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Schuldzuweisungen: Wer ist tatsächlich verantwortlich für die Loveparade-Katastrophe?

Loveparade's Sorgenpüppchen: Wer durchbricht den Kreis des Schweigens und trägt Verantwortung?

Loveparade's Sorgenpüppchen: Wer durchbricht den Kreis des Schweigens und trägt Verantwortung?

Wir erleben im Moment die Relativierung der Loveparade-Katastrophe. Am Anfang war der Schuldige klar: Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Nun gibt es mehrere Schuldige: Die Polizei, die Stadt Duisburg, der Veranstalter. Vielleicht auch die Medien und das Projekt „Kulturhauptstadt Ruhr 2010“.

Worte über Worte, von den Besuchern der Gedenkstätte unter dem Tunnel, von den Politikern: Aber wo ist die Wahrheit?

Die Punkte im Verlauf der Loveparade, die geklärt werden müssen
Das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen hat einen Bericht zu den Ereignissen der Loveparade vorgelegt. Demnach gab es drei neuraligische Punkte, die zur Bewertung der Loveparade-Katastrophe zentral sind:
Das Sicherheits-Konzept: Wurde das Sicherheitskonzept durch den Veranstalter „Lopavent GmbH“ eingehalten bzw. hat die Stadtverwaltung in Duisburg kontrolliert, dass dieses eingehalten wird?
Die Polizei-Kette: Warum hat eine Polizeikette die Rampe zum Teil versperrt und hat dies ursächlich für den Menschen-Stau verursacht oder strömten aus anderen Gründen zu viele Loveparade-Besucher in den Bereich der Unterführung?
Das Handy-Netz: Während der Veranstaltung der Loveparade brach das Handynetz zusammen. Die Sicherheitskräfte konnten sich deshalb zum Teil nicht mehr verständigen. Wären sie mit anderer Kommunikations-Technik ausgestattet gewesen, wäre das nicht passiert. Wie ursächlich war das für die Katastrophe?

Die Verantwortung:
Bevor die mediale Verwässerung alles in einen Einheitsbrei verwandelt und man nicht mehr durchblickt, nachfolgend ein Versuch, Schuld zuzuweisen.

Bilder vom Gedenkort des Katastrophen-Geschehens: Niemand will Schuld sein und Trauer ist zur Wut geworden.

Die rechtliche Verantwortung
Nach deutschem Recht trägt ein Veranstalter sehr weitreichende Verantwortung. Im Zweifelsfall ist er für sehr viel zur Verantwortung zu ziehen. Der Veranstalter hat insbesondere für die Sicherheit des von ihm durchgeführten Events zu sorgen.
Fazit: Wie auch immer die Schuldzuweisungen und die Ermittlung der tatsächlichen Geschehnisse ausgehen mögen, der Veranstalter wird wohl die Hauptlast zu tragen haben. Er wird in großem Umfang regresspflichtig gemacht werden. Versäumnisse andere werden vermutlich höchstens relativierend wirken.

Katastrophenstimmung nach der Loveparade: Kaum ein Bild oder ein Text von unter der Unterführung zeigt die Emotionen so gut wie dieses Bild.

Die politische Verantwortung
In der deutschen Politik ist es Usus, dass – unabhängig davon, ob jemand tatsächlich „Schuld“ an etwas hat – ein Rücktritt in Erwägung gezogen werden sollte, damit die Glaubwürdigkeit von Politik und Partei erhalten bleibt. Sehr schnell hat sich alle Wut bezüglich der Loveparade-Katastrophe auf Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) konzentriert, weil der dieses Prinzip nicht anerkennt. Inzwischen haben Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Christian Wulff und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft Adolf Sauerland nahe gelegt, zurückzutreten. Er hat dies abgelehnt. Er will sich, offenbar um seine Pension zu erhalten, einer Abwahl stellen, indes ist ungewiss, ob er abgewählt wird. Er hat von der Stadtverwaltung ein Papier ausarbeiten lassen, demgemäß die Polizei Schuld habe, weil sie mit Dienstfahrzeugen die Rampe und damit einen Fluchtweg verengt habe.
Fazit: Sofern die Stadtverwaltung tatsächlich zur Katastrophe beigetragen hat bzw. diese (mit-)verursacht hat, indem sie schlecht geplant hat und Sicherheitsrichtlinien verwässert hat bzw. außer Kraft gesetzt hat – was zu lesen gewesen ist –, trägt ihr oberster Politiker die Verantwortung.

