endoplast_opa_wasselowski

Draußen muß etwas erneuert werden. Es sind die Leitungen. Der Hausbesitzer wollte nicht. Aber Papa und Mama sind vor Gericht gegangen und haben, wie sie sagen, ein Recht bekommen. Jetzt muß der Boden aufgemacht werden. Große Wagen mit Handarbeitern kommen. Sie haben die Erde aufgegraben. Ein tiefes Loch. Ich bin mit den Inlinern bis vor das Loch gefahren und gegen die Absperrung gehauen mit dem Bauch. Dann bin ich hingefallen und saß plötzlich mit dem Popo auf dem Rand des Loches.

Mama hat gesagt siehst Du und dass ich großes Glück gehabt hätte. Opa hat mir mit der Hand über das Haar gestrichen und ein Auge zugekniffen. Dann war Opa weg. Einfach verschwunden. Papa hat die Polizei gerufen, Oma hat geweint. Opa war noch nie weg. Wir Kinder wußten, wo er war, aber die Erwachsenen wollten nicht zuhören. Wenn ihr jetzt denkt, die Geschichte geht so weiter, dass Opa in das tiefe Loch gefallen ist und dass man ihn später darin gefunden hat, dann täuscht ihr euch. Opa hat auch kein Alzheimer und irrt durch die Straßen. Er hat sich auch nicht mit Oma gestritten oder hat eine Geliebte. Er ist nicht überfahren worden und er ist überhaupt nicht tot. Kein Unfall, kein böser Mann. Opa lebt und es geht ihm gut. Opa lebt. Er hat sich nicht versteckt. Oma sagt, dass etwas passiert sein muß. Er hat kein Geld, keinen Personalausweis und keinen Haustürschlüssel. Oma sagt, dass er seit gestern Abend noch nicht einmal gegessen hat. Auch alle Jacken sind da.

Wir Kinder haben gelacht. Opa geht es ja gut. Die Erwachsenen haben alle Räume im Haus abgesucht. Sogar unter dem Bett haben sie nachgeschaut. Wir haben auch noch einmal überall nachgeschaut, obwohl wir wußten, wo Opa ist. Einmal standen wir ganz dicht neben ihm, wo er war, und Papa stand auch daneben, aber er hat nichts gemerkt. Wir haben weitergesucht, sind aus dem Keller in die anderen Stockwerke gegangen, wo er ja natürlich nicht dawar. Wir sind hinters Haus gegangen und haben uns kaputtgelacht. Ich habe gar nicht mehr aufgehört. Wir haben so viel gelacht, bis uns die Tränen kamen. Da kam Mama aus dem Haus und hat uns angeschrien, was soll das, spinnt ihr denn? Habt ihr denn gar keine Angst um Opa. Wenn man euch braucht, seid ihr nicht da. Liebt ihr euren Großvater gar nicht?

Wir sind ganz ernst geworden. Dann gab es einen Stubenarrest. Ich habe sehr geweint. Aber Mama hat gar nicht darauf geachtet und immer weiter böse mit uns geredet. Als ich die Treppe hoch mußte zu meinem Zimmer, habe ich Papa gesehen. Er stand neben der Couch und hatte Tränen in den Augen. Da mußte ich wieder lachen, denn Opa macht öfters Scherze, wo es ernst zugeht. Hinterher regen sich alle auf und sagen, dass man nicht unterscheiden kann, ob es ernst ist oder nicht. Jetzt hat Opa gesagt, es wird Zeit, ihr seid groß genug. Jetzt machen wir ein Kooperationsprojekt. Ich habe es bereut, weil es jetzt ernst geworden ist. Fast hätte ich Mama gesagt, was mit Opa los ist. Aber er hat gesagt, ihr seid groß, ihr dürft auch keinen Fall verraten, wo ich bin, sonst ist der Spaß vorbei. Und wenn der Spaß vorbei ist, dann ist es nur noch ernst und dafür lebt man nicht.

Opa geht es gut, aber ihr müßt jetzt erraten, wo Opa ist.