Bundespräsident Horst Köhler ist zurückgetreten. Zur Zeit ist die Frage, warum eigentlich? Wie zu hören war, ging es vordergründig um die Rede in Afghanistan, in der er einem Wirtschaftskrieg das Wort geredet haben soll. Er selbst sagt, er wäre mißverstanden worden und habe mit seinen Äußerungen nicht den Afghanistan-Krieg gemeint sondern das Wirken an der afrikanischen Küste bezüglich der Piraten.
Kritiker werfen ihm, sofern dies richtig sein sollte, dennoch vor, ein Bundespräsident müsse sich eindeutig äußern. Sie werfen ihm auch Dünnhäutigkeit vor, dass er wegen solcher Anwürfe zurückgetreten sei.
Vom Internationalen Währungsfonds zum Staatsoberhaupt
Der eigentliche Grund scheint aber zu sein, dass Köhler bei seiner Wahl 2004 ein so genannter Seiteneinsteiger gewesen ist. Er war vor seiner Bundespräsidentschaft als Geschäftsführer des „Internationalen Währungsfonds“ (IWF) ein Beamter und Finanzexperte, dessen Wirken sicher auch politische Dimensionen hatte. Doch Parteipolitik mit ihren entsprechenden Vernetzungen und Machtgefügen war seine Sache nicht.
Fluch und Segen: Parteipolitische Sozialisation
So kam Köhler nach drei sprachmächtigen in der Parteilandschaft verankerten Bundespräsidenten von seinem Hintergrund eher als Exot daher, der nicht parteipolitisch sozialisiert war und daher machttechnisch auch nicht auf diesen Apparat im Hintergrund zurückgreifen konnte. Manch einer sagt jetzt, einem Bundespräsidenten mit parteipolitischem Hintergrund wäre dieser Faux Pas in Afghanistan nicht passiert. Andere sagen, der mangelnde Rückhalt in CDU und FDP, die ihn zumBundespräsidenten gewählt hatten, hätte letztlich sein Ausscheiden befördert.
Geschliffene Reden verschleiern mitunter die Wahrheit
Köhler war kein gewandter Redner, einer, der vom Blatt oder Teleprompter ablas, einer, der eher introvertiert war und einer, dem die treffenden und brilliant formulierten Inhalte nicht automatisch über die Lippen kamen. Selbst seinen Rücktritt mußte er von einem Blatt ablesen, wie man unten im Film sehen kann. Rein technisch war er deshalb nicht so medienwirksam und professionell wirkend wie seine Vorgänger Richard von Weizäcker (1984–1994), Roman Herzog (1994–1999) und Johannes Rau (1999–2004), die teils profunde politische Karrieren hinter sich hatten. Dass Köhler so war, gab seinem Wirken eine gewisse Glaubwürdigkeit, weil vieles nicht so gedrechselt wirkte wie bei seinen Vorgängern. Allerdings blieben aber gerade im ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit Frequenz und Relevanz seiner Statements aus. Es spricht einiges dafür, dass er sich in den üblichen Macht-Polit-Mühlen zerrieben hat – ein Faktum, das die Außenwirkung der jetzigen Bundesregierung in der öffentlichen Wahrnehmung schwächt. So wird der Quereinsteiger zum politischen Querschläger.