Niemand wollte Tote aber wie waren die Mechanismen, die zur Katastrophe geführt haben? Das "Ruhr-2010"-Team und sein Trauerkranz.

Die moralische Verantwortung
Ebenfalls viel war darüber zu lesen, dass verschiedene Akteure offenbar ihre Verstrickung in den Fall „Katastrophe Loveparade“, relativieren oder sogar verschleiern woll(t)en. In der Pressekonferenz von Stadt und Veranstalter nach der Katastrophe wurde Desinformation betrieben. Die Polizei, so war zu lesen, hätte zahlreiche Materialien, die mit dem Fall zu tun haben, vernichtet. Im Rathaus Duisburg herrscht Redeverbot. Alle Beteiligten – der Veranstalter, der Oberbürgermeister, die Polizei (die Medien und die Projekt Ruhr GmbH) – sagen, sie trügen nicht die Verantwortung oder geben die Schuld jemand anderem. Gestern legte die Stadt Duisburg ein Rechtsgutachten zu dem Fall vor, das eine Kommision erarbeitet hat, in der Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland selbst mit sitzt – um sich (und die Stadtverwaltung Duisburg) zu entlasten. Eine objektive Untersuchung sieht anders aus.
Fazit: Es sieht danach aus, dass alle Beteiligten moralische Schuld tragen, umso mehr, wenn sie nicht mithelfen die Wahrheit zu ermitteln oder diese sogar verschleiern. Es ging um Geld und ums Image – und was man dafür tun mußte? Man darf davon ausgehen, dass die öffentliche Hand für das Gemeinwohl verantwortlich ist. Ihr kommt daher eine besondere Verantwortung zu. Wer in Duisburg zur Loveparade geht, darf darauf vertrauen, dass die Stadt sicherstellt, dass alles seine Ordnung hat. Hat sie es getan?

Alle trauern, alle sind betroffen - manche mehr als andere.

Die mediale Verantwortung
Eine bisher zu wenig gewürdigte Verantwortung tragen die Medien und das Projekt „Kulturhauptstadt Ruhr 2010“. Letzteres hatte mit dem Slogan „Wo das geht, geht alles“ auf der Loveparade für sich geworben. Die „Kulturhauptstadt Ruhr 2010“ hat versucht, in die Region Ruhrgebiet ein neues Image einzupflanzen. Jahrzehnte lang hatte diese Region ohne wesentliche Erfolge versucht, ein positives Image weg von Kohle, Stahl und Industrialisierung zu etablieren – bis der Zuschlag kam, dass das Ruhrgebiet 2010 zur europäischen Kulturhauptstadt werden würde. Ab da änderte sich auch das Selbstbild des „Reviers“: Jede noch so kleine Lebensäußerung der Region wurde zur Kultur erklärt. Der Druck gerade für Großveranstaltungen – von denen die Loveparade eine wesentliche war – wurde immens. „Groß“ bedeutete die Verpflichtung zum Erfolg. Auch die „Projekt Ruhr GmbH“ machte deutlich, dass die Loveparade stattfinden müsse. Es ergab sich einen unheilige Allianz zwischen den Initiatoren der Kulturhauptstadt, der Stadt Duisburg und den Medien.
Fazit: Viele Medien vor allem die auflagenstärkste Zeitung im Ruhrgebiet „WAZ“ und ihr Online-Ableger „Der Westen“ stießen in das Horn der „Kulturhauptstadt Ruhr 2010“. Die Stadt Bochum wurde verhöhnt, weil sie die Ausrichtung der Loveparade abgelehnt hatte, die Erwartungen an Duisburg als Loveparade-Ausrichter wurden hochgeschraubt. Wer wollte da noch die Loveparade grundsätzlich in Frage stellen, sodass sie nicht hätte stattfinden können. Kritik im Vorfeld hatte es genügend gegeben – aber niemand hat sich getraut, das Projekt sterben zu lassen. Es hing zuviel dran. Allerdings weit weniger als die Leben von 21 Menschen.

Die Wut und die Trauer formen die Worte. Ein Politiker sollte zwischen den Zeilen lesen können.

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