht und sich hinterher entschuldigt, ob Michael Jackson in einem gespielten Gewalt-Exzess in einem Video Autos demoliert und Scheiben zerschlägt und sich hinterher entschuldigt – immer geht es im Pop, der um bedingunglose Aufmerksamkeit buhlt, um das Überschreiten von Grenzen. Lady Gaga spielt mit den Versatzstücken des Pop, schnallt sich BH’s aus Fleisch und mit aufgesteckten Gewehrläufen um, zieht sich regelmäßig in ihren Videos aus oder läßt eine deutsche Boulevard-Journalistin aus der Pressekonferenz werfen, weil die sie fragt, ob sie einen Penis habe.

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Lady Gaga als erster Superstar des digitalen Zeitalters
Die Videos, die die Mode als neuesten lauten Schrei transportieren und die die immer gleiche Musik hören lassen, zeigen eine enthemmte Sängerin im Zentrum eines schrägen Gruppengefüges. Lady Gaga versucht ganz heftig, Grenzen einzureissen. Ihre Videos sind das Kompressions-Medium der Botschaft und werden im Internet millionenfach abgerufen. Lady Gaga ist so der erste Superstar des digitalen Zeitalters geworden. Das kommt nicht von ungefähr: Nicht nur „Bad Romance“ verkaufte sich als Download über 3 Millionen Mal sondern auch „Just Dance“ und „Poker Face“ von davor. Sie ist die erste Künstlerin, die das geschafft hat, die erste auch, die den minderwertigen Trash ernst genommen und ins Unwirkliche übersteigert hat. Das ist ihr Verdienst. Im Lied „Paparazzi“ heißt es dann auch: „We’re plastic but we still have fun.“

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