Nachdem Bundespräsident Köhler zurückgetreten war, treten als Kandidaten um das Amt Joachim Gauck und Christian Wulf an.

Die Unglaublichen: Nachdem Bundespräsident Horst Köhler zurückgetreten ist treten als Kandidaten um das Amt die sehr unterschiedlichen Joachim Gauck und Christian Wulf an.

So sieht Langeweile aus: Bayern München wird immer deutscher Fußball-Meister und Christian Wulf wird Bundespräsident. Oder doch nicht? Es gärt in der CDU. Die goldenen Zeiten scheinen vorbei. Die Wähler sind gefrustet. Die Nordrhein-Westfalen-Wahl wirkte wie ein Menetekel, selbst wenn die CDU weiter mitregieren sollte. Der Rücktritt Horst Köhlers offenbarte in unausgesprochener Form die Tragweite des Regierungs-Chaos.

Angela Merkels Misch-Masch-Konzept
Helmut Kohl, Bundeskanzler von1982 bis 1998, hatte eine Vision: Wo vorher die SPD links und die CDU rechts gewesen waren, sah er die CDU nun verortet in der bürgerlichen Mitte, dort, wo vorher eigentlich nichts gewesen war. Angela Merkel hat diese Umpositionierung weiter betrieben. Ein bißchen Sozialpolitik, ein bißchen Liberalität und ein Schuß Konservativität. So sieht das Misch-Masch-Konzept aus, das möglichst viele Wähler ansprechen soll.

Konservative Hochburg Bierzelt
Als jüngst der Ministerpräsident von Hessenund Hardliner, Roland Koch, seinen politischen Abschied in den Medien zelebrierte, war das Geheule im geschrumpften konservativen Lager der CDU groß. Ein Symbol dafür, dass die angestammten Werte immer weniger gelten und höchstens in den Bierzelten der CSU noch hoch gehalten werden. Sieht man sich Jürgen Rüttgers, den Noch-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen an, so erstritt der sich Anerkennung, indem er die politischen Aussagen der Konkurrenzparteien nachbetete – und zwar tatsächlich fast alle Positionen aller konkurrierender Parteien, manchmal linker als die SPD und aufmuckend gegen die eigene Bundeskanzlerin. Nur blieben es eben nur Worte. Das hat der Wähler gemerkt und die CDU-FDP-Koalition in NRW abgestraft.

Westerwelle’s Micky-Maus-Wahlkampf
Man muß aber gar nicht so tief in die CDU eintauchen, um die Zeichen der Zeit zu erkennen: Guido Westerwelle überführte im Big Brother-Container und am Steuer seines Guido-Mobils politische Aussagen in einen Micky Maus-Wahlkampf. Dann tat er es demagogisch fast schon seinem einstigen Widersacher Jürgen Möllemann gleich, als er am niedrigsten Punkt seiner Umfragewerte angekommen und noch angesichts einer Weltwirtschaftskrise, in der eigentlich Banker und Börsenzocker Schelte verdient hätten, verbal auf die armen Hartz IV-Empfänger eindrosch. Oder Gerhard Schröder, der dicke Zigarren rauchend und im Brioni-Anzug einherschreitend der SPD fast den Todesstoß versetzt hatte.  Sie alle strebten irgendwo hin, wo sie vorher nicht gewesen waren: In die so genannte politische Mitte. Eine Art perfider Zielgruppenverwässerung, in der die großen Parteien langsam zu ertrinken drohen.

Guten Appetit: Politische Kanibalisierung
Dabei verlor die CDU ihr konservatives, die SPD ihr linkes und die FDP ihr liberales Profil. Im Marketing nennt man so einen Zustand, bei dem sich alle um das Gleiche kloppen „Verdrängungswettbewerb“, zu deutsch: Einer oder mehrere, vielleicht aber auch alle, kommen unter die Räder. Wenn sich etwas selbst vernichtet, wie das die SPD getan hat, spricht man auch von „Kanibalisierung“. Wohl bekomm’s. Am Ende profitieren neue Parteien, die ganz einfach sagen, dass sie nicht für alles stehen, was es gibt, sondern nur für etwas Bestimmtes. „Bündnis90/Die Grünen“ in gewohnter Beschränkung für eine Umwelt, in der es sich leben lassen sollte und „Die Linke“ für das, was sie im Namenszug führt.

Steht Roland Koch auf Heavy Metal?
Kurz vor Wahlen werden die Parteien kommunikativ aktiv und wollen klar und deutlich sagen, wofür sie stehen, eigentlich für alles und nichts, im Zweifelsfall für das, was der Wähler gut findet. Nach der Wahl wird das, was der Wähler vor der Wahl gut fand, dann aber nicht umgesetzt. Wäre ja auch sonst zu langweilig. Politik muß spannend bleiben, deshalb verspricht sie alles, um danach zu machen, was sie will. Heißa! Wahlkampf ist wie ein Tänzchen, in dem man sich verlieren kann. Man schüttelt sein Haar oder tanzt einen Walzer oder eine Polka. Manche mögens dramatischer und vereinen sich zum strengen Tango un d andere, wie Roland Koch, stehen vielleicht auf Heavy Metal. Und was ist das für ein Tanz um das Bundespräsidentenamt?

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Die tätowierte  Bundespräsidentin
Angeblich war Ursula von der Leyen nie wirklich im Gespräch für das Bundespräsidentenamt, und dass ihr Name in goßen Lettern in den Medien aufgetaucht ist, eher ihrer Selbstinszenierung zu verdanken. Sei’s drum. So wäre die breit getretene Kampagne der SPD, Angela Merkal habe sich mit ihrer Kandidatin nicht durchsetzen können und würde schwächeln, nicht richtig. Bleibt die Frage, wer nun geeigneter ist: Joachim Gauch, der streitbare und konfrontierende 70jährige, oder der bald 51-jährige Christian Wulff, der ruhig-überlegte Stratege, der immer mal wieder als Merkel-Nachfolger gehandelt wurde, versehen mit einem gewinnenden Schwiegersohn-Image. Einer, der noch die Reinheit der CDU repräsentiert, wäre da nicht seine tätowierte 36-jährige Frau, die dann ebenso wie ihr Mann in die Geschichte eingehen würde wegen ihres vergleichsweise jugendlichen Alters.

Bundespräsidentenmäßig eine echte Alternative
CDU und FDP haben aber in der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, eine klarere Mehrheit als bei der Wahl von Horst Köhler. Die Opposition rechnet sich aus, dass Gauck ein paar Stimmen aus dem Regierungslager bekommen könnte. Ihn zu präsentieren, ist ein Glücksgriff und kluger Schachzug, denn er wird zum Beispiel von der FDP voll akzeptiert. Wer im Regierungsbündnis Angela Merkel zeigen wollte, dass sie sich warm anziehen muß bzw. dass ihre Tage gezählt sind, hätte bei der Bundespräsidentenwahl die Gelegenheit, ein Zeichen zu setzen. Die politischen Beobachter haben aber im Moment keinen Zweifel dran, dass der nächste Bundespräsident Christian Wulff heißén wird – und die nächste Bundespräsidentin tätowiert ist.

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