Wer kennt es nicht, das Spiel bei dem mehrere Personen um einen Stuhlkreis laufen, aber für eine Person ein Stuhl zu wenig da ist? Nehmen wir mal an, bei diesem Stuhlkreis ginge es um die Sitze im Landtag von Nordrhein-Westfalen, also um Sitze für die Machtverteilung, dann wäre nach der CDU die FDP nun raus.
Seit der Wahl am 9. Mai haben sich fast täglich kleine News im Parteiengeplänkel rund um die Macht – bzw. für die FDP den Machterhalt – ergeben. Und im Hintergrund, groß und düster, wartet immer noch Ministerpräsident Rüttgers und beobachtet, wie sich die anderen an der schwierigen Situation abarbeiten.
Was bisher geschah:
Die Wahl hatte zu einem ungefähren Patt zugunsten der CDU geführt. FDP und CDU haben aber zu wenig Stimmen, SPD und Bündnis90/Die Grünen auch. Eine Duldung einer rot-günen Koalition durch „Die Linke“ wollte NRW-SPD-Chefin Hannelore Kraft nicht. Bliebe noch: Erstens eine große Koalition zwischen CDU und SPD, zweitens eine Koalition zwischen SPD, „Bündnis90/Die Grünen“ und FDP oder drittens der SPD, „Bündnis90/Die Grünen“ und „Die Linke“.
Interne Auseinandersetzungen in der FDP
Heute hat die FDP nach einem kleinen Hin-und-Her Koationsgespräche mit der Begründung abgelehnt, dass sie sie mit SPD und „Bündnis90/Die Grünen“ nicht führen wolle, wenn die mit „Die Linke“ über eine Koalition sprächen. Gestern hatte die FDP zunächst ultimativ vom Gang in die Opposition gesprochen, dann war der NRW-FDP-Vorsitzende und Minister für Innovation, Andreas Pinkwart, etwas zurückgerudert, was zu einer Auseinandersetzung mit Gerhard Papke, dem Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion, geführt hatte, der ultimativer denkt und schon am Wahlabend von diesem Gang in die Opposition gesprochen hatte.
Bemerkenswert ist manches:
Zum einen ist Pinkwart mit seiner Absage, hinter der er persönlich wohl nicht so ganz steht, etwas schwammig geblieben. Er hat damit die Tür für Gespräche vielleicht noch nicht ganz zugeschlagen. SPD-Chefin Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann, die Vorsitzende von „Bündnis90/Die Grünen“ betonten heute, dass sie mit „Die Linke“ keine Koalitionsverhandlungen sondern lediglich Sondierungsgespräche führen wollten. Sie sehen mit Befremden auf die Reaktion der FDP, wo doch unter Umständen klar ist, dass eine konstruktive Koalition mit „Die Linke NRW“ äußerst schwierig sein dürfte. Hannelore Kraft hatte der schon vor Monaten attestiert weder regierungs- noch koalitionsfähig zu sein.
Wie geht es weiter?
Vor einem solchen Hintergrund könnte nun „Die Linke“ bei den Sondierungsgesprächen nächste Woche unter Umständen durch Konstruktivität glänzen und damit alle politischen Beobachter verblüffen. Ausschlaggebend könnte sein, dass NRW für eigentlich alle Bundesparteien ein wichtiges politisches Schlachtfeld ist. So könnten äußere Einflüsse auf die Landesparteien wichtig werden: Die FDP, die heldenhaft in die Opposition gehen will, könnte Regierungsverantwortung nach dem Absinken der Popularitätswerte als Bewährungsprobe und Neustart gut brauchen. „Die Linke“ steht mit dieser Wahl dort in einem westdeutschen Bundesland, wo sie schon lange sein wollte. Das Ergebnis, das sie in NRW erzielen konnte, beweist, dass „Die Linke“ auch „im Westen“ zur ernstzunehmenden politischen Größe geworden ist. Wenn sie nun politische Einflußnahme generieren würde, wäre der nächste Schritt getan – auch im Hinblick auf neue Lernerfahrungen und einen Fortgang der Selbstorganisation.
Bleibt es beim gang der NRW-FDP in die Opposition?
FDP-Generalsekretär Christian Lindner jedenfalls öfnete die von Pinkwart nicht vollständig zugeschlagene Tür für Verhandlungen ein weiteres Stück, indem er in Aussicht stellte, dass Pinkwart bei Scheitern der Verhandlungen mit „Die Link“e unter Umständen noch einen Versuch im Hinblick auf Gespräche über eine mögliche Koalition mit SPD und „Bündnis90/Die Grünen“ wagen könnte.
Jürgen Rüttgers: Der Lachende im Hintergrund?
Bliebe die FDP bei ihrem Nein und scheiterten die Verhandlungen mit „Die Linke“ gäbe es ohne Neuwahlen nur noch eine Option: Die große Koalition mit der CDU, womöglich mit einem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Die Eindringlichkeit dieser Vorstellung könnte bei den beteiligten Akteuren doch noch Kräfte freisetzen, um eine andere Koalition zu ermöglichen. Es ist nur die Frage, welches Spiel gespielt wird: Poker, schach oder eben „Die Reise nach Jerusalem“.
Artikel nach der Wahl:
Bundespolitik: Das Ende der Regierbarkeit
NRW-Wahl: Welche Koalition denn nun?
NRW-Wahl: Wer kann was am besten?
NRW-Wahl: Der Koalitions-Polit-Tanz (Video)
NRW-Wahl: Die Top-Koalitionspartner (Video)
Artikel vor der Wahl:
NRW-Wahlkampf (1): Die CDU malt Rüttgers in Schwarzweiß
NRW-Wahlkampf (2): Die SPD mit echt fetten Aussagen
NRW-Wahlkampf (3): „Die Linke“ mit Gysi in Recklinghausen
NRW-Wahlkampf (4): „Die Linke“ mit Lafontaine in Essen
NRW-Wahlkampf (5): Die CDU und die Doppelbödigkeit der Politik