Wir leben in anderen Zeiten, gerade in Deutschland, möchte man meinen. Der Mensch kann sich entfalten, auch elektronifiziert über sein Handy, über das Internet, über das Fernsehen. Deutschland sucht den Superstar, Millionen folgen und Tausende machen sich zum Affen. Bei der Fußball-WM konnte man jeden noch so kleinen Schiedsrichter-Fehler in der Nachanalyse in Zeitlupe und aus allen erdenklichen Kamera-Blickwinkeln beobachten, um „objektiv“ urteilen zu können.
Überwachung: NSA, China, Google, GPS
In Amerika, in dem seit dem Patriots Act die Rechte eingeschränkt sind, hat die NSA alle Möglichkeiten. Jeder Staatsbürger kann theoretisch 365 Tage im Jahr 24 Stunden lang überwacht werden. Auch im Konflikt zwischen China und Google um die Zensur im Internet konnte man das brisante politische Potenzial moderner Technologien erkennen. Techniken wie GPS, mittels derer man einen Menschen orten oder sein Bewegungsprofil erstellen kann, oder Geo-Tagging, das bei einem Foto den Längen- und Breitengrad einrechnet, damit man später weiß, wo und wann man es geschossen hat, tragen dazu bei, die Welt und ihre Bürger zu katalogisieren. Und wenn Google losfährt, um mit seien Street-View-Wagen die Straßen der Welt zu fotografieren, um fotorealistische Straßenkarten zu erhalten, dann werden mal eben die W-LAN-Netze der entsprechenden Häuser gescannt und ihre Position gespeichert, damit Google dieses Wissen für weitere Anwendungen kommerziell ausschlachten kann.
Totalvernetzte Welt: freier oder unfreier?
Es macht Sinn alles und jeden technisch miteinander zu vernetzen. Die Freiheit der Menschen wird dadurch, so hört man vielerorts, größer, weil angeblich die Möglichkeiten größer werden. Andererseits kann der Staat oder können Interessengruppen das Wissen, das durch kommunikativ-technische Vernetzung gesammelt wird, nutzen, um theoretisch jeden zu überwachen. Die scheinbare größere Freiheit verkehrt sich in ihr Gegenteil. Wenn ein Anwender bei iTunes einkauft, erhält er bald aktiv Vorschläge, welche Musik den Musikliebhaber noch interessieren könnte. Seine Musikvorlieben werden überwacht. Muß er zittern, wenn er unrechtmäßig erworbene Musikstücke in iTunes verwaltet?
Am Ende: Überzüchtete Technik
Jeder, der sich mit Technik grundsätzlich auseinandersetzt, weiß, dass Technik niemals wirklich perfekter wird – das nämlich ist nur ein gelebter Traum der Technokraten. Technik, die sich weiterentwickelt, neigt zur Überzüchtung und Fehleranfälligkeit, überzüchtete Technik aber ist gefährlich. Jedes Handy enthält genügend Daten, die alles über seinen Besitzer preisgeben: SMS, E-Mails, Webseiten-Besuche, Downloads usw. Genauso, wie mal eine komplette Mercedes-Produktreihe aus der Kurve geflogen ist, weil es niemanden mehr gab, der so ein Auto tatsächlich mal in der Praxis auf Herz und Nieren geprüft hätte, genauso gibt es ein iPhone 4, das seine Sendeleistung unter Umständen verringert, wenn man es anfasst. Die Antenne des iPhone nämlich läuft in einem Metallband rund um das Gerät, man könnte sagen: Sieht gut aus, ist aber eine konstruktive Schwäche, die man so bei keinem anderen Smart-Phone findet.
Überwachung im Zeitalter der babylonischen Technik
Alle in der großen Software-Medien-Technik-Industrie haben ein Ziel: Sie wollen den Konsumenten vermeintlich dort abholen, wo er steht, sie wollen ihm sozusagen jeden Wunsch von den Augen ablesen. Rein technisch ist das nämlich möglich: Indem man ein Nutzerprofil erstellt, weiß man, was jemand gerne mag, welche Art von Filmen er sieht, welche Bücher er liest, ja eigentlich auch, wie er denkt, welche Pornos er sieht, welche sexuellen Vorlieben er hat, welches Auto er fährt, welche Zigarette er raucht, welche Partei er wählt usw. Wenn dieses Profil möglichst vollständig ist, freuen sich die Werbewirtschaft und die Geheimdienste und der amtierende oder nächste Diktator. Denn grenzenlose Freiheit im so genannten globalen Dorf wird dann zur grenzenlosen Überwachung, die zum Teil auch schon stattfindet, (Stichwort: „Echelon“).
Smart-Phone Blackberry: Abschalten wegen Datensicherheit?
Dass dies nicht Paranoia ist, sondern handfeste Realität, zeigt der Streit um das Blackberry Smart-Phone von Research in Motion (RIM), neben dem Apple-iPhone einer der großen unter den multimedialen Business-Handys. RIM betreibt Server in Knanda und Großbritannien für den Nachrichtenverkehr seiner Handys. Die Daten werden dabei verschlüsselt weitergegeben. Die Vereinigten Arabischen Emiraten wollten nun die E-Mail-Kommunikation via E-Mail verbieten, weil sie an die Blackberry-Daten nicht herankommen. Inzwischen scheint RIM eingelenkt zu haben. Man spricht davon, einen eigenen Server innerhalb der Vereinigten Arabischen Emirate bzw. Saudi Arabiens zu betreiben, damit die die Daten endlich einsehen und auswerten können. Als Grund wird von der dortigen Regierung Terrorismus-Gefahr genannt. Das Beispiel zeigt aber auch wie selbstverständlich es für Regierungen und Nachrichtendienste ist, elektronische Kommunikation zum Zwecke von Überwachung und Zensur zu betreiben.