Die Entscheidung ist gefallen: Die SPD geht in die Opposition. Ein kluger Schachzug. Nach Scheitern der Verhandlungen mit der FDP schien es noch drei Alternatoiven zu geben: Eine große Koalition mit der CDU, eine Minderheitsregierung von SPD und „Bündnis90/Die Grünen“ unter Duldung von „Die Linke“ oder Neuwahlen. Eine vierte wird nun realisiert: Die SPD will in die Opposition.
Man sieht daran zweierlei: Wie strategisch klug die SPD in NRW agiert und dass politik noch für Überraschungen gut sein kann. Die SPD hat sich gegen eine große Koalition mit der CDU unter einem Ministerpräsidenten Rüttgers ausgesprochen und auch eine Minderheitsregierung, bei der sie auf Gedeih und Verderb von „Die Linke“ abhängig wäre, hat sie negiert. Eigentlich hätte der nächste Schritt der Ruf nach Neuwahlen sein müssen. Aber letztlich ist ja Jürgen Rüttgers als geschäftsführender Ministerpräsident noch im Amt und nun ist es an ihm, mit seinem hauchdünnen Vorsprung weiter gegen eine Mehrheit zu regieren. Die SPD sagt, sie sähe den wechselnden Mehrheiten in bestimmten Sachfragen entgegen, hält aber „Die Linke“ für nach wie vor unkalkulierbar.
„Ein unmoralisches Angebot“
Per Bildzeitungs-Headline bietet Rüttgers der SPD nochmal Gespräche an. Wie politisch seriös so eine Einladung wohl sein mag? Die augenblickliche Hilflosigkeit der CDU mündet darin, Druck aufzubauen. Rüttgers und nun auch Merkel, die sich über die Kraft-NRW-SPD beschwert hat, wollen über die Medien das schaffen, was der politische Dialog nicht erreicht hat. So soll also in NRW die CDU regieren und alle anderen sind in der Opposition mehr oder weniger? Das würde nicht lange gutgehen, Neuwahlen wären da früher oder später vorprogrammiert.
Tritt Rüttgers zurück?
Vielleicht beweist Jürgen Rüttgers politische Größe oder – je nachdem wie man es sieht – politischen Sachverstand und tritt jetzt zurück, um einen Weg für einen geforderten Neuanfang frei zu machen. Ob Neuwahlen einem der politischen Akteure etwas bringen würden, ist gelinde gesagt umstritten. Fast alle Parteien sehen das im Moment für sich eher pessimistisch. Und würde die SPD mehr Stimmen bekommen als die, die sie aktuell eingefahren hatte? Man merkt, es kocht in NRW, eine Art poltischer Siedepunkt ist erreicht. Die Hitze spürt man nun auch immer deutlicher in Berlin.
Artikel nach der Wahl:
NRW-Koalition: Aussitzen für Fortgeschrittene
NRW-Koalition: Es hat sich ausge(h)ampelt
NRW-Wahl: Rot-grün-rote Gespräche gescheitert und was passiert jetzt?
NRW-Wahl: Koalitionsverhandlungen als Hütchenspiel im Poker-Schach
Linke: Lafontaine’s Rostocker Abschiedsrede
Bundespolitik: Das Ende der Regierbarkeit
NRW-Wahl: Welche Koalition denn nun?
NRW-Wahl: Wer kann was am besten?
NRW-Wahl: Der Koalitions-Polit-Tanz (Video)
NRW-Wahl: Die Top-Koalitionspartner (Video)
Artikel vor der Wahl:
NRW-Wahlkampf (1): Die CDU malt Rüttgers in Schwarzweiß
NRW-Wahlkampf (2): Die SPD mit echt fetten Aussagen
NRW-Wahlkampf (3): „Die Linke“ mit Gysi in Recklinghausen
NRW-Wahlkampf (4): „Die Linke“ mit Lafontaine in Essen
NRW-Wahlkampf (5): Die CDU und die Doppelbödigkeit der Politik
3 Responses to “NRW-Koalition: SPD im parlamentarischen Schmollwinkel und die Kanzlerin greift ein”
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Ich bin wirklich mal gespannt, wie lange das mit der Minderheitsregierung der SPD hält. Wenn das länger von Bestand ist und auch für das Land gut ist, wäre das ein neues Regierungsmodell gegenüber den bestehenden. Die FDP muss sich auch mal überlegen, was sie mit ihrer Verweigerungshaltung bezwecken will. Auch bei der SPD vermisse ich Bewegung in den Sachfragen. Wie auch immer es verspricht spannend zu werden.
Ein sehr fragiles Modell. Es kommt wohl darauf an, ob die Chemie zwischen SPD und „Die Linke“ stimmt. „Die Linke“ wird sich vermutlich über diese Erfahrung hinweg entwickeln. Sie ist ja relativ neu und hat keine Erfahrung mit Regieren.
Die FDP handelt wohl aus ideologischen Gründen, es geht um Marktwirtschaft und um Bildungspolitik, um ein Menschenbild und eine Gesellschaftsform. Man bedenke, dass die Bundes-FDP selbst in Zeiten absolut leerer Kassen noch Steuergeschenke in Milliardenhöhe machen wollte. Es scheint auch so zu sein, dass die eigentliche inhaltliche Konfliktlinie nicht mehr zwischen SPD und CDU sondern zwischen FDP und SPD verläuft. Ein Klassenkampf.