Recycling ist in Hollywood ja nicht erst seit gestern schwer angesagt. Äußerte sich das früher in endlosen Fortsetzungsreihen, können die Studios heute unter einer ganzen Palette von schön klingenden Wiederkäu-Optionen auswählen, wie Prequels, Reboots, Re-Imaginings und das gute alte Remake. Letzteres grassiert vor allem im Horror-Genre, dessen Klassiker inzwischen fast alle in zweifacher Ausfertigung vorhanden sind.
Gleich zwei Beispiele hierfür sind in den letzten beiden Wochen in deutschen Kinos angelaufen: Erst „A Nightmare on Elm Street“, dann „The Crazies“, dessen Original von Zombie-Meister George A. Romero stammt. Beide stehen für verschiedene Ansätze, wie man ein Remake angehen kann. Einer ist gut, einer ist schlecht, soviel sei schon mal gesagt.
Die Neufassung von „A Nightmare on Elm Street“ stammt von der Produktionsfirma Platinum Dunes, die sich auf Remakes von Horror-Klassikern spezialisiert hat, sie zeichnen zum Beispiel für die Wiedergänger von „The Texas Chainsaw Massacre“, „The Hitcher“ und „Friday the 13.“ verantwortlich. Jetzt haben sie sich mit Freddy Krüger eine weitere Ikone des Genres vorgenommen, und einen Moment lang denkt man, ja, warum nicht. Die Prämisse der Nightmare-Reihe von Freddy als dem Herrscher über die Traumwelt hat schließlich enormes visuelles Potential, bei dessen Ausschöpfung man heute ganz andere Wege gehen könnte als beim Low-Budget-Original von 1984.
Während des Films merkt man aber, dass die Macher nicht daran interessiert waren etwas anderes auszuschöpfen als die Umsatzzahlen des Startwochenendes. Der Film ist ein glattgebügeltes, vollkommen charakter- und inspirationsloses Produkt. Er besteht im Grunde nur aus dem Standard-Modul für Slasherfilme, in das die charakteristische Silhouette von Freddy eingefügt wurde.
Regisseur Samuel Bayer lässt die Möglichkeiten, die ihm die Traumwelten bieten, einfach links liegen. Anstatt wirklich verstörende Alptraumbilder zu erzeugen, die eine neue Sichtweise der alten Geschichte transportieren könnten, setzt er bei Freddys Auftritten immer auf den gleichen plumpen Kniff: die Charaktere nicken irgendwo ein, und wachen am selben Ort auf, der ein bisschen freakiger ausgeleuchtet ist als vorher. Die Absicht dahinter ist so öde wie klar: der Zuschauer soll verunsichert werden, ist das jetzt Realität oder Traum? Nur blöd, dass selbst der Langsamste den Unterschied sofort checkt, so dass es niemanden überrascht, wenn Freddy um die Ecke kommt und die Träumer meuchelt.
Statt Alpträumen das große Gähnen
Bis auf ein, zwei Bildideen, die bezeichnenderweise eins zu eins aus dem Original übernommen wurden, wird die Prämisse komplett ignoriert, und dieses Mal können sie sich nicht damit herausreden, dass zuwenig Geld zur Verfügung gewesen wäre.
Dann ist da noch die ärgerliche Umdeutung von Freddys Vorgeschichte. War dieser im Original bereits als Lebender ein Kindermörder, dessen Motivation schwer fassbar war, ist er hier ein Pädophiler. Diese Änderung ist nicht nur eine recht zynische Auffassung von „Anpassung an den Zeitgeist“, sie zertrümmert auch die innere Logik der Geschichte und liefert den Vorwand für eine extrem reaktionäre Moral, die durchaus als Rechtfertigung von Selbstjustiz gelesen werden kann.
Noch nicht einmal die grundlegenden Regeln werden eingehalten: Freddy ist viel zu schnell zu sehen, seine Morde sind ohne jede Spannung inszeniert und auch Gorehounds kommen nicht auf ihre Kosten, dafür gibt es dann wiederum zu wenige Tote. „A Nightmare on Elm Street“ ist ein Beispiel für einen Film, bei dessen Entstehung künstlerische Kriterien keine Rolle spielten. Er ist ein Trägervehikel für eine Marketingkampagne, die sich einer sattsam eingeführten Figur bedient und ausschließlich auf den Erfolg am ersten Wochenende zielt. Selbstverständlich mit Erfolg, eine Fortsetzung ist schon geplant.
Es geht auch anders
Nach dieser cineastischen Abtreibung möchte man allein bei dem Wort „Horrorfilm-Remake“ gequält aufstöhnen. Wenn man dann noch liest, dass der Regisseur von „The Crazies“ Breck Eisner heißt und ein Sprössling von Disney-Chef Michael Eisner ist, scheint der Fall klar zu sein. Da hat der Papi ihm aber einen schönen Job auf dem Regiestuhl verschafft, ganz so wie er sich das zu Weihnachten gewünscht hat, hm? Das wird doch nix, da können noch nicht mal Genre-Spezialisten wie Timothy Oliphant und Radha Mitchell in den Hauptrollen etwas rausreißen.
In der Kleinstadt Ogden Marsh, sind es dieses Mal keine Zombies, sondern die nahe verwandten Infizierten, die sich in der Kleinstadt breit machen. Ein ominöser Virus im Trinkwasser macht seine Opfer erst apathisch und wortkarg, um sie dann später umso schneller am Rad drehen zu lassen, was sich bei den meisten Betroffenen in ungezügelter Mordlust äußert. Der Virus ist ein hausgemachtes Problem der US Armee, die denn auch bald herbei eilt und versucht den PR Schaden zu beheben. Womit es für die Überlebenden wie den Sheriff und seine schwangere Frau erst so richtig ungemütlich wird.
Aber hier vergeht einem das arrogante Grinsen nach einiger Zeit, wenn man bemerkt, dass „The Crazies“ erstaunlicherweise Hand und Fuß hat. Zwar bleibt die Handlung immer im Rahmen des genretypisch Erwartbaren, wie z.B. dummen Dorfhäuptlingen, die die Gefahr parotout nicht sehen wollen. Auch mangelt es nicht an den üblichen Buh-Effekten. Aber sowohl Tempo als auch Timing der Inszenierung sind stimmig und kommen ohne größere Logiklöcher aus.
Was das Ganze dann aber über „Gar nicht schlecht“ hinaus interessant macht, ist die Darstellung der Armee, die die Ausbreitung der Krankheit ohne Rücksicht auf Kollateralschäden verhindern muss. Schon bei Romero machten die Soldaten in weißen Schutzanzügen einen Großteil der Bedrohung für die Protagonisten aus. Dort aber waren sie schlecht organisiert und nervös, während die Figur des Colonel Peckham der militärischen Engstirnigkeit ein fieses Gesicht gab.
Eisner geht hier einen Schritt weiter, weil die Befehlshaber genau wissen was sie tun, und diesen Plan mit kalter Präzision durchführen lassen. Hier liefern keine Redneck-Offiziere mehr ein Gesicht auf das man zeigen kann, die Verantwortlichen sind moderner Kriegsführung entsprechend sehr weit weg. Konsequent dazu werden die Truppen komplett entmenschlicht, praktisch nie sind Gesichter hinter den insektenhaften Gasmasken zu sehen. Auf ihrer Flucht vor den Kranken und den Soldaten geraten die Figuren immer wieder ins Blickfeld von Spionagesatelliten, die sowohl die Übermacht der Staatsgewalt demonstrieren als auch zeigen, dass diese eine Maschinerie ist, die, wenn sie einmal in Gang ist, unaufhaltsam ihrem Programm folgt.
Diese Umdeutung von Heimatschutz als dem eigentlichen Horror ist schon erstaunlich desillusioniert und man fragt sich, ob das noch den Nachwirkungen von acht Jahren Bush geschuldet ist. Das der Film in dieser Form kurz nach dem 11. 9. hätte entstehen können, scheint jedenfalls mehr als unwahrscheinlich.
Eisner schafft es mit „The Crazies“ tatsächlich das einzulösen, was einem Remake seine Existenzberechtigung verleiht: Anstatt sie sklavisch abzupausen, interpretiert er die Vorlage neu und schafft es so, den Geist des Originals an heutige Zeiten anzupassen. Ein geradezu revolutionärer Ansatz, an dem sich andere Wiederkäuer durchaus ein Beispiel nehmen dürfen.